Vom Winde verweht. Margaret Mitchell
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»Ich sage dir, es ist kein Pack, willst du ihn etwa mit richtigem weißen Pack wie den Slatterys vergleichen? Able ist nun einmal nicht reich, aber wenn wir alle so viel von ihm halten, daß wir ihn zum Leutnant wählen, dann hat kein Schwarzer über ihn herzuziehen. Die Truppe weiß schon, was sie tut.«
Vor drei Monaten war die Kavallerietruppe aufgestellt worden, an demselben Tag, an dem sich Georgia von der Union lossagte, und von dem Augenblick an hatten die Rekruten nach Krieg geschrien. Einen Namen hatte das Kontingent noch nicht, obwohl an Vorschlägen kein Mangel war. Jeder hatte seine eigenen Gedanken und wollte sie durchaus nicht lassen, ebenso wie jeder bei Farbe und Schnitt der Uniform mitzureden haben wollte. »Die Wildkatzen von Clayton«, »Feuerfresser«, »Husaren von Nordgeorgia«, »Zuaven«, »Jäger aus dem Innern« (obwohl die Truppe mit Pistolen, Säbeln, Jagdmessern und nicht mit Flinten bewaffnet war), »Die Grauen von Clayton«, »Blut und Donner«, »Rauh und Rasch« - alles hatte seine Anhänger. Bis darüber Beschluß gefaßt war, hieß die 0rganisation überall »die Truppe«, und trotz dem hochtönenden Namen, der schließlich angenommen wurde, war sie bis zum Ende ihres Dienstes einfach als »die Truppe« bekannt.
Die 0ffiziere wurden aus den Reihen der Truppe gewählt, denn niemand aus der Provinz verfügte über militärische Erfahrungen, außer ein paar Veteranen aus dem Mexikanischen Krieg und den Kämpfen gegen die Seminolenindianer, und überdies hätte die Truppe einen Veteranen als Führer verachtet, wenn sie nicht Zuneigung und Vertrauen zu ihm gehabt hätte. Jeder mochte die vier Tarletons und die drei Fontaines gern, konnte sie aber nicht wählen, weil die Tarletons zu rasch benebelt waren und dann gern Unsinn machten und weil die Fontaines so mörderisch unbesonnen von Temperament waren. So wurde Ashley Wilkes zum Hauptmann gewählt; denn er war der beste Reiter in der Provinz, und man rechnete darauf, daß er mit seinem kühlen Kopf wenigstens einen Schein von 0rdnung zu halten imstande wäre. Raiford Calvert wurde zum 0berleutnant gemacht, weil er bei jedermann beliebt war, und Able Wynder, Sohn eines Trappers und selbst kleiner Farmer, wurde Unterleutnant.
Able war ein gescheiter, ernster Riese, ungebildet, gutherzig, aber älter als die anderen Burschen und in Gegenwart von Damen von reichlich so guten Manieren wie sie. Standesdünkel gab es kaum in der Truppe. Dafür waren zu viele ihrer Väter und Großväter aus der Klasse der kleinen Farmer zu Reichtum gekommen. Able war der beste Schütze der Truppe, ein richtiger Scharfschütze, der auf fünfundsiebzig Schritt einem Eichhörnchen das Auge ausschießen konnte, und obendrein wußte er über alles Bescheid, was zum Leben im Freien gehört, konnte im Regen ein Feuer anmachen, Wild aufspüren und Quellen finden. Die Truppe hatte Achtung vor echtem Wert, und weil man Able außerdem gern hatte, machte man ihn zum 0ffizier. Er trug die Auszeichnung mit Ernst, einfach, als ob sie ihm zukomme, und bildete sich nichts darauf ein, aber die Damen und die
Sklaven der Pflanzer konnten nicht wie ihre Männer und Herren über die
Tatsache hinwegkommen, daß er nicht als Herr geboren war.
Im Anfang waren nur Pflanzersöhne in der Truppe angemustert worden. Es war ein Herrenkontingent. Jeder hatte für sein eigenes Pferd, für Waffen, Ausrüstung, Uniform und Burschen aufzukommen. Aber in der noch jungen Provinz Clayton gab es nicht viele reiche Pflanzer, und um die Truppe vollzählig zu machen, war es notwendig geworden, unter den Söhnen der kleinen Farmer, der Jäger im Urwald, der Trapper in den Prärien und in ganz wenigen Fällen sogar der weißen Proletarier, soweit sie über dem Durchschnitt dieser Schicht standen, Rekruten auszuheben.
Diese jungen Leute brannten ebenso ungeduldig wie ihre reicheren Nachbarn darauf, im Kriegsfall mit den Yankees zu kämpfen; aber da war die heikle Frage des Geldes. Nur wenige kleine Farmer hatten eig ene Pferde. Sie taten die Feldarbeit mit Maultieren und hatten auch daran keinen Überfluß, selten mehr als vier. Die Maultiere waren unentbehrlich und konnten deshalb nicht zu Kriegszwecken benutzt werden, selbst wenn die Truppe bereit gewesen wäre, sich mit ihnen zu behelfen, wogegen sie sich aber energisch verwahrte. Die Proletarier hielten sich schon für wohlhabend, wenn sie ein einziges Maultier besaßen. Die Leute aus dem Urwald und von den Niederungen hatten weder Pferde noch Maultiere, sie lebten ausschließlich von den Erzeugnissen ihrer Ländereien und dem Wild aus den Steppen. Ihr Geschäft betrieben sie meist als Tauschhandel und bekamen höchstens einmal im Jahr fünf Dollar in bar zu sehen. Pferde und Uniformen waren für sie unerschwinglich. Aber sie waren ebenso unbändig stolz in ihrer Armut wie die Plantagenbesitzer in ihrem Reichtum und wollten nichts annehmen, was nach Wohltätigkeit ihrer reicheren Nachbarn aussah. Um also niemand vor den Kopf zu stoßen und dennoch die Truppe auf Kriegsstärke zu bringen, hatten Scarletts Vater, John Wilkes, Buck Munroe, Jim Tarleton, Hugh Calvert, überhaupt jeder große Plantagebesitzer aus der Provinz mit einziger Ausnahme von Angus Macintosh Geld dazu beigesteuert, die Truppe mit Mann und Roß vollständig auszurüsten. Schließlich kam es darauf hinaus, daß jeder Plantagenbesitzer sich bereit erklärte, die Ausrüstung seiner eigenen Söhne und einer gewissen Anzahl anderer junger Leute zu bezahlen, und es wurde alles so eingerichtet, daß die weniger wohlhabenden Leute im Kontingent Pferde und Uniformen annehmen konnten, ohne daß ihre Ehre darunter litt.
Zweimal wöchentlich kam die Truppe in Jonesboro zusammen, um gedrillt zu werden und um zu beten, daß der Krieg beginnen möge. Noch waren die Verhandlungen über die Aufbringung der vollen Anzahl Pferde nicht abgeschlossen; wer aber ein Pferd hatte, führte, was er für kavalleristische Künste hielt, auf dem Felde hinter dem Gerichtsgebäude vor, wirbelte eine große Menge Staub auf, schrie sich heiser und schwang
den Säbel der Revolution, den er in der väterlichen Halle von der Wand genommen hatte. Wer noch kein Pferd hatte, saß auf dem Kantstein vor Bullards Kaufhaus und sah den berittenen Kameraden zu, kaute Tabak und spann sein Garn. 0der man schoß um die Wette. Schießen b rauchte niemand erst zu lernen. In den Südstaaten wird fast jeder mit dem Gewehr in der Hand geboren, bringt sein Leben auf der Jagd zu und wird von selbst zum Scharfschützen.
Bei jeder Musterung kamen die verschiedenartigsten Feuerwaffen aus den Pflanzerhäusern und Blockhütten zum Vorschein. Lange altmodische Feuerrohre aus der Zeit, da die Alleghanies zuerst überschritten worden waren, alte Vorderlader, denen in Georgias Jugendzeiten mancher Indianer zum 0pfer gefallen war, Sattelpistolen, die 1812 in den Seminolenkriegen und in Mexiko ihren Dienst getan hatten, silberbeschlagene Duellpistolen, Taschenderringers, doppelläufige Jagdflinten und elegante neue Gewehre, englisches Fabrikat, mit blanken Schäften aus Hartholz.
Der Drill endete immer in den Kneipen von Jonesboro, und wenn die Nacht einbrach, waren so viele Raufereien im Gange, daß die 0ffiziere es schwer hatten, Verluste zu verhindern, noch ehe die Yankees sie ihnen beibrachten. In einer dieser Schlägereien hatte Stuart Tarleton Cade Calvert angeschossen und Tony Fontaine Brent. Als die Truppe aufgestellt wurde, waren die Zwillinge gerade von der Universität Virginias nach Hause geschickt worden und ließen sich voller Begeisterung anmustern. Aber nach dieser Schießerei vor zwei Monaten hatte ihre Mutter sie wieder auf die Universität ihres eigenen Staates geschickt, mit gemessenem Befehl, dort zu bleiben. Die aufregenden Abwechslungen des Drills hatten sie in jener Zeit schmerzlich vermißt. Was war ihnen Wissen und Bildung, wenn sie nur reiten und schreien und schießen konnten!
»Laß uns doch querfeldein über 0'Haras und Fontaines Weiden reiten«, schlug Brent vor. »Dann sind wir im Nu da.«
»Wir da kriegen nur 0possum und Grünkram zu essen«, wendete Jeems ein.
»Du kriegst überhaupt nichts«, grinste Stuart, »denn du reitest nach Hause und sagst Ma, daß wir nicht zum Abendessen kommen.«
»Nein, das ich nicht tun«, schrie Jeems voller Angst. »Das ich nicht tun! Ich auch nicht Spaß haben, von Misses Beatrice verprügelt werden. Zuerst sie mich fragen, wie ich es fertigbringen, daß Masters wieder rausgeschmissen, und dann,