Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse, 2. Band. Walter Brendel

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Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse, 2. Band - Walter Brendel

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nicht nur Zeuge. Er war Akteur an entscheidender Stelle. Markus Wolf war Generaloberst und Chef der HVA. „Der Mann ohne Gesicht“ wurde er im Westen genannt. Ganz gleich wer an der Macht war, Markus Wolf nahm daran Teil. Markus Wolf ist eine der interessantesten und umstrittensten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Der stellvertretende Minister für Staatssicherheit und Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung befehligte mehr als 4.000 Spione. Sein berühmtester Angestellter: Günter Guillaume, der Agent, der Kanzler Willy Brandt zu Fall brachte.

      Tag X - Günter Guillaume

      In Bonn nahm am 24. April 1974 die westdeutsche Spionageabwehr Günter Guillaume unter Spionageverdacht fest. Der Mann im Dunstkreis des Bundeskanzlers, sein persönlicher Referent, ist ein Top-Agent der Stasi. Willy Brandt zieht die Konsequenzen. Beide waren bereits ein Jahr lang observiert worden. Noch im letzten Brandt-Urlaub in Norwegen sah Guillaume alle für den Kanzler eingehenden Faxe. Die Umstände und politischen Verantwortungen für den späten Zugriff der Ermittlungsbehörden sind bis heute nicht restlos geklärt. Innenminister war damals Hans Dietrich Genscher.

      Guillaume war 1956 als angeblicher Flüchtling von der DDR-Staatssicherheit in die Bundesrepublik eingeschleust worden. Er sollte zu einem der erfolgreichsten sogenannten Kundschafter für den Frieden werden. DDR-Spionagechef Markus Wolf hatte seinen dicksten Fisch direkt neben dem Bundeskanzler platziert. Zuvor durchlief der Agent eine scheinbar normale Karriere, war SPD-Mitglied geworden und arbeitete ab 1970 in der Abteilung Wirtschaftspolitik im Kanzleramt. Ab 1972 saß Guillaume dort, wo ihn Ostberlin hinhaben wollte, bei Willy Brandt.

      Der völlig konsternierte Regierungschef übernahm in einem kurzen Brief an Bundespräsident Gustav Heinemann die politische Verantwortung „für Fahrlässigkeiten im Zusammenhang mit der Agentenaffäre Guillaume“ und erklärte seinen Rücktritt. Brandt war menschlich tief enttäuscht über die Verantwortlichen in der DDR, mit denen er auf dem Weg der Entspannungspolitik war.

      Willy Brandt am 07.05.1974: “Am Abend des 6. Mai habe ich dem Bundespräsidenten meinen Rücktritt erklärt und damit die politische und persönliche Verantwortung für Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit der Agentenaffäre übernommen.“ Günter Guillaume wird vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu 13 Jahren Haft wegen Landesverrats verurteilt. Nur acht wird er absitzen müssen. Noch während Guillaume hinter Gittern sitzt, wird diese Villa in der DDR für seine Rückkehr vorbereitet. Die Stasi richtet den exklusiven Ruhesitz am Bötzsee bei Berlin für den verdienten Top-Spion her. 1981 wird Guillaume in die DDR abgeschoben. Dort erwartet ihn der Karl-Marx-Orden. Die Stasi feiert den Spion in einem Film. Und: Guillaume darf endlich auch seine Villa beziehen. Monatsmiete 330 Mark Ost.

      Der Zusammenbruch der DDR ändert für den Spion im Ruhestand nicht viel: Zwar schlägt der Versuch fehl, das Anwesen zum Schnäppchenpreis von gut 90.000 Mark zu kaufen, doch der Rausschmiss bleibt ihm erspart.

      Pierre Boom ist 17, als das Bundeskriminalamt seine Eltern Christel und Günter Guillaume im Frühjahr 1974 vor seinen Augen verhaftet. Christel Guillaume, Angestellte bei der Hessischen Landesvertretung, und Günter Guillaume, Referent des Bundeskanzlers Willy Brandt, werden des Landesverrats beschuldigt und im Dezember 1975 zu langen Haftstrafen verurteilt. Brandt zieht die bekannten Konsequenzen aus der „Affäre Guillaume“.1975 siedelt Pierre in die DDR über. Seine Eltern werden 1981 aus der Haft in die DDR entlassen. Zum Jahreswechsel 1987/88 stellt Boom einen Ausreiseantrag und kommt im Mai 1988 zusammen mit Frau und Kindern wieder in die Bundesrepublik. Er nimmt den Mädchennamen seiner Mutter an. Pierre Boom lebt heute als freier Journalist in Berlin. Er erinnert sich:

      Am 24. April 1974 stürmten morgens um 6.32 Uhr 20 BKA-Beamte die elterliche Wohnung und verhafteten die Eltern wegen dringenden Verdachts des Landesverrats. „Es waren Ferien und ich durfte ausschlafen. Sehr früh am Morgen war Unruhe in der Wohnung. Meine Zimmertür war angelehnt. Ich habe wahrscheinlich eine Weile gebraucht, bis ich richtig wach war, und bin dann aufgestanden, zur Tür gegangen – der ganze Flur war voller Menschen, hauptsächlich Männer, alle in Zivil, aber in Anzügen. Ich dachte: „Was ist denn da los?“ – aber in dem Moment, es waren wahrscheinlich nur Minuten, drehte sich schon jemand zu mir um und sagte: „Herr Guillaume, gehen Sie bitte in Ihr Zimmer zurück und ziehen Sie sich an.“ Ich erinnere mich, dass ich mich aufs Bett gesetzt habe, zum Fenster gegangen bin, und da sah ich unten, wo normalerweise keine Autos parken durften, überall Autos, zivile. Ich glaube, mich auch zu erinnern, dass unten vorm Haus Uniformierte, bewaffnete Uniformierte Aufstellung genommen hatten. Das hat dann die Verwirrung noch vergrößert.“

      Die Eltern wurden in der DDR als „Kundschafter des Friedens“ geehrt, hielten Vorträge, erhielten Auszeichnungen.

      „Es gibt ja die Regel, wenn ein Agent auffliegt, ist er „verbrannt“, er wird zum Sicherheitsrisiko. Richtig in den Apparat hineinlassen wollten sie meine Eltern nicht. Mein Vater hätte sich auch ein politisches Amt vorstellen können, im Außenministerium zum Beispiel. Allerdings hätte der ehemalige Kanzlerspion wohl kaum eine politische Funktion auf internationalem diplomatischem Parkett wahrnehmen können. Meine Eltern haben das nicht wirklich verstanden und fühlten sich nicht gebraucht, fehl am Platz.“

      Günter Guillaume stirbt 1995 in Berlin. Kein anderer Spion hat das Verhältnis der Bundesrepublik zur DDR so belastet wie Guillaume. Die Politik der Verständigung ging dennoch weiter.

      Politiker, Geheimdienstchef und Krimineller

      Am 28. Dezember 1907 wird Erich Fritz Emil Mielke wird in Berlin-Wedding als zweites von vier Kindern einer Arbeiterfamilie geboren. 1925 erfolgte sein Eintritt in die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Am 9. August 1931, als bei einer Demonstration auf dem Berliner Bülowplatz die Polizeihauptleute Lenk und Anlauf hinterrücks erschossen werden, wird Mielke als Bereitschaftsführer des Parteiselbstschutzes und mutmaßlicher Schütze des Mordes angeklagt. Er flieht in die Sowjetunion. Er wird 1934 in Deutschland in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Im Juni 1945 kehrt er nach Kriegsende zurück nach Berlin. Er wird Mitglied der KPD und nach deren Zusammenschluss mit der SPD 1946 der SED. Er wird Leiter der Polizeiinspektion Berlin-Lichtenberg. 1947, am 7. Februar: Das Amtsgerichts Berlin-Mitte erlässt Haftbefehl gegen Mielke wegen Doppelmordes an den Polizisten Anlauf und Lenk im Jahre 1931. 1950 bis 1953 wird er Staatssekretär und stellvertretender Minister im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zu dessen Aufbau er entscheidend beigetragen hat. 1957 bis 1989 fungiert er als Minister für Staatssicherheit. Als Leiter des Staatssicherheitsdienstes baut Mielke das Spitzel- und Überwachungssystem, das alle Lebensbereiche der DDR-Bürger durchdringt, weiter aus. Am 7. November 1989 tritt Mielke als Minister für Staatssicherheit zusammen mit der Regierung Stoph zurück und am 8. November erfolgt der Rücktritt zusammen mit dem gesamten Politbüro des SED. Am 17. November beschließt die Volkskammer die Aufhebung des Abgeordnetenmandats Mielkes. Am 3. Dezember erfolgt der Ausschluss aus dem ZK und der SED. Wegen Schädigung der Volkswirtschaft kommt Mielke am 7. Dezember in Untersuchungshaft, wo er am 9. März 1990 aus gesundheitlichen Gründen aus der Untersuchungshaft entlassen wird. Im Juli erfolgt Haftbefehl gegen Mielke wegen Errichtung von Isolierlagern und Unterstützung von RAF-Aussteigern in der DDR. Er wird in die Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen eingeliefert. Im Oktober 1990 wird er zunächst in die Untersuchungshaftanstalt Moabit überstellt. Am 19. Oktober Haftbefehl wegen Vertrauensbruch und Untreue. Von 1990 bis 1992 erfolgte die Inhaftierung in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee. Im März 1991 ergeht Haftbefehl wegen versuchten Mordes durch Unterstützung von RAF-Terroristen und im Mai 1991 Haftbefehl in Zusammenhang mit den Mauerschüssen. Im November kommt es zum Haftbefehl wegen der Todesschüsse an den Polizeioffizieren Anlauf und Lenk im Jahre 1931. 1992, am 4. Januar: Mielke kommt wieder in die Untersuchungshaftanstalt Moabit, wo am 9. Februar der Prozess am Berliner Landgericht wegen der Todesschüsse 1931 beginnt.

      Das Verfahren wurde auf der Grundlage der Originalanklageschrift aus dem Jahre 1934, noch versehen mit den Radnotizen des Nazistaatsanwalts, und der Vernehmungsprotokolle von Gestapo und SA geführt. Die Berliner Staatsanwaltschaft machte sich nicht einmal die Mühe, die Anklage

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