Vom Winde verweht. Margaret Mitchell
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müßt ihr nach Utah ziehen, falls die Mormonen euch haben wollen - was
ich mir nicht recht denken kann ... Meine einzige Sorge ist, daß ihr euch
beide nächstens einmal betrinkt und wegen dieses kleinen
doppelgesichtigen grünäugigen Frauenzimmers eifersüchtig aufeinander werdet, und dann schießt ihr einander tot. Übrigens gar kein schlechter Gedanke.«
Seit jener Versammlung hatte Stuart sich in Indias Gegenwart unbehaglich gefühlt. Nicht, daß India ihm Vorwürfe gemacht oder ihn auch nur durch eine Bewegung hätte fühlen lassen, daß sie sein jähes Abschwenken bemerkt hatte. Dazu war sie zu sehr Dame. Aber Stuart fühlte sich schuldig und befangen vor ihr. India liebte ihn, und das war seine Schuld. Sie liebte ihn immer noch. Er wußte es und hatte tief im Innern das Gefühl, sich nicht ganz als Gentleman benommen zu haben. Er mochte s ie noch immer gern und hatte große Hochachtung vor ihrer kühlen Wohlerzogenheit, ihrer Liebe zu Büchern, ihrer Bildung und all den gediegenen Eigenschaften, die sie sonst noch besaß. Aber sie war nun einmal so verdammt farblos und uninteressant und ewig sich selber gleich neben Scarletts glänzenden, stets wechselnden Reizen. Man wußte immer, wie man mit India daran war, und bei Scarlett hatte man nie die leiseste Ahnung davon. Das reichte wohl hin, einem den Kopf zu verdrehen.
»Gut, gehen wir also zu Cade Calvert zum Abendessen. Scarlett sagte, Cathleen sei aus Charleston zurück. Vielleicht wissen sie etwas Neues über Fort Sumter, was wir noch nicht gehört haben.«
»Cathleen? Nein. Ich wette zehn gegen eins, sie weiß nicht einmal, daß das Fort da draußen im Hafen liegt, und noch viel weniger, daß es voll von Yankees steckte, bis wir sie hinausgeschossen haben. Sie weiß nur von den Bällen, auf denen sie war, und von den Verehrern, die sie um sich versammelt hat, sonst nichts.«
»Es macht aber doch Spaß, sie reden zu hören, und es wäre doch ein Unterschlupf, bis Ma im Bett ist.«
»Teufel, ja! Ich mag Cathleen wohl leiden, sie ist zum Lachen, und ich höre gern etwas über Caro Rhett und die übrige Charlestoner Gesellschaft. Aber der Teufel soll mich holen, wenn ich noch eine Mahlzeit mit ihrer Yankee-Stiefmutter überstehe.«
»Du mußt nicht ungerecht sein, Stuart, sie meint es gut.«
»Ich bin gar nicht ungerecht, sie tut mir leid, aber Leute, die mir leid tun, kann ich nicht leiden. Und sie macht immer so viel Umstände und sucht das Richtige zu finden, damit man sich gemütlich fühlt, und bringt es fertig, immer genau das Verkehrte zu sagen und zu tun. Sie macht mich verrückt Und sie hält uns aus den Südstaaten für wilde Barbaren. Das hat sie sogar
Ma gesagt, sie hat Angst vor uns. Jedesmal, wenn wir da sind, sieht sie aus,
als habe sie eine Todesangst. Sie sitzt auf ihrem Stuhl wie eine gemauserte Henne und hat leere bange Augen, als wollte sie, sobald nur jemand ihr nahe kommt, anfangen zu gackern und mit den Flügeln zu schlagen.«
»Eigentlich dürftest du nichts gegen sie sagen. Du hast Cade ins Bein geschossen.«
»Ich war betrunken, sonst hätte ich es nicht getan«, sagte Stuart, »und Cade hat es mir nicht nachgetragen, auch Cathleen, Raiford und Mr. Calvert nicht, nur diese Yankee-Stiefmutter zeterte, ich sei ein wilder Barbar und anständige Leute wären in den Südstaaten ihres Lebens nicht sicher.«
»Trotzdem kannst du nichts gegen sie sagen, denn schließlich hast du Cade doch angeschossen, und er ist ihr Stiefsohn.«
»Deswegen braucht sie mich doch nicht gleich zu beleidigen. Du bist Ma's Fleisch und Blut, aber hat sie etwa getobt, als Tony Fontaine dich ins Bein schoß? Nein, sie ließ einfach den alten Dr. Fontaine kommen, dich zu verbinden, und fragte ihn, seit wann denn Tony nicht mehr richtig zielen könne, der Schnaps werde ihm noch seine ganze Schützenkunst verderben. Weißt du noch, wie das Tony wild gemacht hat?«
Die beiden bogen sich vor Lachen.
»Ma ist ein ganzer Kerl«, sagte Brent anerkennend, »man kann immer darauf rechnen, daß sie das Richtige tut und einen nicht vor den Leuten blamiert.«
»Ja, aber es sähe ihr ähnlich, uns heute abend, wenn wir nach Hause kommen, vor Vater und den Mädchen gewaltig zu blamieren«, sagte Stuart düster. »Sieh mal, Brent, das wird wohl heißen, daß wir nicht nach Europa dürfen. Man hat doch gesagt, wenn wir noch einmal hinausgeworfen werden, dürfen wir unsere große Reise nicht machen.«
»Zum Teufel, was liegt uns schon daran, was gibt es denn Großes in Europa zu sehen? Die dort können uns nichts zeigen, was wir nicht ebensogut in Georgia haben. Ich wette, ihre Pferde sind nicht so schnell und ihre Mädchen nicht so hübsch, und ich weiß genau, daß ihr Whisky bei weitem nicht an Vaters heranreicht.«
»Ashley Wilkes sagt, es gäbe da eine Menge Landschaft und Musik. Der hat Europa gern und spricht immerfort davon.«
»Nun, du weißt ja, wie die Familie ist, sie sind alle so sonderbar mit Musik und Büchern und Landschaften. Ma sagt, das kommt, weil ihr Großvater aus Virginia ist. In Virginia sollen die Leute viel auf so etwas geben.«
»Das schenke ich ihnen. Gib mir ein gutes Pferd zum Reiten, einen guten
Schnaps zum Trinken, ein gutes Mädchen für die Liebe und ein böses fürs
Vergnügen, dann können die da ihr ganzes Europa behalten ... Und wenn wir nun jetzt in Europa wären und es gäbe Krieg, dann kämen wir nicht rechtzeitig nach Hause. Ich gehe tausendmal lieber in den Krieg als nach Europa!«
»Ich auch, lieber heute als morgen ... Hör mal, ich weiß, wohin wir zum Abendessen gehen, wir reiten zur Able Wynder und melden uns fertig zum Exerzieren zurück.«
»Das ist ein guter Gedanke. Dort hören wir alles Neue von der Truppe und erfahren endlich, zu welcher Farbe sie sich für die Uniformen entschlossen haben.«
»Wenn es die Zuavenuniform ist, so hol mich der Teufel, wenn ich noch Lust dazu habe. Ich komme mir in den weiten roten Hosen wie ein Waschlappen vor. Die sehen ja aus wie die Flanellhosen bei den Weibern.«
»Wollen denn Masters beide zu Master Wynder?« ließ sich jetzt Jeems vernehmen. »Da gibt nicht viel Abendbrot, Köchin ist tot und sie noch keine neue kaufen, und nun kochen eine Pflückerin, und die Schwarzen mir erzählen, das die schlechteste Köchin im ganzen Staat.«
»Du meine Güte, warum kaufen sie sich denn keine neue Köchin?«
»Wie sollen denn weißes Bettelpack sich Farbige kaufen? Die nie mehr als höchstens vier Stück haben.«
In Jeems' Stimme klang unverhohlene Verachtung. Seine eigene gesellschaftliche Stellung war gesichert, denn Tarletons besaßen hundert Farbige, und wie alle Sklaven der großen Plantagenbesitzer sah er auf die kleinen Farmer herab, die nur wenige Sklaven hielten.
»Ich ziehe dir das Fell über die 0hren!« Stuart war wütend. »Daß du mir Able Wynder nicht >weißes Pack< nennst! Gewiß ist er arm, aber durchaus kein Pack, und hol mich der Teufel, wenn ich erlaube, daß irgend jemand, weiß oder schwarz, wegwerfend von ihm spricht. Einen besseren Mann gibt es nicht in der Provinz. Warum hätte die Truppe ihn sonst zum Leutnant gewählt?«