Vom Winde verweht. Margaret Mitchell

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Vom Winde verweht - Margaret Mitchell

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Wilkesschen Hauses allmählich in der Finsternis der mächtigen Eichen, die sie umgaben. Nur an den Tischlampen, die fern und winzig wie Stecknadelköpfe herüberleuchteten, konnte man noch sehen, daß dort ein Haus stand. Die warme, balsamische Feuchtigkeit des Frühlings, der frische Duft des gepflügten Ackers, der Sonnenuntergang waren für Scarlett nichts Wunderbares. Sie nahm all die Schönheit so gedankenlos hin wie die Luft, die sie atmete, und das Wasser, das sie trank. Schönheit hatte sie bisher mit Bewußtsein nur auf Frauengesichtern und an Pferden, an seidenen Kleidern und ähnlich greifbaren Dingen wahrgenommen.

      Doch die friedvolle Dämmerung über Taras Feldern brachte ihrem verwirrten Gemüt ein wenig Ruhe. 0hne es zu wissen, liebte sie ihre Heimat so innig wie das Angesicht ihrer Mutter unter der Lampe zur Stunde der Abendandacht.

      Noch immer keine Spur von Gerald auf der stillen gewundenen Landstraße! Wenn sie noch länger wartete, kam sicher Mammy, sie zu suchen und mit Gewalt nach Hause zu bringen. Als sie eben wieder die dunkelnde Landstraße hinabspähte, hörte sie Hufschlag unten am Weidenhügel und sah Pferde und Kühe erschreckt auseinanderstieben.

      Gerald 0'Hara kam quer über die Felder in gestrecktem Galopp nach Hause geritten. Auf seinem schweren langbeinigen Braunen sah er von fern aus wie ein Junge, für den das Pferd viel zu groß ist. Er trieb es mit Peitsche und lautem Zuruf an. Sein langes weißes Haar wehte im Winde hinter ihm her. 0bwohl Scarlett von ihren Sorgen ganz erfüllt war, betrachtete sie ihn mit liebevollem Stolz, denn Gerald war ein vorzüglicher Reiter. »Warum er nur immer über Zäune setzen muß, wenn er ein paar Glas getrunken hat«, dachte sie, »und das gerade an dieser Stelle, nach seinem Sturz voriges Jahr, als er sich hier das Knie brach. Dabei hat er Mutter unter Eid versprochen, nie wieder zu springen.«

      Scarlett hatte keine kindliche Angst vor ihrem Vater, und sie empfand eher ihn als ihre Schwestern wie gleichaltrig. Über Zäune zu springen und vor seiner Frau etwas geheimzuhalten, erfüllte ihn mit einem knabenhaften Stolz und einer schuldbewußten Wonne, die ihrem eigenen Vergnügen gleichkam, wenn sie Mammy hinters Licht führen konnte. Sie stand auf, um ihn zu beobachten. Das schwere Pferd war jetzt am Zaun angelangt, setzte an und sprang mühelos hinüber. Der Reiter jauchzte vor Begeisterung. Die Peitsche knallte durch die Luft, das weiße Lockenhaar flog empor. Gerald sah seine Tochter im Schatten der Bäume nicht, er zog die Zügel wieder an und klopfte seinem Pferd anerkennend den Hals.

      »Keiner in der Provinz und keiner im Staat reicht dir das Wasser«, teilte er voll Stolz seinem Roß mit; die Mundart der irischen Grafschaft Meath beschwerte ihm trotz neununddreißigjährigem Aufenthalt in Amerika noch immer die Zunge. Dann machte er sich rasch daran, das Haar zu glätten und die Krawatte zurechtzuziehen, die ihm schief hinter einem 0hr saß. Dies tat er, um als Gentleman vor seine Frau zu treten, der würdevoll von einem Nachbarbesuch nach Hause geritten war. Das wußte Scarlett, und sie hatte die Gelegenheit, die sie brauchte, um ein Gespräch anzufangen, ohne ihre eigentliche Absicht zu verraten. Sie lachte laut auf. Gerald stutzte, dann erkannte er sie, und sein blühendes Gesicht bekam einen zugleic h schuldbewußten und trotzigen Ausdruck. Mit einiger Anstrengung stieg er ab, denn sein Knie war noch steif, und stapfte mit den Zügeln über dem Arm auf sie zu.

      Er kniff sie in die Wange. »Du hast mir also aufgelauert, kleines Fräulein, damit du mich, wie neulich Suellen, bei deiner Mutter anschwärzen kannst?«

      Seine heisere Baßstimme grollte, aber hatte doch einen einschmeichelnden Klang. Scarlett schnalzte neckend mit der Zunge, als sie die Hand ausstreckte, um ihm die Krawatte wieder zurechtzurücken. Mi t seinem Atem schlug ein starker Dunst von Bourbon-Whisky mit einem leichten Anflug von Pfefferminzgeruch ihr ins Gesicht. Auch den Geruch von Kautabak, von geöltem Leder und von Pferden brachte er mit, ein Gemisch, das sie stets an ihren Vater erinnerte und ihr daher auch bei anderen Männern unwillkürlich angenehm war.

      »Nein, Pa, ich bin keine Klatschbase wie Suellen.« Sie trat zurück und musterte sachverständig seinen wieder in 0rdnung gebrachten Anzug.

      Gerald war ein kleiner Mann, wenig größer als fünf Fuß, aber so vierschrötig und stiernackig, daß er, wenn er saß, größer wirkte, als er war. Sein untersetzter Rumpf wurde von kurzen, stämmigen Beinen getragen. Sie steckten immer in den feinsten Reitstiefeln, die aufzutreiben waren, und er stand so breitbeinig darauf wie ein vierjähriger Gernegroß. Wenn ein kleiner Mensch sich ernst nimmt, macht er sich leicht lächerlich, aber der Bantamhahn ist im Hühnerhof eine geachtete Persönlichkeit, und Gerald war es auch. Niemand kam je auf den kühnen Gedanken, in Gerald 0'Hara einen Knirps zu sehen. Er war sechzig Jahre alt, und sein krauses Lockenhaar glänzte silberweiß. Aber sein gescheites Gesicht hatte nicht eine Falte, und in den harten kleinen blauen Augen blitzte die unbekümmerte Jugendlichkeit eines Menschen, der sein Gehirn nie mit abstrakteren Problemen beschäftigt hat, als wieviel Karten beim Pokerspiel zu kaufen seien. Sein Gesicht war so irisch, wie es selbst in seiner Heimat, die er schon so lange verlassen hatte, weit und breit kein irischeres gab: rund, hochrot, mit kurzer Nase und breitem Mund und über die Maßen streitlustig.

      Aber unter diesem Äußeren verbarg Gerald 0'Hara das weichste Herz. Er konnte es nicht mit ansehen, wenn ein Sklave zu seinen Vorhaltungen maulte, mochten sie noch so gerecht sein, er konnte kein Kätzchen miauen, kein Kind schreien hören. Aber es war ihm in der Seele zuwider, auf dieser Schwäche ertappt zu werden. Daß jeder, der ihm begegnete, nach fünf Minuten sein gutes Herz entdeckte, ahnte er nicht, und hätte er es geahnt, seine Eitelkeit hätte gewaltig darunter gelitten. Er gefiel sich in dem Gedanken, daß jeder ihm zitternd gehorchte, wenn er aus Leibeskräften seine Befehle brüllte. Daß auf der Plantage nur eine Stimme Gehorsam fand, nämlich die sanfte Stimme seiner Frau Ellen, war ihm nie in den Sinn gekommen. Dieses Geheimnis sollte er nie erfahren, denn von Ellen bis hinunter zum letzten Sklaven bestand eine stillschweigende Verschwörung, ihn in dem Glauben zu lassen, sein Wort sei Gesetz. Auf Scarlett machte sein lärmendes Gehaben am allerwenigsten Eindruck. Sie war die Älteste, und seitdem Gerald wußte, daß auf seine drei Söhne, die auf dem Familienfriedhof begraben lagen, keine mehr folgen konnten, hatte er sich angewöhnt, gleichsam von Mann zu Mann mit Scarlett zu reden, was sie höchst vergnüglich fand.

      Sie glich ihrem Vater mehr als die jüngeren Schwestern. Careen, eigentlich Caroline-Irene geheißen, war zart und träumerisch, und Suellen, die auf die Namen Susanne-Ellinor getauft war, tat sich viel auf ihre Eleganz und vornehme Haltung zugute. Vor allem waren Scarlett und ihr Vater durch ein Abkommen der gegenseitigen Vertuschung aneinander gebunden. Wenn Gerald sie dabei überraschte, daß sie über einen Zaun kletterte, anstatt eine halbe Meile bis zum Gatter zu gehen, oder noch spät mit einem Verehrer auf den Stufen zur Veranda saß, putzte er sie zwar tüchtig herunter, aber verschwieg es vor Ellen und Mammy. Wenn dagegen Scarlett ihn über Zäune springen sah, trotz des feierlichen Versprechens, es nicht zu tun, oder wenn sie die genaue Höhe seiner Pokerverluste erfuhr, was sich beim Provinzklatsch kaum vermeiden ließ, so hütete sie sich, bei Suellens scheinbarer Arglosigkeit am Tisch davon anzufangen. Scarlett und ihr Vater versicherten einander feierlich, es könne Ellen nur verletzen, wenn ihr so etwas zu 0hren käme, und um nichts in der Welt konnten die beiden es übers Herz bringen, ihr weh zu tun.

      In dem erlöschenden Tageslicht sah Scarlett ihren Vater an und fand Trost in seiner Gegenwart, ohne zu wissen, warum. Das Urlebe ndige, Erdhaft-Derbe in ihm erfüllte sie mit Vertrauen. Da sie nicht die geringste Menschenkenntnis hatte, wurde es ihr nicht klar, daß es geschah, weil sie ihm immer noch sehr ähnlich war, obwohl Ellen und Mammy sich sechzehn Jahre lang abgemüht hatten, seine Züge in ihr zu verwischen.

      »Jetzt kannst du dich getrost blicken lassen«, sagte sie, »und wenn du dich nicht selbst mit deinen Streichen aufspielst, wirst du keinen Verdacht erregen. Aber ich finde doch, nachdem du dir voriges Jahr das Knie gebrochen hast, als du über denselben Zaun ...«

      »Hol mich der Satan, wenn ich mir von meiner eigenen Tochter vorschreiben lassen soll, wo ich springen darf und wo nicht«, fuhr er sie an und kniff sie noch einmal in die Wange. »Mein Genick

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