Unterwegs und Daheim. Mark Twain
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Harris erwiderte in spöttischem Ton: »Ja, das wird wohl das Beste sein. Du brauchst ja nur hinüberzugehen und mit der hier gebräuchlichen Formel zu sagen: ›Ich bin Amerikaner!‹ dann wird sie sich natürlich sehr freuen, dich zu sehen.« Dabei gab er mir zu verstehen, daß ich es wohl schwerlich wagen würde, sie anzureden.
»Ich habe nur so gedacht,« versetzte ich, »und es nicht im Ernst gemeint, aber du traust mir doch zu wenig Courage zu; ein Frauenzimmer macht mir nicht so leicht bange, und jetzt gehe ich hin und spreche mit dem Fräulein.«
Mein Vorhaben war sehr einfach: ich wollte sie höchst ehrerbietig anreden und um Entschuldigung bitten, wenn ihre große Ähnlichkeit mit einer frühern Bekannten mich getäuscht hätte. Wenn sie mir dann antwortete, der Name, den ich genannt habe, sei nicht der ihrige, so wollte ich mich abermals aufs höflichste entschuldigen, meine Verbeugung machen und mich wieder zurückziehen. Daraus konnte doch kein Unglück entstehen. – Ich ging also an den Tisch, verbeugte mich vor dem Herrn und wollte mich eben mit meiner Rede an sie wenden, als sie ausrief:
»Also habe ich mich doch nicht geirrt! – Ich sagte gleich zu John, daß Sie es waren; er wollte mir nicht glauben, aber ich wußte, daß ich recht hatte und sagte, Sie würden mich sehr bald erkennen und zu uns herüberkommen! Es freut mich sehr, daß Sie es gethan haben, denn wenn Sie fortgegangen wären, ohne mich zu erkennen, hätte ich das nicht für sehr schmeichelhaft gefunden. Bitte, setzen Sie sich doch! – Wie merkwürdig! – Sie sind wirklich der letzte Mensch, den ich erwartet hätte jemals wieder zu sehen!«
Das war eine Überraschung, die mich förmlich betäubte und nur einen Augenblick die Besinnung raubte. Indessen schüttelten wir uns herzlich die Hände und ich nahm neben ihr Platz; aber in einer solchen Klemme war ich wirklich noch nie gewesen. Mir dämmerte es dunkel, als ob ich die Züge des Mädchens schon einmal gesehen hätte, aber wo das gewesen war und welcher Name zu ihr gehörte, war mir gänzlich entfallen. Daher begann ich sogleich die Rede auf schweizer Landschaften zu bringen, um mich nicht zu verraten; allein es half nichts, sie ging ohne Umschweife auf die Dinge los, die sie näher interessierten.
»Nein, was das für eine Nacht war, als der Sturm die vorderen Boote mit wegriß! Wissen Sie noch?«
»Wie sollte ich nicht!« sagte ich, aber ich hatte keine Ahnung. Ich wollte, der Sturm hatte auch das Steuer, den Schornstein und den Kapitän selbst mit weggerissen, – dann wäre mir vielleicht ein Licht aufgegangen, wo ich die Fragerin hintun sollte.
»Und erinnern Sie sich, wie bange die arme Marie war?«
»Jawohl,« sagte ich, »nein, wie einem alles wieder gegenwärtig wird.«
Das wünschte ich zwar aufs innigste, aber es war wie aus meinem Gedächtnis weggeblasen! Das Klügste wäre gewesen, offen die Wahrheit zu gestehen, aber das konnte ich nicht übers Herz bringen, nachdem das junge Mädchen mir solches Lob gespendet, weil ich sie wieder erkannt hatte. So geriet ich denn immer tiefer hinein und hoffte vergebens auf einen rettenden Faden, um aus dem Labyrinth zu kommen.
Die Unerkennbare fuhr lebhaft fort: »Denken Sie, Georg hat doch noch Marie geheiratet!«
»Wirklich? Ist es möglich!« –
»Jawohl; er sagte, er glaube, daß ihr Vater viel mehr schuld gewesen sei, als sie selbst; und ich glaube, er hatte recht, meinen Sie nicht auch?«
»Natürlich, es war ja ganz klar, ich habe es doch immer gesagt.«
»O nein, Sie waren ja anderer Meinung, wenigstens in jenem Sommer.«
»Im Sommer, da haben Sie ganz recht, aber im folgenden Winter sagte ich's.«
»Nun, es stellte sich heraus, daß Marie gar nicht schuld war, sondern nur ihr Vater und der alte Darley.«
Um doch etwas zu erwidern, sagte ich:
»Ja, Darley habe ich immer als ein lästiges altes Geschöpf angesehen!«
»Das war er auch, aber trotz seiner Sonderbarkeiten waren sie ihm zärtlich zugethan; – wissen Sie noch, wie er immer versuchte, ins Haus zu kommen, sobald es nur im geringsten kalt war?«
Ich getraute mir nicht, weiter zu gehen. Offenbar war dieser Darley kein Zweifüßler, sondern irgend ein Vierfüßler, vielleicht ein Hund, möglicherweise ein Elefant. Da nun jedes Tier eine Haut hat, so fiel ich im Anschluß an ihre Frage mit der Bemerkung ein: »Und was er für ein Fell hatte!«
Diese Bemerkung mußte passen, denn sie sagte zustimmend: »Ja, ein sehr dickes – und erst seine Wolle!«
Das verblüffte mich, ich wußte nicht recht weiter und sagte nur:
»Ja, an Wolle fehlte es ihm nicht!«
»Einen Neger, mit solchem Wollhaar könnte man lange suchen,« meinte sie.
Das war ein Lichtblick, denn mir fing an schwül zu werden, und ich war froh, als sie fortfuhr:
»Er war doch selbst bequem genug einquartiert, aber wenn es kalt wurde, fand er sich stets bei der Familie ein und war nicht wieder aus dem Hause, zu bringen. Man sah ihm manches nach, weil er vor Jahren Tom das Leben gerettet hatte. Erinnern Sie sich noch an Tom?«
»Ganz deutlich, er war ein so hübscher Mensch!«
»Jawohl, und das Kind ein so niedliches Ding.«
»Ein hübscheres Kind habe ich nie gesehen.«
»Ich that nichts lieber, als mit ihm tändeln und spielen.«
»Und ich schaukelte es so gern auf den Knieen.«
»Sie haben ihm auch den Namen ausgesucht, – wie war es doch?«
Jetzt kam ich aufs Glatteis! Hätte ich nur des Kindes Geschlecht gewußt. Zum guten Glück fiel mir ein Name ein, der für alle Fälle paßte. Ich sagte:
»Es wurde Fränzchen genannt.«
»Nach einem Verwandten vermutlich. Aber dem verstorbenen, das ich nie gesehen habe, gaben Sie auch den Namen; wie hieß denn das?«
Da das Kind tot war und sie es nie gesehen hatte, dachte ich, man könnte auf gut Glück einen Namen wagen und so antwortete ich:
»Es hieß Thomas Heinrich!«
Sie wurde nachdenklich und sagte: »Das ist doch sonderbar – sehr sonderbar!«
Ich saß ganz still und der kalte Schweiß lief an mir herunter. Aber, so arg meine Verlegenheit war, so hoffte ich doch, mich aus der Klemme zu ziehen, wenn sie nur nicht noch mehr Namen von Kindern wissen wollte. – Ich war begierig, wo der nächste Blitz einschlug. Sie war noch mit dem Namen des letzten Kindes beschäftigt, sagte aber plötzlich:
»Es war recht schade, daß Sie gerade fort waren als mein Kind geboren wurde, sonst hätten Sie seinen Namen auch wählen müssen.«
»Ihr Kind? Sind Sie denn verheiratet?«
»Ich bin seit dreizehn Jahren verheiratet.«
»Getauft,