Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz". Franz Kugler
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Читать онлайн книгу Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz" - Franz Kugler страница 21
Noch in anderen Beziehungen wurde der poetische Hauch, der das Leben von Rheinsberg erfüllte, mit Absicht festgehalten. So erfreute man sich einer zur Sage gewordenen antiquarischen Behauptung, die schon vor mehr als hundert Jahren aufgestellt worden war, dass nämlich Rheinsberg eigentlich Remusberg heiße, weil Remus, der Mitgründer des römischen Staates, durch seinen Bruder Romulus vertrieben, hier ein neues Reich gestiftet habe und auf der Remusinsel, die sich aus dem benachbarten See erhebt, begraben worden sei. Alte, auf der Insel ausgegrabene Marmorsteine sollten in früherer Zeit den Anlass zu dieser Behauptung gegeben haben; kürzlich noch sollten italienische Mönche, durch eine neuentdeckte lateinische Handschrift dazu veranlasst, auf der Remusinsel nach der Asche des römischen Helden gegraben haben; viele Altertümer der Vorzeit, die in der Tat auf der Insel zum Vorschein kamen, schienen der Sache eine Art von Bestätigung zu geben, und so wagte man nicht, die klassische Bedeutung des schönen Asyls allzu kritisch anzugreifen. In den aus Rheinsberg geschriebenen Briefen jener Zeit wird daher auch gewöhnlich der Ort als „Remusberg“ bezeichnet. Die Freunde selbst wurden ebenfalls, teils im Scherze, teils auch im Ernst, mit besonderen Namen genannt, die das Ohr mit einem mehr poetischen Klange berührten als die Namen, die sie im gewöhnlichen Leben führten; so hieß z. B. Keyserling gewöhnlich Cäsarion, Jordan wurde Hephästion oder Tindal genannt, usw.
Bedeutsamer noch zeigte sich das poetische Streben in der Stiftung eines eigenen Ritterordens, welcher mehrere verwandte und befreundete Prinzen, sowie die nächsten militärischen Freunde des Kronprinzen umfasste. Der Schutzpatron des Ordens war Bayard, der Held der französischen Geschichte; sein Sinnbild war ein auf einem Lorbeerkranze liegender Degen und führte als Umschrift den bekannten Wahlspruch Bayards: „Ohne Furcht und ohne Tadel!“ Der Großmeister des Ordens war Fouqué, der nachmals unter den Helden Friedrichs eine so bedeutende Stellung einnehmen sollte; er weihte die zwölf Ritter (denn nur so viele umfasste der Orden) durch Ritterschlag ein und empfing von ihnen die Gelübde des Ordens, die auf edle Tat überhaupt und insbesondere auf Vervollkommnung der Kriegsgeschichte und Heeresführung lauteten. Die Ritter trugen einen Ring, der die Gestalt eines rundgebogenen Schwertes hatte, mit der Inschrift: „Es lebe, wer sich nie ergibt.“ Sie führten besondere Bundesnamen: Fouqué hieß der Keusche, Friedrich der Beständige; der Herzog Wilhelm von Bevern hieß der Ritter vom goldenen Köcher. Den entfernten Gliedern des Ordens wurden Briefe im altfranzösischen Ritterstil geschrieben, und noch bis in den siebenjährigen Krieg hinein, ja noch später, finden sich Zeugnisse, dass man des Bundes in Freude gedachte und seine Formen, wie in den Zeiten unbefangener Jugend, mit Ernst beobachtete.
Wohl derselbe poetische Anreiz, verbunden mit dem lebhaften Wissensdrange, der Friedrich zu jener Zeit erfüllte, bewog ihn, sich gleichzeitig auch in die Brüderschaft der Freimaurer aufnehmen zu lassen. Das geheimnisvolle Dunkel, in welches diese Gesellschaft sich hüllte und besonders in der Zeit eines noch immer gefahrdrohenden kirchlichen Eifers sich zu hüllen für doppelt nötig befand, die Klänge religiöser Duldung, einer freisinnigen Auffassung des Lebens, einer geläuterten Moral, die bedeutsam aus jenem Dunkel hervortönten, mussten dem jungen Prinzen, dessen Herz damals vor allem von dem Drange nach Wahrheit beseelt war, eine Hoffnung geben, hier, was er suchte, zu finden. Seine Aufnahme geschah im Jahre 1738, als er im Gefolge seines Vaters eine Reise nach dem Rhein machte. Hier äußerte sich einst der König in öffentlicher Gesellschaft sehr missfällig über die Freimaurerei; der Graf von der Lippe-Bückeburg aber, der ein Mitglied der Brüderschaft war, nahm dieselbe mit so beredter Freimütigkeit in Schutz, dass Friedrich ihn hernach insgeheim um die Aufnahme in eine Gesellschaft bat, welche so wahrheitsliebende Männer zu Mitgliedern zähle. Dem Wunsche des Kronprinzen zu genügen, wurde der Besuch, den man auf der Rückkehr in Braunschweig abstattete, zu der Vornahme der geheimnisvollen Handlung bestimmt, und Mitglieder der Brüderschaft aus Hamburg und Hannover samt dem benötigten Apparate ebendahin verschrieben. Die Aufnahme geschah zu nächtlicher Weile, da man des Königs wegen mit großer Vorsicht verfahren musste. Friedrich verlangte, dass man ihn ganz als einen Privatmann behandeln und keine der üblichen Zeremonien aus Rücksicht auf seinen Rang abändern sollte. So wurde er ganz in gehöriger Form aufgenommen. Man bewunderte dabei – wie uns berichtet wird – seine Unerschrockenheit, seine Ruhe, seine Feinheit und Gewandtheit ebenso, wie nach der eigentlichen Eröffnung der Loge den Geist und das Geschick, mit welchem er an den maurerischen Arbeiten teilnahm. Später wurden einige Mitglieder der Brüderschaft (unter ihnen der obengenannte Bielfeld) nach Rheinsberg eingeladen, mit welchen dort, freilich wiederum im größten Geheimnis, in den Arbeiten fortgefahren wurde.
Bewegte sich solcher Gestalt das Leben in Rheinsberg in den verschiedensten Formen eines poetisch heiteren Genusses, suchte Friedrich denselben endlich noch durch mancherlei eigene dichterische Versuche zu erhöhen und festzuhalten, so barg sich doch zugleich unter dieser anmutvollen Hülle ein tiefer redlicher Ernst. Die Stunden, in welchen Friedrich nicht in der Gesellschaft zum Vorschein kam, – und diese umfassten bei weitem die größere Zeit des dortigen Aufenthalts – waren der vielseitigsten geistigen Tätigkeit gewidmet. Denn wie ihm früher seine wissenschaftlichen Interessen mannigfach verkümmert waren, so suchte er jetzt eine jede freie Minute zur Gewinnung des Versäumten anzuwenden, indem er nicht wissen konnte, wie bald der Tag, der eine andere Wirksamkeit von ihm erforderte, die Ruhe von Rheinsberg beenden möchte. Dabei besaß Friedrich ein seltenes Talent, nicht blos durch das Studium der geschriebenen Wissenschaft seinen Geist zu bereichern, sondern auch einen jeden bedeutenderen Menschen, der ihm entgegentrat, nach dessen Eigentümlichkeit zu fassen und, teils brieflich, teils mündlich, die Kenntnisse und die Erfahrungen desselben für das eigene Wissen zu gewinnen. So diente vornehmlich ein Briefwechsel mit Grumbkow dazu, ihn in das Einzelne der politischen Verhältnisse seiner Zeit und der Verwaltungsangelegenheiten des preußischen Staates einzuführen; so ließ er sich von dem alten Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau und von anderen Kriegsführern in den Grundsätzen der Kriegskunst unterrichten; so verkehrte er, zu ähnlichen Zwecken, mit Ärzten und Naturforschern, mit Theologen, Philosophen u. dergl. m. Seine Lektüre war mannigfacher Art; einen sehr wichtigen Teil derselben bildeten die Schriftsteller, besonders die Geschichtschreiber des klassischen Altertums, die Friedrich in französischen Übersetzungen las.
Mit dem größten Eifer jedoch und mit ausdauernder Beharrlichkeit war Friedrich während dieser ganzen Zeit denjenigen Forschungen, ergeben, welche die wichtigsten Interessen des Menschen umfassen: Das Verhältnis des Endlichen zum Unendlichen, des Vergänglichen zum Ewigen, des Menschen zu Gott strebte er mit allen Kräften, sich zur Anschauung zu bringen. Jene religiöse Zerknirschung, die ihn, den ganz Gebeugten, im Gefängnisse zu Küstrin niedergedrückt hatte, war freilich vorübergegangen, sobald er aufs Neue Kraft und Selbstbewusstsein gewonnen hatte; wohl aber war der Eindruck mächtig genug gewesen, um ihn fortan mit Ernst auf eine würdigere Lösung des großen Rähsels hinzuweisen. Die vorgeschriebenen Satzungen einer geheimnisvollen Glaubenslehre genügten ihm nicht; nicht für das Gefühl oder für das Gemüt, für seinen hellen, scharfen Verstand forderte er Überzeugung. So begann er mit der Lektüre der ausgezeichnetsten französischen Kirchenredner; so suchte er durch brieflichen und mündlichen Verkehr mit den vorzüglichsten französischen Predigern Berlins, denen er die bestimmtesten Fragen zur Beantwortung vorlegte, Aufschluss und Lösung seiner Zweifel zu erhalten.
Unter den eben erwähnten Predigern war es besonders der hochbetagte Beausobre, der ihn mächtig anzog.
Ludwig Beausobre – 1730 – 1783
Eine Predigt, die er von diesem im März 1736 hörte, riss ihn zu förmlicher Begeisterung hin, und er suchte seine persönliche Bekanntschaft. Beausobre war wohl geeignet, durch die edle Würde seines Äußeren und durch die Gewandtheit seines Benehmens Eindruck auf ihn zu machen. Nach der ersten Begrüßung, mit der ihn der Prinz empfangen, fragte dieser, der in seiner raschen Weise jede weitere Einleitung verschmähte, mit welcher Lektüre der Prediger gegenwärtig beschäftigt sei. „Ach, gnädiger