Ein verhängnisvoller Wunsch. Sabine von der Wellen
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Blödsinn.
„Doch!“, schluchzte sie auf. „Das war so!“
Außerdem, was hätte sie anderes tun können, als ihm hilfsbereit die Hand entgegenzustrecken, wo es ihm so schlecht ging?
Es war bei der Weihnachtsfeier vor vier Wochen gewesen. Er hatte ihr so traurige Dinge über seine gescheiterte Ehe erzählt und wie einsam er war, dass sie ihn einfach nicht ungetröstet ziehen lassen konnte. Dazu kam, dass seine Frau ihn angeblich an diesem Abend hinausgeworfen hatte und er buchstäblich auf der Straße stand. Isabel musste ihm einfach ein Dach über dem Kopf anbieten – so kurz vor Weihnachten, dem Fest der Liebe, dem sie sowieso schon mit erschreckend ungutem Gefühl entgegensah, und das für sie wieder zum Fest der beklemmenden Einsamkeit zu werden drohte.
Du brauchtest doch nur ein Opfer, dass dich die Einsamkeit vergessen ließ. Und Weihnachten verbrachte er trotzdem bei seiner Familie … und du hast dich auf Silvester vertrösten lassen. Und nun …?
Gott, sie war so dumm! Er war schließlich schon am Morgen nach der Weihnachtsfeier zu seiner Familie zurückgekehrt. Angeblich, weil seine Frau ihn angefleht hatte. Dabei hatte er überhaupt keinen Anruf an diesem Morgen bekommen. Aber sie hatte das anfangs gar nicht gecheckt. Und auch nicht, dass eine Frau, die ihren Mann betrügt, nicht diejenige sein kann, die ihren Mann aus der Wohnung wirft. Das Recht hätte sie gar nicht.
Wie immer hast du vor allem die Augen verschlossen, was du nicht sehen wolltest.
Seufzend starrte sie sich weiter in dem Spiegel an, in dem sich die verschmierten Augen schon wieder mit Tränen füllten. Dabei versuchte sie ihrem Gewissen entgegenzuhalten: „Aber er kam doch seit der Weihnachtsfeier immer wieder zu mir. Er wollte bei mir sein, weil er sich schwer in mich zu verlieben drohte. Ja, das waren seine Worte. Er drohte sich schwer in mich zu verlieben.“
Das hatte etwas in ihr freigesetzt. Eine Hoffnung. Eine dumme Hoffnung.
Zweimal fing er sie sogar in der Arbeit ab und zog sie ungestüm in das Lager und liebte sie auf dem kalten Plastik eines einfolierten Sofas. Nach Weihnachten stand er um Vergebung bettelnd vor ihrer Tür. Er hatte ihr zwar versprochen, Weihnachten bei ihr zu sein, aber das ging dann doch wegen der Kinder nicht. Aber er hatte für sie eine riesige Schachtel Pralinen mitgebracht und einen Arm voller Schwüre, dass Silvester ihr allein gehört, und dass sich im neuen Jahr alles für sie ändern wird. Und er zog sie erneut in ihr Bett und liebte sie mit mindestens zwei Kondomen übereinander.
Diesmal brauchte sie ihr schlechtes Gewissen nicht. Sie erkannte selbst, wie dumm sie war.
„Dumme Kuh!“, rief sie ihrem Spiegelbild entgegen. „Vergiss die Männer! Du brauchst sie nicht!“
Doch, sie brauchte sie. Sonst blieb sie allein und alles würde für sie zu spät sein.
Sie starrte ihr Spiegelbild wie einen Feind an. Diese andere Frau, die sie so erbärmlich um Mitleid heischend ansah und einfach nicht begriff, dass sie sich besser einen Hund anschaffen sollte.
Nein, nicht so ein dreckiges Fellvieh!
Isabel schüttelte den Kopf, als wenn sie erkannte, dass es keinen Zweck hatte. Sie würde nie verstehen – nie begreifen, was wirklich in ihrem Inneren tobte und warum es das tat. Wäre ein Hund nicht die Lösung? Könnte das nicht ein Ersatz sein?
Ihre Vorsätze für das neue Jahr fielen ihr ein. Sie hatte hunderte in ihrem Kopf heraufbeschworen, als sie die Sektflaschen geleert hatte. Jetzt wusste sie nur noch einen und ihr Gewissen rief applaudierend, weil es den wohl zu seinem Lieblingsvorsatz auserkoren hatte: Finger weg von allen Männern oder der ständigen Suche nach einem Vater für ein Kind.
„Und nie mehr nett sein, nie mehr auf dieses verdammte Gewissen hören und sich einen Hund anschaffen“, zischte sie wütend, um dieser Stimme endlich Einhalt zu gebieten. Dabei schlug sie gegen den Spiegel, der Frau mitten ins Gesicht, die noch nicht einmal ihre Miene verzog. Doch ein gewaltiger Sturm tobte durch Isabels Hand und mit Genugtuung stellte sie fest, dass die Frau ihr gegenüber nun doch das Gesicht verzog. Doch das schien nur Sekunden lang so zu sein. Denn ihre Gedanken wollten unbedingt bei der Sache mit dem Hund bleiben. Warum auch nicht? Sie wollte doch nur etwas, was sie bedingungslos lieben konnte und was sie genauso zurückliebte. Außerdem wollte sie etwas, um was sie sich kümmern konnte und dass sie nie verließ.
Hör auf, dich verrückt zu machen. Du hast gar keine Zeit für einen Hund und wirst bestimmt auch noch allergisch. Geh dich jetzt waschen und zieh den Fummel aus. Es ist gleich morgens und etwas schlaf wird dir guttun. Morgen sieht die Welt dann schon anders aus.
Immer noch drangen von draußen die dumpfen Böllerschüsse durch die Nacht und der kreischende Schrei eines Jaulers.
„Pah, ich höre nicht auf dich. Du kannst mich mal! Ich lege mich jetzt so schlafen“, rief sie sich aufmüpfig zu und machte eine wegwerfende Handbewegung zu der Frau im Spiegel, die sie mürrisch anstarrte. Dann schob sie sich schwerfällig von der Bettkante und setzte sich schlurfend in Bewegung. Einen Augenblick wusste sie nicht, was sie eigentlich tun wollte. Seltsam ruhelos trat sie ans Fenster. Die Straßenlaternen warfen müdes Licht auf die Häuserwände und die darunter geparkten Autos und die Straße war menschenleer. Nur hier und da erhoben sich noch buntschillernde Lichterpunkte in den dunklen Himmel über der Stadt. Dort wurde offenbar immer noch gefeiert.
Erneut drangen wie aus weiter Ferne Böllerschüsse an ihr Ohr. Aber nur noch sehr wenige. Die Silvestermeute war langsam des Feierns müde. Aber man konnte dennoch in den Häusern erleuchtete Fenster sehen. Eigentlich noch eine ganze Menge. Da drüben wurde auch noch kräftig gefeiert. Und da, gegenüber im Nachbarhaus, stand jemand am Fenster und sah genauso wie sie hinaus.
Sie griff nach dem Schalosienband und wollte die Schalosie gerade hinunterlassen, als sie ein Gedanke packte. Eigentlich löste ihr Gewissen diesen Gedanken aus, der sie schon brav ins Badezimmer wanken sah, um sich abzuschminken und sich das Kleid auszuziehen …
„Vergiss es“, lallte sie aufmüpfig und immer weniger ihrer Muttersprache mächtig. „Abschminken? Wozu? Ausziehen …, okay!“
Noch während sie die Worte zu sich sagte, schrie es in ihr auf. Nein, tue das bloß nicht!
Hämisch grinsend knöpfte sie ihr Kleid auf. Langsam, ganz langsam. Dabei starrte sie auf das Fenster im gegenüberliegenden Haus und spürte, wie etwas in ihr entsetzt erstarrte. Aber sie ignorierte diese plötzlich aufkeimende Angst vor dem, was sie vorhatte. Heute wollte sie nicht die brave, liebe Isabel sein.
Bewegung kam in die Gestalt im gegenüberliegenden Haus und plötzlich ging das Licht aus.
Etwas enttäuscht wollte Isabel sich abwenden, den Gedanken verwerfend, der sie gerade noch trug, als das Glimmen einer Zigarette ihr verriet, dass die Gestalt immer noch am Fenster stand.
Langsam drang die Tragweite ihres Handelns in ihre Gedankengänge, doch sie verdrängte sie mit aller Macht.
Einmal tun, was sie will. Einmal nicht prüde und brav sein.
Sie schwankte leicht und musste sich am Fensterbrett festhalten, als sie das Kleid sinken ließ. Langsam drehte sie sich einmal um sich selbst und strich sich durch ihr langes, dunkelbraunes Haar. Ein Seufzer drang aus ihrer Kehle, und erschrocken riss sie die Augen auf, die sie kurz geschlossen hatte.
Er war noch da. Er schien sie