Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse, 2. Band. Walter Brendel

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse, 2. Band - Walter Brendel страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse, 2. Band - Walter Brendel

Скачать книгу

von DDR-Unrecht maßgeblich durch den Charakter der Wiedervereinigung geprägt. Die amerikanische Publizistin Tina Rosenberg beschreibt sie als Vorgang, bei dem Ostdeutschland von einer vergleichsweise gesunden und stabilen Demokratie geschluckt wurde. Spätestens 1991 sei gesamtdeutsche politische Stabilität eingekehrt. Tatsächlich bestand nach dem 3. Oktober 1990 im vereinigten Deutschland keinerlei Gefahr einer Restaurierung alter Verhältnisse mehr. Rücksicht auf politische Unsicherheiten oder Zwänge war nicht geboten. Ganz entscheidend hatte dazu ein rasanter Elitenaustausch in allen Sphären der Gesellschaft beigetragen. An personellen Ressourcen mangelte es nicht. Zumeist waren es Westdeutsche, mit denen die Ostdeutschen ausgetauscht wurden. Auch einstmals Verfolgte und Unterdrückte des DDR-Systems waren jetzt - jedenfalls in gewisser Weise - selbst Teil der Macht in der Demokratie und konnten ihren Willen zur Ahndung von Unrecht durchsetzen. Was jedoch die Justiz betraf, erfolgte die Strafverfolgung in aller Regel durch Richter und Staatsanwälte aus dem Westen. So fand die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit unter allseits gesicherten Machtverhältnissen statt, resultierte daraus eine ausgesprochen geringe Neigung zu Amnestiedebatten, die immer wieder aufgeschoben wurden. Hierin zeigen sich gravierende Unterschiede zu anderen Transformationsgesellschaften Osteuropas: Dort geriet der Bruch mit dem alten System nicht derart radikal wie in Deutschland, wurde Demokratie nicht implantiert, sondern musste erst herausgebildet werden, konnten (und sollten) auf bisherige Eliten nicht völlig ausgegrenzt bleiben. Das hat eine andere „Vergangenheitspolitik“ geprägt und natürlich Schlussstrich- und Versöhnungsmentalitäten befördert. In Russland, Weißrussland, der Ukraine - teilweise in Rumänien und Bulgarien - sah der Elitenwechsel zuweilen so aus, dass die zweite Reihe der einstigen Nomenklatura an die Spitze des Staates strebte. In Tschechien konzedierten Politiker wie Vaclav Havel, die früher selbst Verfolgte waren, dass eine klare Trennlinie zwischen Tätern und Opfern nicht gezogen werden könne. Überdies kamen ökonomische Faktoren in Betracht - Deutschland wollte und konnte sich seine Form von Vergangenheitsbewältigung auch finanziell leisten.

      Allein in der ZENTRALEN ERMITTLUNGSSTELLE REGIERUNGS- UND VEREINIGUNGSKRIMINALITÄT (ZERV) in Berlin waren mehr als 500 Beamte und 200 Ermittler der Berliner Polizei tätig. Die Kapazitäten eines Rechtsstaates - seine vorhandenen juristischen Instrumentarien - wurde ausgeschöpft. Die Erwartungen der strafrechtlichen „Vergangenheitspolitik“ gegenüber der Justiz waren entsprechend groß. Es kursierte das Wort vom „kreativen Juristen“, der das Unrecht greifen könne. Wo es zu „kreativ“ wurde, musste diese „Vergangenheitspolitik“ durch die höchsten deutschen Gerichte korrigiert werden. Interventionen des Bundesverwaltungsgerichtes und des Bundesarbeitsgerichts betrafen rigide Entlassungen im öffentlichen Dienst. Das Bundesverfassungsgericht erklärte das „Rentenstrafrecht“ für verfassungswidrig, ohne es gänzlich zu beseitigen. Dasselbe Gericht machte Schluss mit der Praxis der Berufsverbote gegenüber Rechtsanwälten und Notaren. Für nicht verfassungskonform wurde auch die Praxis der Verurteilungen von DDR-Spionen erklärt. Der Bundesgerichtshof schränkte die Strafbarkeit wegen Rechtsbeugung von Richtern und Staatsanwälten der DDR deutlich ein und korrigierte auch ein solch kurioses Verfahren wie das gegen Rechtsanwalt Wolfgang Vogel, der sich mit dem Vorwurf konfrontiert sah, ausreisewillige DDR-Bürger als Vermittler erpresst zu haben. Problematisch blieben hingegen die vom BGH abgesegneten bizarren Verfahren gegen Erich Mielke wegen der Polizistenmorde von 1931 sowie gegen Alexander Schalck-Golodkowski wegen Verstoßes gegen Embargo-Vorschriften. Im Mielke-Prozess hätten die Verjährung und die zweifelhafte Beweislage anerkannt werden können, bei Schalck fällt die fragwürdige Anwendung eines Gesetzes der Militärregierungen von 1949 auf. Bedenkt man die bisher skizzierten Umstände, dann erscheint es berechtigt, den DEUTSCHEN SONDERWEG vor allem als logisch und systemimmanent zu kennzeichnen und zugleich die Frage zu stellen, ob er auch vernünftig und notwendig war. Strafrecht im klassischen Sinne galt eher als Strafrecht für den Fall des „normalen Verbrechens“. Eine strafrechtliche Reaktion auf staatliches Unrecht schien nicht in dieses Gefüge zu passen. Das war und ist beim Völkerstrafrecht anders. Gerade in jüngster Zeit lassen sich dabei Fortschritte verzeichnen - auch hinsichtlich der Beachtung im nationalen Recht. Man denke an das Statut von Rom für einen ständigen INTERNATIONALEN STRAFGERICHTSHOF, die begonnene Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen in Chile und Argentinien. Diese Entwicklungen sind indes nur eine Seite des strafrechtlichen Schutzes der Menschenrechte. Die andere besteht darin, auch mit dem nationalen Strafrecht nach dem Untergang diktatorischer Systeme eine solche Schutzfunktion zu entwickeln. Es geht letztlich um die Frage nach Leitlinien für ein menschenrechtsschützendes Strafrecht.

      Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Seit seiner Gründung im Jahr 1951 hat das Gericht dazu beigetragen, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Ansehen und Wirkung zu verschaffen. Das gilt vor allem für die Durchsetzung der Grundrechte.

      Zur Beachtung des Grundgesetzes sind alle staatlichen Stellen verpflichtet. Kommt es dabei zum Streit, kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Seine Entscheidung ist unanfechtbar. An seine Rechtsprechung sind alle übrigen Staatsorgane gebunden.

      Die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts hat auch politische Wirkung. Das wird besonders deutlich, wenn das Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht ist aber kein politisches Organ. Sein Maßstab ist allein das Grundgesetz. Fragen der politischen Zweckmäßigkeit dürfen für das Gericht keine Rolle spielen. Es bestimmt nur den verfassungsrechtlichen Rahmen des politischen Entscheidungsspielraums. Die Begrenzung staatlicher Macht ist ein Kennzeichen des Rechtsstaats.

      Das Bundesverfassungsgericht wird nur auf Antrag tätig. Ein Katalog von Verfahrensarten schreibt vor, wann das Gericht angerufen werden kann. Die Einzelheiten sind im Grundgesetz und im „Gesetz über das Bundesverfassungsgericht“ geregelt. Die wichtigsten Verfahren sind folgende:

      Die Verfassungsbeschwerde

      Jeder, der sich durch die öffentliche Gewalt in seinen Grundrechten verletzt fühlt, kann eine Verfassungsbeschwerde erheben. Sie kann sich gegen die Maßnahme einer Behörde, gegen das Urteil eines Gerichts oder gegen ein Gesetz richten.

      Die Verfassungsbeschwerde bedarf der Annahme zur Entscheidung. Sie ist anzunehmen, wenn ihr grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt, wenn die geltend gemachte Grundrechtsverletzung besonderes Gewicht hat oder wenn der Beschwerdeführerin oder dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht. Über diese Annahmevoraussetzungen hat das Bundesverfassungsgericht vor einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde selbst zu befinden.

      Die Verfassungsbeschwerde ist in der Regel erst zulässig, nachdem die Beschwerdeführerin oder der Beschwerdeführer die sonst zuständigen Gerichte erfolglos angerufen hat. Verschiedene Einlegungsfristen sind zu beachten. Die Verfassungsbeschwerde muss schriftlich eingereicht und begründet werden. Es besteht kein Anwaltszwang. Das Verfahren ist kostenlos. In Missbrauchsfällen kann eine Gebühr bis 2.600,- Euro auferlegt werden.

      Das Bundesverfassungsgericht prüft nur die Einhaltung der Grundrechte. Die Beurteilung sonstiger Rechtsfragen und die Feststellung von Tatsachen obliegt allein den übrigen Gerichten. Sofern dabei keine Grundrechte verletzt wurden, ist das Bundesverfassungsgericht an diese Entscheidungen gebunden.

      Von 1951 bis Ende 1988 wurden 71.447 Verfassungsbeschwerden erhoben, seitdem hat sich die Zahl weit mehr als verdoppelt und ist bis Ende 2009 auf insgesamt 175.900 Beschwerden angestiegen und liegt, bedingt auch durch die Thematik von Corona-Maßnahmen jetzt bei über 200 000. Nur ca 2,5 Prozent Verfassungsbeschwerden waren erfolgreich. Trotz dieser geringen Zahl ist die Verfassungsbeschwerde ein bedeutender Rechtsbehelf. Eine stattgebende Entscheidung kann Wirkungen haben, die weit über den Einzelfall hinausreichen.

      Nur das Bundesverfassungsgericht darf feststellen, dass ein Gesetz mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Wenn ein anderes Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig hält und es deshalb nicht

Скачать книгу