Charles Darwin: Die Vögel und die geschlechtliche Zuchtwahl. Carles Darwin

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Charles Darwin: Die Vögel und die geschlechtliche Zuchtwahl - Carles Darwin gelbe Buchreihe

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entwickelte Flügel besitzt. Audouin glaubt, dass die Weibchen dieser Spezies von den Männchen befruchtet werden, welche mit ihnen in derselben Zelle geboren werden; es ist aber viel wahrscheinlicher, dass die Weibchen andere Zellen besuchen und dadurch nahe Inzucht vermeiden. Wir werden später einigen wenigen exzeptionellen Fällen aus verschiedenen Klassen begegnen, wo das Weibchen anstatt des Männchens der aufsuchende und werbende Teil ist.]

       Das Weibchen ist andererseits mit sehr seltenen Ausnahmen weniger begierig als das Männchen. Wie der berühmte Hunter [Essays and Observations, edited bei Owen. Vol. I. 1861, p. 174.] schon vor langer Zeit bemerkte, verlangt es im Allgemeinen geworben zu werden; es ist spröde, und man kann oft sehen, dass es eine Zeit lang den Versuch macht, dem Männchen zu entrinnen. Jeder, der nur die Lebensweise von Tieren aufmerksam beobachtet hat, wird imstande sein, sich Beispiele dieser Art in's Gedächtnis zurückzurufen. Nach verschiedenen später mitzuteilenden Tatsachen zu urteilen und nach den Wirkungen, welche getrost der geschlechtlichen Zuchtwahl zugeschrieben werden können, übt das Weibchen, wenn auch vergleichsweise passiv, allgemein eine gewisse Wahl aus und nimmt ein Männchen im Vorzug vor anderen an. Oder wie die Erscheinungen uns zuweilen zu glauben veranlassen dürften: es nimmt nicht dasjenige Männchen, welches ihm das anziehendste war, sondern dasjenige, welches ihm am wenigsten zuwider war. Das Ausüben einer gewissen Wahl von Seiten des Weibchens scheint ein fast so allgemeines Gesetz wie die Begierde des Männchens zu sein.

       Wir werden natürlich veranlasst, zu untersuchen, warum das Männchen in so vielen und so weit voneinander verschiedenen Klassen gieriger als das Weibchen geworden ist, so dass es das Weibchen aufsucht und den tätigeren Teil bei der ganzen Bewerbung darstellt. Es würde kein Vorteil und sogar etwas Verlust an Kraft sein, wenn beide Geschlechter gegenseitig einander suchen sollten. Warum soll aber fast immer das Männchen der suchende Teil sein? Bei Pflanzen müssen die Eier nach der Befruchtung eine Zeit lang ernährt werden, daher wird der Pollen notwendig zu den weiblichen Organen hingebracht, er wird auf die Narbe entweder durch die Tätigkeit der Insekten oder des Windes oder durch die eigenen Bewegungen der Staubfäden gebracht. Bei den Algen und anderen Pflanzen geschieht dies sogar durch die lokomotive Fähigkeit der Antherozoiden. Bei niedrig organisierten Tieren, welche beständig an einem und demselben Ort befestigt sind und getrennte Geschlechter haben, wird das männliche Element unabänderlich zum Weibchen gebracht, und wir können hiervon auch die Ursache einsehen; denn wenn die Eier selbst sich vor ihrer Befruchtung lösten und keiner späteren Ernährung oder Beschützung bedürften, so könnten sie wegen ihrer relativ bedeutenderen Größe weniger leicht transportiert werden als das männliche Element. Daher sind viele der niederen Tiere in dieser Beziehung den Pflanzen analog. [Prof. Sachs (Lehrbuch der Botanik, 1870, p. 633) bemerkt bei der Schilderung der männlichen und weiblichen reproduktiven Zellen: „es verhält sich die eine bei der Vereinigung aktiv, ... die andere erscheint bei der Vereinigung passiv“.] Da die Männchen fest angehefteter und im Wasser lebender Tiere dadurch veranlasst wurden, ihr befruchtendes Element auszustoßen, so ist es natürlich, dass diejenigen ihrer Nachkommen, welche sich in der Stufenleiter erhoben und die Fähigkeit der Ortsbewegung erlangten, dieselbe Gewohnheit beibehielten; sie werden sich den Weibchen so sehr als möglich nähern, um der Gefahr zu entgehen, dass das befruchtende Element während eines langen Weges durch das Wasser verloren geht. Bei einigen wenigen der niederen Tiere sind die Weibchen allein festgeheftet und in diesen Fällen müssen die Männchen der suchende Teil sein. In Bezug auf Formen, deren Urerzeuger ursprünglich freilebend waren, ist es aber schwer zu verstehen, warum unabänderlich die Männchen die Gewohnheit erlangt haben, sich den Weibchen zu nähern, anstatt von ihnen aufgesucht zu werden. In allen Fällen würde es indessen, damit die Männchen erfolgreich Suchende werden, notwendig sein, dass sie mit starken Leidenschaften begabt würden; die Erlangung solcher Leidenschaften würde eine natürliche Folge davon sein, dass die begierigeren Männchen eine größere Zahl von Nachkommen hinterließen, als die weniger begierigen.

       Die größere Begierde des Männchens hat somit indirekt zu der viel häufigeren Entwicklung sekundärer Sexualcharaktere bei Männchen als beim Weibchen geführt. Aber die Entwicklung solcher Charaktere wird auch, wie ich nach einem langen Studium der domestizierten Tiere schließe, noch dadurch bedeutend unterstützt, dass das Männchen viel häufiger variiert als das Weibchen. Natusius, welcher eine sehr große Erfahrung hat, ist entschieden derselben Meinung. [Vorträge über Viehzucht. 1872, p. 63.] Einige gute Belege zugunsten dieser Schlussfolgerung kann man durch eine Vergleichung der beiden Geschlechter des Menschen erlangen. Während der Novara-Expedition [Reise der Novara: Anthropologischer Teil. 1867, p. 216, 269. Die Resultate wurden nach den von K. Scherzer und Schwarz angeführten Messungen berechnet von Dr. Weisbach. Über die größere Variabilität der Männchen bei domestizierten Tieren s. mein „Varieren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Domestikation“. 2. Aufl. Bd. II, p. 85.] wurde eine ungeheure Zahl von Messungen der verschiedenen Körperteile bei verschiedenen Rassen angestellt; und dabei wurde gefunden, dass die Männer in beinahe allen Fällen eine größere Breite der Variation darboten als die Weiber. Ich werde aber auf diesen Gegenstand in einem späteren Kapitel zurückzukommen haben. Mr. J. Wood, [Proceedings of the Royal Society. Vol. XVI. July 1868, p. 519, 524.] welcher die Abänderungen der Muskeln beim Menschen sorgfältig verfolgt hat, druckt die Schlussfolgerung gesperrt, dass „die größte Zahl von Abnormitäten an einem einzelnen Leichnam bei den Männern gefunden wird“. Er hatte vorher bemerkt, dass „im Ganzen unter hundertundzwei Leichnamen die Varietäten mit überzähligen Bildungen ein halb Mal häufiger bei Männern vorkommen als bei Frauen, was sehr auffallend gegen die größere Häufigkeit von Varietäten mit Fehlen gewisser Teile bei Weibern kontrastiert, was vorhin besprochen wurde“. Professor Macalister bemerkt gleichfalls, [Proceed. Royal Irish Academy. Vol. X. 1868, p. 123.] dass Variationen in den Muskeln „wahrscheinlich bei Männern häufiger sind als bei Weibern“. Gewisse Muskeln, welche normal beim Menschen nicht vorhanden sind, finden sich auch häufiger beim männlichen Geschlechte entwickelt als beim weiblichen, obgleich man annimmt, dass Ausnahmen von dieser Regel vorkommen. Dr. Burt Wilder [Massachusetts Medical Society. Vol. II. No. 3. 1868, p. 9.] hat hundertzweiundfünfzig Fälle von der Entwicklung überzähliger Finger in Tabellen gebracht. Von diesen Individuen waren 86 männliche und 39, oder weniger als die Hälfte, weibliche, während die übrigbleibenden siebenundzwanzig in Bezug auf ihr Geschlecht unbekannt waren. Man darf indess nicht übersehen, dass Frauen häufiger wohl versuchen dürften, eine Missbildung dieser Art zu verheimlichen, als Männer. Ferner behauptet Dr. L. Meyer, dass die Ohren der Männer in der Form variabler sind als die der Frauen. [Virchow's Archiv. 1871, p. 488.] Endlich ist die Temperatur beim Mann variabler als bei der Frau. [Die Schlussfolgerungen, zu denen neuerdings Dr. Stockton Hough in Bezug auf die Temperatur des Menschen gelangt ist, sind mitgeteilt in: Popul. Science Review, 1. Jan. 1874, p. 97.]

       Die Ursache der größeren allgemeinen Variabilität im männlichen als im weiblichen Geschlecht ist unbekannt, ausgenommen in so weit als sekundäre Geschlechtscharaktere außerordentlich variabel und gewöhnlich auf die Männchen beschränkt sind; wie wir sofort sehen werden, ist diese Tatsache bis zu einem gewissen Grade verständlich. Durch die Wirksamkeit der geschlechtlichen und der natürlichen Zuchtwahl sind männliche Tiere in vielen Fällen von ihren Weibchen sehr verschieden geworden; aber die beiden Geschlechter neigen auch, unabhängig von Zuchtwahl, infolge der Verschiedenheit der Konstitution dazu, in etwas verschiedener Weise zu variieren. Das Weibchen hat viele organische Substanz auf die Bildung seiner Eier zu verwenden, während das Männchen bedeutende Kraft aufwendet in den heftigen Kämpfen mit seinen Nebenbuhlern, im Umherwandern beim Aufsuchen des Weibchens, im Anstrengen seiner Stimme, in dem Erguss stark riechender Absonderungen usw.; auch wird dieser Aufwand gewöhnlich auf eine kurze Periode zusammengedrängt. Die bedeutende Kraft des Männchens während der Zeit der Liebe scheint häufig seine Färbung intensiver zu machen, unabhängig von irgendeinem auffallenden Unterschiede vom Weibchen. [Professor Mantegazza ist geneigt, anzunehmen (Lettera a Carlo Darwin, in: Archivio per l'Anthropologia, 1871, p. 306), dass die bei so vielen männlichen Tieren gewöhnlichen hellen Farben Folge der Gegenwart und Retention von Samenflüssigkeit bei ihnen sind; dies kann aber kaum der Fall sein; denn viele männliche Vögel, z. B. junge Fasanen, werden im Herbste ihres ersten Jahres hell gefärbt.] Beim Menschen und dann wieder so niedrig in der Stufenreihe, wie bei den Schmetterlingen, ist die Körpertemperatur

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