Vom Winde verweht. Margaret Mitchell

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Vom Winde verweht - Margaret Mitchell

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Stimme klang merkwürdig ruhig, und er sprach ganz langsam, als hole er Wort für Wort aus einem Gedankenvorrat, den er nur selten anbrach.

      »Du willst nur Ashley, und den bekommst du nicht. Und selbst wenn er dich wollte, so hätte ich doch meine schweren Bedenken, ja zu sagen, trotz aller guten Freundschaft zwischen mir und Wilkes.« Als er ihren erschrockenen Blick sah, fuhr er fort: »Ich will mein Kindchen glücklich sehen, und mit ihm würdest du nicht glücklich.«

      »0h doch, doch!«

      »Das würdest du nicht, Mädchen. Nur wenn gleich und gleich sich heiraten, wird die Ehe glücklich. «

      Scarlett verspürte plötzlich den Drang aufzuschreien: »Aber du bist doch glücklich, und Mutter und du, ihr seid gar nicht gleich!« Aber sie unterdrückte ihn aus Furcht, er möchte ihr für ihre Frechheit eine 0hrfeige geben.

      »Unsereins und Wilkes sind verschieden«, fuhr er langsam fort und suchte nach Worten. »Wilkes sind anders als unsere Nachbarn ... anders als ich je eine Familie gekannt habe. Wunderliche Leute sind sie, und sie tun am besten, ihre Cousinen zu heiraten und ihre Wunderlichkeit für sich zu behalten.«

      »Aber Pa, Ashley ist doch n icht...«

      »Halt den Schnabel, Fuß! Ich sage nichts gegen den Burschen, denn ich habe ihn gern. Wenn ich >wunderlich< sage, so meine ich damit nicht >verrückt<. Er ist nicht so verrückt wie Calverts, die ihre ganze Habe für ein Pferd verspielen, und Tarletons, die mit jedem Wurf einen Trunkenbold zur Welt bringen, oder Fontaines, die hitzköpfigen Viecher, die für eine eingebildete Beleidigung am liebsten einen Mann totschlügen. Solche Wunderlichkeiten sind leicht zu begreifen, weiß Gott, und wäre nicht seine Gnade, so wäre Gerald 0'Hara auch nicht besser! Ich meine nicht etwa, daß Ashley mit einer anderen Frau davonliefe, wenn du seine Frau wärest, oder daß er dich schlüge. Wenn er das täte, würdest du glücklicher werden, denn dann könntest du ihn wenigstens verstehen. Aber seine Wunderlichkeit ist anderer Art, dafür gibt es kein Verständnis. Ich habe ihn gern, aber ich werde nicht aus ihm klug. Sag mir aufrichtig, Puß, verstehst du denn seine Narrheit für Bücher, für Gedichte und Musik und Ölbilder und lauter solchen Unsinn?«

      »Ach, Pa«, rief Scarlett ungeduldig, »wenn ich ihn heirate, treibe ich ihm das alles aus.«

      »Was du nicht meinst«, sagte Gerald vorsichtig und warf ihr einen scharfen Blick zu. »Du verstehst eben nicht viel von Männern, und nun gar von Ashley. Keine Frau hat ihren Mann je um ein Haarbreit geändert. Laß dir das gesagt sein! Und einen Wilkes ändern - du lieber Gott, Mädchen! Die ganze Familie ist so, und immer sind sie so gewesen und werden wohl auch immer so bleiben. Ich sage dir, die sind als Käuze auf die Welt gekommen. Sieh dir doch nur an, wie sie nach New York und Boston stürzen, um 0pern zu hören und Ölbilder zu sehen. Bei den Yankees bestellen sie kistenweise französische und deutsche Bücher. Und da sitzen sie dann und lesen und träumen sich wer weiß was zusammen und sollten ihre Zeit doch besser wie richtige Männer mit Jagdreiten und Pokern verbringen.«

      »In der ganzen Provinz sitzt keiner besser im Sattel als Ashley!« Scarlett war wütend, daß Ashley als unmännlich verspottet wurde. »Keiner als vielleicht sein Vater, und was das Pokern betrifft - hat Ashley dir nicht erst vorige Woche in Jonesboro zweihundert Dollar abgenommen?«

      »Die Calverts haben mal wieder nicht dichthalten können«, sagte Gerald ergeben. »Ashley kann wohl mit den besten Männern reiten und pokern, und ich leugne gar nicht, daß er sogar Tarleton unter den Tisch trinkt, wenn er will. Er kann das alles wohl, aber er ist nicht mit dem Herzen dabei. Deshalb sage ich, er ist wunderlich.«

      Scarlett schwieg bedrückt. Gegen diese letzte Anschuldigung hatte sie nichts anzuführen, denn Gerald hatte recht. Bei all den schönen Dingen, auf die Ashley sich so gut verstand, war sein Herz nicht beteiligt. An allem, was jeden anderen aus tiefstem Herzensgrund beschäftigte, nahm er nie mehr als kühlen und höflichen Anteil.

      Gerald verstand ihr Schweigen richtig, streichelte ihr den Arm und triumphierte: »Da hast du es! Du mußt doch zugeben, daß es stimmt. Was willst du mit einem Mann wie Ashley? Mondsüchtig sind sie alle, die Wilkes.« Und dann schmeichelte er: »Wenn ich vorhin von Tarletons sprach, ich wollte sie dir gewiß nicht aufdrängen. Feine Kerle sind es, aber wenn du es auf Cade Calvert abgesehen hast, nun, mir soll es einerlei sein. Calverts sind ein guter Schlag, alle zusammen, wenn auch der Alte eine Yankee geheiratet hat. Und wenn ich nicht mehr bin - pst, Liebling, hör zu! -, hinterlasse ich Tara dir und Cade ...«

      »Tara will ich nicht geschenkt!« Scarlett war empört. »Und du sollst mich mit Cade in Ruhe lassen! Ich will weder Tara noch irgendeine andere dumme Plantage. Was mache ich mir aus Plantagen, wenn ...«, sie wollte sagen, »wenn ich nicht den Mann habe, den ich will.« Aber Gerald, außer sich über die hochfahrende Art, wie sie über das angebotene Geschenk hinwegging, über das, was nächst Ellen auf der ganzen Welt seinem Herzen am nächsten stand, fuhr wütend dazwischen: »Da stehst du, Scarlett 0'Hara, und sagst mir ins Gesicht, daß Tara - mein Grund und Boden - , daß du dir daraus nichts machst?«

      Scarlett nickte eigensinnig. Das Herz tat ihr zu weh. Es war ihr einerlei, ob sie den Vater in Wut brachte oder nicht.

      »Das einzige, was auf der Welt überhaupt etwas wert ist, ist das Land«, tobte er und fuhr in seiner Empörung mit den kurzen, dicken Armen durch die Luft. »Das einzige, was auf der Welt von Dauer ist, was wert ist, daß man dafür arbeitet, kämpft und stirbt!«

      »Gott, Pa«, es klang angewidert, »du redest wie ein Ire.«

      »Hab ich mich dessen je geschämt? Im Gegenteil, ich bin stolz darauf, und vergiß nicht, du Grünschnabel, daß du auch eine halbe Irin bist. Für jeden, der einen Tropfen Irenblut in den Adern hat, ist das Land, auf dem er lebt, wie seine Mutter. Deiner schäme ich mich in diesem Augenblick. Ich biete dir das schönste Land auf der Welt - außer der Grafschaft Meath, in der alten Heimat -, und was tust du? Die Nase rümpfst du!«

      Gerald war gerade dabei, sich in eine gelinde Raserei hineinzureden, als das Herzeleid in Scarletts Gesicht ihm Halt gebot.

      »Nun ja, du bist noch jung, sie kommt schon noch über dich, die Liebe zur Heimat. Du bist ein Kind, und die Jungens verdrehen dir den Kopf. Wenn du älter bist, dann wirst du schon sehen ... Faß du nur deinen Entschluß wegen Cade, wegen der Zwillinge oder eines von Evan Munroes Jungens und paß auf, wie schön ich dich aussteuere!«

      Allmählich hatte Gerald die Unterhaltung satt bekommen und ärgerte sich weidlich darüber, daß er die Geschichte auf dem Halse hatte. Dabei ging es ihm nahe, daß Scarlett noch immer so verzweifelt dreinsah, nachdem er ihr die besten Burschen aus der Provinz angeboten hatte und Tara obendrein. Seine Gaben sollten mit Küssen und Händeklatschen entgegengenommen werden.

      »Nun, kleines Fräulein, nicht maulen. Es kommt gar nicht darauf an, wen du heiratest, wenn er nur ein Gentleman ist, der denkt wie du, aus den Südstaaten, mit dem Herzen auf dem rechten Fleck. Bei der Frau kommt die Liebe erst nach der Heirat.«

      »Ach, Pa, das ist so eine altmodische Ansicht aus Irland!«

      »Aber eine gute und richtige! All dies amerikanische Herumlaufen nach einer Liebesheirat, wie die Dienstboten, wie die Yankees! Die beste Ehe gibt es, wenn die Eltern für das Mädchen die Wahl treffen. Wie kann denn ein dummes Ding wie du einen Mann von einem Schuft unterscheiden? Sieh dir nur die Wilkes an! Was hat sie seit Generationen stolz und stark erhalten? Gleich und gleich hat geheiratet, ihre Cousinen haben sie geheiratet, wie die Familie es immer von ihnen erwartete.«

      »Ach Gott!«

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