Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse , 1. Band. Walter Brendel

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Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse , 1. Band - Walter Brendel

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in Paris sollte der gemeinen Verleumdung den nötigen Nachdruck geben. Kriegsrat wurde gehalten. Talbot verordnete: die Truppen verlassen die Bastille, stellen sich in Schlachtreihe auf. Unterdessen weilt der Dauphin Karl inmitten seiner Familie auf dem königlichen Schloss in Chinon. Er sendet Siegesbotschaft hinaus. In einem Brief an die Bewohner von Narbonne zeigt sich seine Dankgesinnung Jeanne gegenüber: „Ihr könnt nicht genug die hohen Taten und wunderbaren Handlungen der Jungfrau, die persönlich zur Ausführung der großen Dinge gearbeitet hat, ehren.“ Zwei angesehene Würdenträger der Kirche sprechen offiziell ihr Urteil über Jeanne als die Gottgesandte aus: es sind der Johann Gerson und der Erzbischof von Embrun, Jakob Gélu.

      Am 11. Juni erreicht Jeanne, gefolgt vom Herzog von Alençon, Dunois, La Hire, Gaucourt und anderer Führer, Orleans. Im Sturm wird die Stadt genommen. Graf Suffolk ergibt sich als Gefangener. Mit mildreicher Sorge lässt Jeanne ihn und seine Begleitschaft in Sicherheit bringen. 6-700 tote englische Krieger decken das Schlachtfeld. Währenddessen aber genießt der Dauphin auf dem Schloss Sully in vollen Zügen die Gastfreundschaft des eigennützigen Ministers Trémoïlle. Fortwährend sucht dieser Karl vom übernatürlichen Einfluss Jeannes fernzuhalten. Noch kann er nicht den Kriegsruhm des jungen Kindes schmälern. Aber Verwirrung bringen, das kann er schon. Von ihm aufgehetzt, verbietet der Dauphin dem Herzog, den Connetable Richemont als Streiter in die Reihen aufzunehmen. Was nun tun? Draußen stand das englische Heer, ausgerüstet durch Bedford, befehligt von Falstoff. Talbot, in grimmigem Hass, drängt zum Kampf. Die Garnison des Schlosses Beaugency ergibt sich von selbst, - in Eile räumen die Feinde Meung. Verfolgung der Feinde ist diesmal Jeannes Losungswort. Am ersten Juli lagerte man vor den Mauern von Auxerre. Leicht hätte man die Festung einnehmen können. Trémoïlles Rat war ausschlaggebend für den Dauphin. Sie solle ruhig ihre Tore geschlossen halten, wohl aber Lebensmittel für das Heer liefern. Saint Florentin-Brienon, Saint Phal ergeben sich dem angestammten Herrscherhause. Ein schwieriger Fall war Troyes. Wegen des Vertrages mit Burgund verweigerte man den königlichen Truppen den Einlass. Die aber schmachteten schon fünf Tage, da der Proviant ausgegangen war. Am anderen Morgen öffnen sich die Tore der Stadt, im selben Augenblicke, als Jeanne das Zeichen zum Kampfe gibt. Heraus treten der Bischof und angesehene Bürger und bitten um schonungsvolle Übergabe. Welch ein Umschwung! Was war die Ursache? Die Garnison von Troyes hatte das große Feldherrentalent Jeannes erkannt und mit Staunen die allgemeine begeisterte Bereitwilligkeit, ihrer Weisung zu folgen, wahrgenommen. Die englisch-burgundischen Truppen marschierten anderen Tags aus der Garnison. Die Bewohner von Troyes senden Kunde an die Reimser, fordern sie auf, ihren Beispiele zu folgen. Jeanne eilt mit dem Heere voran. Auf ihre Botschaft hin öffnen sich weitere Pforten von Schlössern und Städten dem Einzuge des angestammten Herrschers. Am 22. Mai erfährt Jeanne von den Vorbereitungen von Philipp dem Guten, des Herzogs von Burgund, zur Einnahme von Compiègne. Wilhelm von Flavy, der ehrgeizige und eifersüchtige Gouverneur der Festung rät Jeanne am 23. Mai zu einem Ausfall. Im selben Augenblick läuten die Glocken von Compiègne. Das war ein Zeichen für die Feinde. Heroisch verteidigen sich die Franzosen gegen Burgunder, gegen die Engländer, gegen die Truppen von Johann von Luxemburg. Flavy fürchtete eine Wundertat der Jungfrau. Er ließ die Zugbrücke hochziehen, die Tore schließen, die Artillerie von Compiègne gab keinen Schuss auf die heranstürmenden Feinde. Die Heldin verteidigte sich tapfer mit 5 oder 6 Mann gegen die Übermacht. Keine Hilfe naht. Ein Picarde aus der Kompagnie von Lionel von Wandonne ergreift sie. Mit ihr werden Peter, ihr Bruder, Johann von Aulon, ihr treuer Waffenmeister, Paquerel, ihr Beichtvater und Poton le Bourguignon gefangen genommen. Eine Inquisitionssitzung folgt der andern. Mutig und beherzt, trotz aller schmachvollen Behandlung während eines langen, bangen Jahres Haft, beantwortet Jeanne das immer wieder erneute Kreuzfeuer übelwollenden Verhörs. Die Grausamkeit ihrer Feinde kennt keine Grenzen. Selbst am Tage des Todes steigen die Peiniger in den Kerker; sie möchten so gerne durch verfängliche Fragen der ermatteten Jungfrau irgendeine unsichere Antwort ablauschen, die den Schein des Unrechts trüge und das falsche Todesurteil bemäntelte.

      Am 30. Mai 1431 kniet sie denn, so die Überlieferung, und ruft mit lauter Stimme die Gottesmutter und die Heiligen des Paradieses an. Noch einmal bekennt sie feierlich ihren Glauben, erfleht vom Himmel Verzeihung für alle Fehler ihres Lebens, bittet den König um Verzeihung, sollte irgendetwas durch sie geschehen sein, was nicht recht, bittet um Verzeihung alle Umstehenden, selbst die Feinde. Dann bittet sie alle insgesamt um Gebet und die Priester insbesondere um eine Messe für ihre Seelenruhe. Nach einem Kreuz verlangt sie. Dann bekennt sie noch einmal laut und feierlich: „Ich erkläre noch einmal, meine Stimmen waren von Gott. Auf göttlichen Befehl tat ich alles Gute. Nein, nein, meine Stimmen haben mich nicht getäuscht, sie kamen in Wahrheit vom Himmel.“ Sie lässt den Dominikaner hinuntersteigen. „Haltet das Kreuz hoch empor vor meine Augen, bis zum letzten Augenblick.“ Rauch umhüllt sie. Furchtbar soll nun die Rache für die qualvollen Leiden der Jungfrau gewesen sein: Nikolaus Midi, den Prediger auf dem Alten Markt, trifft der Aussatz. La Trémoïlle wird vom Hofe verbannt; an seine Stelle tritt wieder der ein, den er in blindem Hasse verfolgt, Richemont, der Connetable. Der Bischof Cauchon wird auf dem Konzil in Basel exkommuniziert; das Erzbistum Rouen hat er nicht erhalten. Er stirbt eines plötzlichen Todes. Jean d'Estivet findet man ertränkt in einer Kloake. Der englische König Heinrich VI. stirbt, verraten von den Seinen, eines gewaltsamen Todes. Loyseleur wird vom Kapitel zu Rouen verworfen, er stirbt in Basel, wohin er geflüchtet, plötzlich.

      Am 21. September 1435 kommt das große Ereignis zustande, dass das Königreich in Staunen versetzt: der Herzog von Burgund versöhnt sich mit Karl VII.; diese Einigung stärkt unberechenbar die Waffenkraft Frankreichs. Am 16. April 1436 nimmt der Connetable Richemont im Namen des Königs Besitz von Paris; am 12. November hält der Herrscher seinen feierlichen Einzug. Der Herzog Karl von Orleans kehrt 1440 aus der englischen Gefangenschaft zurück.

      Allmählich unterwirft ganz Frankreich sich dem gesetzmäßigen Herrscher, die Engländer sind vom Lande vertrieben: 1449 kehrt die Normandie in französichen Besitz zurück. 1451 Guyenne. Talbot versucht das Verlorene zurückzuerobern. Am 17. Juli 1453 findet er in der furchtbaren Schlacht bei Castillon den Tod. Am 9. Oktober 1453 nannten die Engländer nur noch ihren alten Seehafen Calais ihr eigen. Karl VII. herrschte nun ganz über das eroberte Land.

      Wie mag dem König nur zumute gewesen sein, als er zum ersten Male das wiedereroberte Rouen betrat, den Ort, wo die Heldenjungfrau litt und starb? Die Erinnerungen lassen ihn nicht los. Er erlässt eine Aufforderung an Wilhelm Bouillé, den gelehrten Doktor der Theologie, genaueste Erkundigungen über den Prozess einzuziehen, wegen dem Jeanne, wie er sagt, „durch den großen Hass der Feinde grausam sterben musste“. Auf Betreiben der Familie von Jeanne d'Arc bereitet man in Rom den Rehabilitierungsprozess vor.

      Im Dome Unserer Lieben Frau zu Paris warten als Delegierte des Papstes Erzbischof Johann Juvénal des Ursins von Reims und der Bischof Wilhelm Chartier und Jean Bréhal, Inquisitor Frankreichs. Die Pforte tut sich auf und herein tritt eine Dame in Trauer, gestützt auf den Arm ihres Sohnes. Es ist die Mutter von Jeanne d'Arc und deren Bruder Peter. In der Hand hält sie ein Schreiben von Papst Calixtus III. Sie kniet nieder und erzählt unter Schluchzen einfach und schlicht den Lebensgang ihrer Tochter Jeanne und bittet, mit Hilfe ihres Rechtsanwaltes Peter Maugier in Gegenwart noch vieler kirchlicher und weltlicher Persönlichkeiten um Revision des ungerechten Urteils. Die Mutter will sich ganz dem Urteile der Kirche, wie immer es sei, unterwerfen. Am 17. November folgte in ihrem Beisein im bischöflichen Palais eine Beratung der angesehensten Theologen der Zeit. Der folgten Vorladungen der Zeugen. Die Eröffnung des gerichtlichen Verfahrens wurde an den Kirchentüren bekannt gegeben. Nun stehen die Zeugen auf, im ganzen 115: Graf Dunois, Raoul de Gaucourt in Orleans, in Paris der Herzog von Alençon, in Rouen der Gelehrte Seguin von Seguin, Johann d'Aulon reicht schriftlichen Bericht ein.

      In Paris prüfen die Delegierten des Apostolischen Stuhles die Unterlagen. In Rouen reiht sich Sitzung an Sitzung, aber niemand meldet sich, das gesammelte Material zu widerlegen.

      Am 7. Juli 1456 wird im erzbischöflichen Palais zu Rouen der end-gültige Urteilsspruch durch den Erzbischof von Reims, Johann Juvénal des Ursins feierlich verkündet. Es sind zugegen die Bischöfe von Paris und Coutances, der Generalinquisitor Frankreichs Johann Bréhal,

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