Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz". Franz Kugler
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Читать онлайн книгу Franz Kugler: König Friedrich II von Preußen – Lebensgeschichte des "Alten Fritz" - Franz Kugler страница 25
Gleiche Sorgfalt zeigte Friedrich für seine Geschwister, namentlich für die Erziehung und angemessene Ausbildung der jüngeren Brüder. Der Mutter bewies er bis an ihren Tod eine treue kindliche Verehrung. Als sie ihn an der Leiche des Vaters mit den Worten „Ihro Majestät“ anredete, unterbrach er sie und sagte: „Nennen Sie mich immer Ihren Sohn; dieser Titel ist köstlicher für mich als die Königswürde.“ Mit derselben Hochachtung begegnete er seiner Gemahlin, obgleich sich bald das Gerücht verbreitete, dass er sich, da seine Ehe nicht mit Kindern gesegnet war, von ihr trennen und zu einer zweiten Ehe schreiten würde. Aber Friedrich dachte an keine Ehescheidung. Es wird im Gegenteil erzählt, dass er sie kurz nach seiner Thronbesteigung dem versammelten Hofe mit den Worten: „Das ist Ihre Königin!“ vorgestellt, sie auch angesichts der Versammelten zärtlich umarmt und geküsst habe. Das anmutige Verhältnis indes, welches sich zwischen Friedrich und seiner Gemahlin in der glücklichen Zeit des Rheinsberger Aufenthaltes gebildet hatte, kehrte nicht zurück; sie lebten bald abgesondert voneinander und sahen sich zumeist nur noch bei festlichen Gelegenheiten. Die zarte weibliche Frömmigkeit, welche das innerste Seelenleben dieser seltenen Fürstin ausmachte, stimmte vielleicht zu wenig mit der Schärfe des Verstandes überein, welche Friedrich in freier Kraft als Maßstab an die heiligen Überlieferungen legte. Wohl aber ließ es sich Friedrich angelegen sein, sie in allen den Ehren, welche der regierenden Königin zukamen, zu erhalten, und eifersüchtig wachte er darüber, dass ihr auch von den Gesandten fremder Mächte der gebührende Zoll der Ehrfurcht dargebracht wurde. Dafür bewies sie ihm bis an seinen Tod die rührendste Teilnahme und Ergebenheit.
Über die Weise, in welcher Friedrich die Verwaltung seines Landes geübt wissen wollte, sprach er sich selbst unmittelbar nach seiner Thronbesteigung aus, als die Staatsminister, am 2. Juni, vor ihm zur Eidleistung erschienen. Seine hochherzige Erklärung, welche in dieser Beziehung in der Tat die Richtschnur seines Lebens geworden ist, lautet also: „Ob Wir euch gleich sehr danken wollen für die treuen Dienste, welche ihr Unsers höchst geliebtesten Herrn Vaters Majestät erwiesen habet; so ist doch ferner Unsere Meinung nicht, dass ihr Uns inskünftige bereichern und Unsere armen Untertanen unterdrücken sollet, sondern ihr sollt hiergegen verbunden sein, vermöge gegenwärtigen Befehls, mit ebenso vieler Sorgfalt für das Beste des Landes, als für Unser Bestes zu wachen, um so viel mehr, da Wir keinen Unterschied wissen wollen zwischen Unserm eigenen besonderen und des Landes Vorteil, und ihr diesen sowohl als jenen in allen Dingen vor Augen haben müsset; ja des Landes Vorteil muss den Vorzug vor Unserm eigenen besonderen haben, wenn sich beide nicht miteinander vertragen.“ In derselben Weise äußerte sich Friedrich auch gegen die anderweitigen Behörden.
Diese Gesinnungen der Treue gegen sein Volk, die bei den Fürsten jener Zeit gar selten geworden waren, betätigte Friedrich zu gleicher Zeit auf eine Weise, die ihm allgemeine Liebe bereiten musste. Der letzte Winter hatte länger als ein halbes Jahr in anhaltender Strenge über dem Lande gelegen; allgemeine Teuerung, Hungersnot an vielen Orten waren die Folge davon. Die Stimme des Elends aber hatte das Ohr des jungen Königs schnell erreicht. Schon am zweiten Tage nach seinem Regierungsantritt ließ er die reichlich gefüllten Kornspeicher öffnen und das Getreide zu sehr wohlfeilen Preisen verkaufen. Wo die Vorräte nicht zureichten, wurden bedeutende Summen ins Ausland geschickt, um Getreide zu gleichem Zwecke aufzukaufen. Ebenso wurden die königlichen Forstämter angewiesen, das erlegte Wild für geringe Preise auszubluten. Mehrere Abgaben, die auf dem Erwerb der Nahrungsmittel lasteten, wurden für eine Zeit gänzlich aufgehoben. Endlich wurden größere und kleinere Summen, die man durch verschiedene Ersparnisse im Staatshaushalte gewann, bar unter die Dürftigsten verteilt. So mochte der Jubelruf, der dem jungen Könige überall, wo er sich nur öffentlich zeigte, entgegentönte, wohl aus dem Herzen des Volkes kommen. Aber auch daraus, wie der Wohlstand des Volkes durch innerlich fortwirkende Mittel zu heben sei, war Friedrich schon in den ersten Tagen seiner Regierung eifrig bedacht; über die Verbesserung und Vermehrung der Manufakturen erschienen wohltätige Anordnungen; erfahrenen Arbeitern, die sich aus der Fremde in die preußischen Staaten übersiedeln wollten, wurden wesentliche Vorteile zugesichert.
Nicht minder hatte es Friedrich sehr deutlich erkannt, welchen Wert für die zerstreuten Länder des preußischen Staates der Schutz eines mächtigen Kriegsheeres hatte und welche Wichtigkeit dasselbe, bei veränderten politischen Umständen, seiner Regierung geben konnte. So wenig seine Natur ursprünglich mit der Strenge des militärischen Dienstes übereinzustimmen schien, so eifrig sorgte er jetzt für die fortgesetzte Übung desselben. Nur was als ein überflüssiger Luxus in den militärischen Angelegenheiten zu betrachten war, ward auf eine vorteilhafte Weise umgeändert. Dies war namentlich der Fall mit der berühmten Riesengarde, welche der verstorbene König zu seinem besonderen Vergnügen in Potsdam gehalten hatte. Aber es wird auch berichtet, dass Friedrich Wilhelm selbst, kurz vor seinem Tode, seinem Sohne von den ungeheuren Summen, welche die Unterhaltung dieses Korps gekostet, Rechenschaft gegeben und dass er ihm zur Auflösung desselben geraten habe. So erschien dasselbe am 22. Juni zum letzten Mal, die Leichenfeier seines Stifters zu verherrlichen; unmittelbar darauf wurde es unter andere Regimenter verteilt. Dadurch gewann Friedrich die Mittel, seine Kriegsmacht, schon im Verlauf weniger Wochen, um mehr als zehntausend Mann zu verstärken. – Sonst ward auch für einen ehrenhaften Schmuck des kriegerischen Lebens gesorgt.
Alle Fahnen und Standarten der Armee bekamen den preußischen schwarzen Adler mit Schwert und Zepter in den Klauen und mit der Beischrift: „Für Ruhm und Vaterland“ (Pro Gloria et Patria).
Die wesentlichsten Veränderungen, mit denen Friedrich auftrat, betrafen diejenigen Elemente des Lebens, welche seinem Vater am fernsten gelegen hatten. Friedrich Wilhelm hatte nur das materielle Wohl seines Staates im Auge gehabt; der Geist lag in Fesseln. Friedrich gab dem Gedanken Freiheit und gewann hierdurch für die Macht seines Staates eine Stütze, die gewaltiger ist, als Schwerter und Feuerschlünde. Öffentliche Rede war unter seinem Vater nicht gestattet gewesen; die Zeitungsblätter, anfangs ganz verboten, hernach unter drückenden Einschränkungen erlaubt, hatten nur ein kümmerliches Dasein gefristet. Kurz nach Friedrichs Thronbesteigung erschienen auf seine Veranlassung zwei Zeitungen, die bald Bedeutung erlangten und für die er selbst einzelne Artikel lieferte. Die Wiederbelebung der Akademie der Wissenschaften, die sich unter Friedrich Wilhelm I. fast gänzlich aufgelöst hatte, wurde vorbereitet; vorzügliche Gelehrte aus verschiedenen Ländern wurden nach Berlin berufen. Besonders ließ es sich Friedrich angelegen sein, den Philosophen Wolff für die heimische Wissenschaft wieder zu gewinnen; dem Probste Reinbeck, dem er dies Geschäft übertrug, schrieb er: Ein Mensch, der die Wahrheit suche und sie liebe, müsse unter aller menschlichen Gesellschaft weich gehalten werden; er glaube, dass Reinbeck eine Eroberung im Lande der Wahrheit machen werde, wenn es ihm gelinge, Wolff zur Rückkehr zu bewegen. Wolff folgte dem Begehren seines erhabenen Schülers und kehrte nach Halle zurück, wo er ehrenvoll aufgenommen wurde. Auch erschien alsbald ein ausdrücklicher königlicher Befehl, demzufolge nur diejenigen Landeskinder, welche zwei Jahre auf einer preußischen Universität studiert, eine Anstellung im Staate zu erwarten haben sollten. Die Gesellschaft der Freimaurer wurde öffentlich anerkannt; Friedrich selbst hielt bald nach seiner Thronbesteigung eine feierliche Loge, in welcher er den Meisterstuhl einnahm.
Aus solcher Geistesrichtung entsprang endlich auch eine freisinnigere Gestaltung anderer Lebensverhältnisse. Religiöse Duldung war einer der wichtigsten Grundsätze, mit denen Friedrich seine Regierung begann und tätig alten Missbräuchen oder einseitiger Beschränkung gegenübertrat. Ein zweiter Grundsatz war: geläuterte, vernunftmäßige Rechtspflege. Aber um eine solche in das Leben einzuführen, bedurfte es eines weise durchdachten, kunstreich aufgeführten Baues. Vorerst erschienen einige Verordnungen, welche wenigstens geeignet waren, das Licht der neuen Zeit, das in Friedrichs Hand ruhte, erkennen zu lassen. So ist namentlich anzuführen, dass, schon am vierten Tage seiner Regierung, das unmenschliche Gerichtsverfahren der Folter – bis auf einige außerordentliche Ausnahmen, für welche dasselbe aber einige Jahre später ebenfalls verschwand – durch königlichen Befehl aufgehoben