Ein verhängnisvoller Wunsch. Sabine von der Wellen
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Ihre Mutter wusste auch nicht, dass Isabel diese Muttergefühle, die sie bei Kindern jedes Mal anfielen, fast ins Grab brachten, und dass sie sich absolut bewusst war, dass sie bald nicht mehr in der Lage sein würde, selbst welche zu bekommen.
Tränen quollen ihr aus den Augen, und Isabel versuchte sie mit aller Macht zu unterdrücken. Bloß nicht schon am frühen Morgen in Selbstmitleid zerfließen. Wo soll das sonst hinführen?
Trotz Gegenwehr machte sich Niedergeschlagenheit bei ihr breit. Sie musste sich erst einmal einen Kaffee kochen und eine Schmerztablette einwerfen, damit die rasenden Kopfschmerzen aufhörten, die mit der Übelkeit erneut eingesetzt hatten.
Langsam schlurfte sie in die Küche und stellte die Kaffeemaschine an. Dann griff sie in eine Schublade nach den immer dort parat liegenden Tabletten und schluckte eine mit etwas Wasser hinunter. Der nächste Gang führte sie in ihr Badezimmer. Der Blick in den Spiegel verhieß nichts Gutes. Soll das da etwa sie sein? Diese alte Frau mit der verschmierten Schminke im Gesicht.
Es fröstelte sie und ihr wurde langsam bewusst, dass sie nichts anhatte.
So läufst du in der Wohnung herum, und das am helllichten Tag, wo dich jeder sehen kann!
Ah, ihr Gewissen. Das war immer rege und wachsam. Selbst nach so einer Nacht.
Scheu sah sie durch die Tür des Badezimmers in den kleinen Flur und das angrenzende Wohnzimmer.
Tatsächlich! Es war hell - also die Schalosien offen. Ihr wurde mit Erschrecken klar, dass sie eben jeder sehen konnte, als sie aus dem Bett zum Telefon gewankt war.
Schamröte überzog ihr Gesicht und machte es mit der verschmierten Schminke noch unansehnlicher.
„Ach, es wird schon keiner am Fenster gestanden haben“, beruhigte sie sich schnell.
Fenster … Fenster … irgendwie drängte sich ein ungutes Gefühl im Zusammenhang mit Fenster an die Oberfläche.
Ach, egal! Sie musste erst mal duschen.
Sie stieg hinter den Vorhang und ließ das Wasser über ihren Körper laufen. Langsam verschwanden dabei ihre Kopfschmerzen und ihre Lebensgeister erwachten vollständig. Aber mit denen auch die Wut auf den missratenen Silvesterabend.
Sie trocknete sich ab und marschierte, von ihrem großen, geblümten Handtuch umschlungen, in ihr Schlafzimmer. Aus der Küche drang schon der würzige Kaffeegeruch zu ihr herüber, und mit einem dumpfen Hungergefühl im Magen fiel ihr Blick auf den Radiowecker auf ihrem Nachtschrank.
„Mein Gott, es ist ja schon fünf!“, entfuhr es ihr aufgebracht. Sie hatte doch tatsächlich bis zum Nachmittag geschlafen.
Schnell zog sie sich an und lief zum Fenster, zog die Schalosie hoch, scheinbar die einzige, die sie herunterzulassen geschaffte hatte, und öffnete das Fenster. Es regnete etwas und es war viel zu warm für diese Jahreszeit.
Ohne zu wissen, warum, glitt ihr Blick suchend über die gegenüberliegende Häuserreihe. Gerade als ihr das bewusst wurde und sie sich umdrehen wollte, weil sie nicht so recht wusste, was sie eigentlich sucht, fiel ihr Blick auf die blaue Spitzenunterwäsche und ihr teures Kleid zu ihren Füßen. Erschrocken sah sie wieder zu der Häuserreihe hinüber und ihr Blick blieb an einem bestimmten Fenster hängen.
Es war also kein Traum gewesen. Sie hatte das tatsächlich getan.
Schnell drehte sie sich vom Fenster weg und drückte sich an die Wand. Von der schnellen Bewegung wurde ihr schwindelig und sie fasste sich an den Kopf, um das Rotieren in ihren Schläfen zu besänftigen. Dabei versuchte sie sich zu beruhigen.
Das konnte doch nicht wahr sein! Das konnte sie doch unmöglich getan haben! Bitte, lass es nur ein Traum gewesen sein.
Sie bückte sich und lief in dieser Haltung unter dem Fenster her. Erst am anderen Ende stellte sie sich wieder hin und lugte noch einmal, durch die an dieser Seite des Fensters herabfallende Gardine, zu dem gegenüberliegenden Haus hinüber. Dort war aber niemand zu sehen.
Mein Gott, wie peinlich! Wer sie wohl letzte Nacht alles gesehen hatte?
Jedem Nachbarn aus der Straße wird sie ab jetzt nur noch mit Schamröte im Gesicht begegnen können, und die Frauen halten sie bestimmt für ein Flittchen. Wenn sich das herumspricht!
Sie sah sich niedergeschlagen um, einen Augenblick von dem Gefühl überwältigt, aus dieser schönen Wohnung unter diesen Umständen ausziehen zu müssen.
Dann dieser Kerl, von dem sie genau weiß, dass er sie beobachtet hatte. Hoffentlich sah er das nicht als Einladung an, um sich vor ihrer Tür einzufinden.
Sie sah sich schon einem alten Kerl mit Hosenträgern über dem Unterhemd und abgetragener Jogginghose gegenüber, der sie mit lüsternem Blick aus einer versoffenen Trinkervisage angrinste.
Jetzt wurde Isabel wieder bewusst, warum sie immer auf ihr Gewissen hören sollte. Es schützte sie vor so unliebsamen Erkenntnissen am nächsten Tag.
Unglücklich und niedergeschlagen schlurfte sie in die Küche und schüttete sich einen Kaffee ein. Im selben Moment klingelte es an der Tür.
Erschrocken über die noch eben in ihrem Kopf rotierenden schrecklichen Gedanken ging sie beunruhigt in den winzigen Flur. Sie sah durch den Türspäher und fand das kleine, kahle Treppenhaus leer. Es hatte also unten an der Haustür geschellt.
Sie drückte den Türöffner und öffnete beunruhigt die Wohnungstür. Wenn sie durch das Treppenhaus nach unten spähte, konnte sie vielleicht erkennen, wer da kam und die Gelegenheit nutzen, um die Tür wieder zuzuschmeißen und zu verriegeln.
Noch bevor sie die Tür ganz geöffnet hatte, prangte ihr ein Strauß roter Rosen von ihrer Fußmatte entgegen, und das Treppenhaus war von einem angenehmen Duft durchdrungen. Langsam nahm sie ihn hoch und sah sich nochmals um. Aber da war niemand.
Schnell ging sie in die Wohnung zurück und suchte in dem Strauß nach einer Karte.
„So schöne Rosen! Sind die wohl von Hardy? Will er sein schlechtes Gewissen damit beruhigen?“, fragte sie sich dabei und wollte ihm schon wieder alles verzeihen.
Sie fand nur eine nicht unterschriebene Karte von einer Blumenhandlung, mit einem Spruch. „Zwölf neue Monate, zwölf Mal Glück, Freude und Gesundheit“, und stellte die Rosen in eine Vase auf den Tisch. Es waren zwölf Stück. Wunderschön anzusehen. Ein netter Neujahrsgruß.
Eigentlich sollte sie sie sofort in den Müll werfen. Schließlich hatte Hardy sie tief verletzt und sie brauchte keinen Neujahrsgruß von ihm, der ihr wenig persönlich vorkam. Hätte er wenigstens eine Karte mit heißen Liebesschwüren drangemacht und sie darin angefleht, ihr zu verzeihen, dann hätte sie ihren Ärger herunterschlucken können. Aber er hatte nichts dergleichen getan.
Er ist verheiratet und hatte nie vor, dich mehr in sein Leben zu lassen. Er wollte nur ein wenig Spaß. Mehr nicht.
Die Rosen waren trotzdem zum Wegwerfen zu schade. Aber Isabel schwor sich, dass Hardy bei ihr nicht mehr antanzen musste. Die Feiertage waren vorbei. Nun kehrte wieder der Alltag ein und sie brauchte keinen Tröster mehr. Sie hatte diese schreckliche Zeit