Skizzen aus dem Londoner Alltag. Charles Dickens

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Skizzen aus dem Londoner Alltag - Charles Dickens

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ein altes, schwaches Weib, um Gnade für ihren Sohn flehend, in einem engen, finsteren Gemache mit dem Tode ringt, ohne ein Kind, ihre Hand zu drücken und ohne ein frisches Lüftchen, ihre Stirne zu kühlen. Ein Fremder drückte die Augen zu, welche in einem kalten, gläsernen Blick erstarben, und fremde Ohren empfingen die Worte, die über die weißen, halbgeschlossenen Lippen zitterten.

      Eine grobe und abgeschnittene Jacke, mit einem abgetragenen baumwollenen Halstuch und andern Kleidungsstücken der gemeinsten Art vollendeten die Geschichte. Ein Gefängniß und das Urtheil – Verbannung oder der Galgen. Was würde jetzt der Mann gegeben haben, um die zufriedenen, bescheidenen Kinderjahre noch einmal zurückzurufen, nur noch eine Woche, einen Tag, eine Stunde, eine Minute, nur noch so viel Zeit übrig zu haben, als erforderlich wäre, der kalten, bleichen Gestalt, die auf dem Armenkirchhofe modert, ein Wort seiner tiefen Reue zu sagen und einen Laut der Vergebung von ihr zu vernehmen! Die Kinder wild auf der Straße, die Mutter eine verlassene Wittwe; beide gebrandmarkt mit der Schande des Gatten und Vaters, und von der nackten Noth an den Rand des Abgrundes gedrängt, der ihn einem langsamen, vielleicht noch Jahre lang zögernden Tode, manches tausend Meilen von hier, entgegenführt. Wir haben die Geschichte nicht bis zum Ende verfolgt, aber ihr Schluß ist leicht zu errathen.

      Wir gingen einen oder zwei Schritte weiter, versetzten uns wieder in unsere natürliche, heitere Stimmung und begannen eingebildete Füße in ein ganzes Magazin voll Stiefeln und Schuhen mit einer Eile und Genauigkeit einzufügen, welche die erfahrensten Lederkünstler in Erstaunen gesetzt haben würden. Da war ein Paar Stiefel, welches unsere Aufmerksamkeit besonders auf sich zog – ein lustig, gutmüthig aussehendes Paar, das unsere wärmste Theilnahme erweckte; und ehe wir eine halbe Minute lang die Bekanntschaft derselben gemacht, hatten wir auch schon einen feinen jovialen Burschen von Marktgärtner mit einem rothen Gesichte für sie gefunden. Sie waren gerade für ihn da. Seine dicken, feisten Beine schwellen über der Oeffnung, und da diese etwas zu eng ist, um sie in die Röhre schlüpfen zu lassen, so ist letztere nicht straff angespannt, sondern faltig und läßt zwischen ihrem Ende und dem Knieband noch einen Streifen des Strumpfes gewahr werden; seine blaue Schürze ist rund und seine Weste aufgerollt; und da steht er nun in seiner rothen Halsbinde, seinem blauen Rock und einem weißen Hut, der seitwärts auf seinem Kopfe sitzt, und verzieht sein breites, rothes Gesicht, verpfeift aber alsbald seinen Verdruß, als wäre nie ein anderer Gedanke, als der Gedanke an Wohlbehagen und Lust in sein Gehirn gekommen.

      Dieß war ein Mann nach unserem Herzen; wir kannten alle seine Verhältnisse; wir hatten ihn schon ein Halbdutzendmal in seiner grünen Chaise, mit dem fetten, runden Rößchen nach Convent-Garden kommen sehen; und sogar in diesem Augenblicke, wo wir einen zärtlichen Blick auf seine Stiefel werfen, springt plötzlich der Fuß einer zierlichen Dirne in ein Paar Dänemarksatlasschuhe, die daneben stehen, und wir erkennen sogleich dasselbe Mädchen, dem er letzten Dienstag Morgen, als wir von Richmond in die Stadt ritten, gerade an dieser Seite der Hammersmither Hängebrücke einen Sitz in seinem Chaischen anbot.

      Ein schmuckes Frauenzimmer mit einer glänzendweißen Haube schlüpfte in ein Paar graue Tuchstiefelchen mit einer schwarzen Einfassung und Franzen von derselben Farbe, und streckte die Fußspitzen coquettirend auf der andern Seite der Stulpenstiefel aus, augenscheinlich in der Absicht, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen; aber wir bemerkten nicht, daß unser Freund, der Handelsgärtner, durch diese Schmeicheleien gefesselt worden wäre; denn außer einem Winke der Erkennung, wodurch er vielleicht darauf hindeuten wollte, daß er ihren Endzweck wohl einsehe, nahm er keine weitere Notiz davon. Seine Gleichgültigkeit wurde jedoch durch die ausgezeichnete Galanterie eines sehr alten Herrn mit einem silberbeschlagenen Stock reichlich ersetzt, welcher in ein Paar große Randschuhe trippelte, die auf dem Rande des Brettes stunden, und seine Bewunderung der Dame in den Tuchstiefelchen durch eine Menge ausdrucksvoller Geberden an den Tag legte, zum unermeßlichen Ergötzen eines jungen Burschen, den wir in ein Paar Tanzschuhe mit hohem Fersenleder steckten, und welcher mit seinem Gelächter den Rock zu zersprengen drohte, der herabsprang, um sich um seinen Leib zu schließen.

      Wir hatten dieser Pantomime einige Zeit lang mit großem Vergnügen zugesehen, als wir zu unserem unaussprechlichen Erstaunen bemerkten, daß sich die ganze Gesellschaft mit Einschluß eines zahlreichen Balletcorps von Stiefeln und Schuhen im Hintergrund, in welche wir eiligst so viel Füße steckten, als wir zu unserem Dienste aufbringen konnten, zum Tanzen in Ordnung stellten, und im Augenblicke eine Musik ertönte, der sie sich unverzüglich fügten. Es war höchst ergötzlich, die Gliederfertigkeit des Handelsgärtners zu beobachten. Fort flogen die Stiefel zuerst auf der einen und dann auf der andern Seite, bald seitwärts, bald in's Gedränge, bald gegen die Dänemarksschuhe, dann vorwärts, dann rückwärts, dann ringsherum, und wenn alle diese Evolutionen ausgeführt waren, fing er die Reihe von vorn an, ohne daß er nur im Mindesten unter der Heftigkeit der Bewegung zu leiden schien.

      Auch die Dänemarksschuhe blieben nicht zurück, denn sie hüpften und sprangen in allen Richtungen umher; und wenn sie gleich weder so regelmäßig, noch so taktfest tanzten, als die Tuchstiefelchen, so sah man es ihnen doch an, daß es von Herzen ging, und daß sie mehr Lust daran hatten, und darum, wir bekennen es frei, gefiel uns ihre Tanzweise besser.

      Aber der amüsanteste Gegenstand in der ganzen Gesellschaft war der alte Herr in den Randschuhen; denn abgesehen von seinen grotesken Versuchen, jugendlich und verliebt zu erscheinen, welche an sich unterhaltend genug waren, wußte es der junge Bursche in den Tanzschuhen so künstlich anzustellen, daß er dem alten Herrn, so oft sich dieser der Dame in den Tuchstiefelchen näherte, mit dem ganzen Gewicht seines Körpers auf die Zehen trat, so daß dieser vor Schmerz laut aufschrie und die Uebrigen sich todt lachen wollten.

      Wir waren im Vollgenusse dieser Feierlichkeiten, als wir eine gellende, keineswegs musikalische Stimme rufen hörten, »ich hoffe, Sie werden mich jetzt kennen, Sie unverschämter Gaffer!« Wir warfen forschende Blicke um uns, um zu sehen, woher der Laut kam, und bald fanden wir, daß er nicht, wie wir anfangs zu vermuthen geneigt gewesen, von der jungen Dame in den Tuchstiefelchen ausgegangen war, sondern von einer großen, ältlich aussehenden Dame herrührte, welche oben an der Kellertreppe auf einem Stuhle saß, offenbar um den Verkauf der dort aufgestellten Gegenstände zu überwachen.

      Eine Trommel, welche hart hinter uns mit voller Kraft geschlagen worden war, verstummte; die Leute, welche die Schuhe und Stiefel angezogen hatten, ergriffen bei dieser Unterbrechung die Flucht; und da wir uns bewußt waren, in der Tiefe unseres Nachdenkens die alte Dame, ohne daran zu denken, vielleicht eine halbe Stunde lang unverschämt angestarrt zu haben, ergriffen wir ebenfalls die Flucht und befanden uns bald in der dichtesten Finsterniß der angrenzenden Dials.

      Siebentes Kapitel

      Miethkutschen-Stände.

      Wir behaupten, daß die Miethkutschen – d. h. die eigentlichen Miethkutschen – eine ausschließlich der Hauptstadt angehörige Eigenthümlichkeit sind. Man wird uns zwar entgegenhalten, – daß es auch Miethkutschen-Stände in Edinburgh gäbe; ja, um den Widerspruch unserer Behauptung nicht einmal so weit aufzusuchen, so wird man uns in Erinnerung bringen, daß Liverpool, Manchester »und andere große Städte« – wie der parlamentarische Ausdruck laute – gleichfalls ihre Miethkutschen-Stände hätten. Wir geben gerne zu, daß diese Orte im Besitze gewisser Fuhrwerke sind, die fast eben so schmutzig aussehen und eben so langsam fahren, als die Londoner Miethkutschen; daß sie aber auch nur die geringsten Ansprüche hätten, sich mit denen der Metropolis, sei es im Punkte der Stände, oder der Kutscher, oder der Pferde, gleichzustellen, dieß müssen wir mit der gebührenden Verachtung zurückweisen.

      Man nehme einmal eine regelmäßige, schwerfällige, gebrechliche Londoner Miethkutsche von dem ächten alten Schlage an, und irgend ein Mensch soll die Kühnheit haben, aufzutreten und zu behaupten, daß ihm je irgend ein Gegenstand auf der Welt vor Augen gekommen sei, der jener Maschine auch nur entfernt ähnlich wäre – eine andere Miethkutsche von demselben Stande ausgenommen. Wir haben zwar schon auf verschiedenen

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