Die Eissphinx. Jules Verne

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Die Eissphinx - Jules Verne

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könnte glauben, daß der fruchtbare Dichter mit der Entsetzlichkeit dieser Lage die Quellen seiner Erfindungsgabe erschöpft habe. Das trifft aber nicht zu. Seine überschäumende Genialität reißt ihn noch weiter fort.

      Arthur Pym, jetzt von einer Art Lethargie befallen, vernimmt, während er auf der Matratze ausgestreckt liegt, ein seltsames Pfeifen, empfindet einen ununterbrochenen Lufthauch. Das kam von dem schwer keuchenden Tigre, von dem Hunde, dessen Augen mitten in der Finsterniß unheimlich funkeln... von Tigre, der mit den Zähnen knirscht... der von der Tollwuth ergriffen ist....

      Im höchsten Entsetzen gewann Arthur Pym genug Kraft, den Bissen des Hundes, der sich auf ihn gestürzt hatte, zu entgehen. Nachdem er sich in eine dicke Decke gehüllt hatte, die die weißen Spitzzähne des wüthenden Thieres zerrissen, stürzte er aus dem Kasten und warf dessen Thür vor Tigre zu, der nun gegen die Wände tobte.

      Arthur Pym gelang es, sich durch die verstauten Frachtstücke hindurchzuwinden. Der Kopf drehte sich ihm aber und er fiel gegen einen Koffer, wobei ihm auch noch das Messer aus der Hand glitt.

      Da, als er eben den letzten Seufzer auszuhauchen fürchtete, hörte er seinen Namen aussprechen. Eine an seinen Mund geführte Wasserflasche entleerte sich zwischen seinen Lippen... er lebte wieder auf, nachdem er – o welche Wollust! – gierig getrunken und tief und lang aufgeathmet hatte.

      Wenige Augenblicke darauf berichtete August Barnard seinem Kameraden, in einer Ecke des Raumes und bei dem trüben Schein einer Laterne, über alles, was sich seit der Abfahrt an Bord der Brigg zugetragen hatte.

      Bis hierher, wiederhole ich, ist diese Geschichte glaublich; wir sind aber noch nicht bei den Ereignissen, die »jeder Wahrscheinlichkeit spotten«.

      Die Besatzung des »Grampus« belief sich, den ältern und jüngern Barnard eingerechnet, auf sechsunddreißig Köpfe. Nachdem die Brigg am 20. Juni unter Segel gegangen war, hatte August Barnard verschiedene, freilich vergebliche Versuche gemacht, Arthur Pym in seinem Versteck aufzusuchen. Drei oder vier Tage später kam es an Bord zu einer Meuterei. Der Rädelsführer dabei war der Oberkoch, ein Neger wie unser Endicott von der »Halbrane«, der, das sei sogleich hinzugefügt, nicht im geringsten der Mann dazu war, sich aufzulehnen.

      Im Romane werden nun zahlreiche Vorfälle geschildert; Metzeleien, die den meisten, dem Kapitän treu gebliebenen Leuten das Leben kosteten, dann, im Gewässer der Bermudasinseln, die Aussetzung genannten Kapitäns und vier seiner Leute in einem kleinen Walfangboote, von dem man niemals wieder etwas hören sollte.

      August Barnard wäre ohne das Dazwischentreten des Tauwerkmaats des »Grampus« auch nicht geschont worden. Ihn rettete Dirk Peters, ein Mestize vom Stamme der Upsarokas, der Sohn eines Pelzhändlers und einer jungen Indianerin, aus den Schwarzen Bergen – dieselbe, die der Kapitän Len Guy in Illinois wiedergefunden zu haben behauptete.

      Der »Grampus« steuerte nach jener Katastrophe in südwestlicher Richtung und zwar unter Führung des zweiten Officiers, der in den südlichen Gewässern Seeräuberei zu treiben gedachte.

      August Barnard hätte nach jenen Vorfällen Arthur Pym gern baldigst aufgesucht; man hatte ihm aber Hände und Füße gefesselt, ihn in das Volkslogis eingeschlossen, und der Schiffskoch erklärte ihm dazu, daß er nicht eher herauskommen werde, als bis »die Brigg keine Brigg mehr« wäre. Wenige Tage später gelang es August Barnard aber, seine Fesseln abzustreifen und den dünnen Holzboden, der ihn vom Schiffsraum trennte, zu durchbrechen. Tigre lief ihm dabei nach, und er versuchte, bis zum Schlupfwinkel seines Kameraden vorzudringen. Wenn ihm das auch nicht gelang, so hatte doch der Hund Arthur Pym »gewittert« und dadurch verfiel August Barnard auf den Gedanken, am Halse Tigres ein Billet zu befestigen, das die Worte enthielt: »Ich schreibe diese Worte mit Blut... bleibe versteckt... es gilt Dein Leben.«

      Das Blatt war, wie wir wissen, Arthur Pym in die Hand gekommen. Als er dann, vor Hunger und Durst fast sterbend, durch den Raum schlich und ihm das Messer entfiel, war es das dadurch erregte Geräusch, das seinen Kameraden aufmerksam machte, und diesem glückte es nun endlich, zu ihm vorzudringen.

      Nachdem er Arthur Pym alles Vorgefallene erzählt hatte, fügte August Barnard noch hinzu, daß unter den Meuterern Meinungsverschiedenheiten herrschten. Die einen wollten mit dem »Grampus« nach den Inseln des Grünen Vorgebirges segeln, die andern – und zu diesen gehörte Dirk Peters – bestanden darauf, nach den Inseln des Stillen Oceans zu gehen.

      Der Hund Tigre, den sein Herr für wuthkrank gehalten hatte, war das in der That nicht. Nur der verzehrende Durst hatte ihn so übermäßig erregt, und er wäre wohl schließlich der Wuthkrankheit verfallen, wenn ihn August Barnard nicht noch rechtzeitig nach dem Vordercastell zurückgebracht hätte.

      Nun folgt (im Roman) eine lange Abhandlung über die Stauung der Fracht des Handelsschiffs, von der die Sicherheit an Bord wesentlich abhängt. Die des »Grampus« war nur sehr nachlässig erfolgt, und da viele Frachtstücke bei jeder Schwankung durcheinander fielen, konnte Arthur Pym nicht länger ohne Gefahr im Raume bleiben. Zum Glück fand er mit Hilfe August Barnard's einen Schlupfwinkel im Zwischendeck neben dem Volkslogis.

      Der Mestize erwies sich gegen den Sohn des Kapitän Barnard andauernd sehr freundlich, so daß der junge Mann sich fragte, ob er nicht auf den Tauwerksmaat rechnen könne, um sich wieder in Besitz des Schiffes zu setzen.

      Dreizehn Tage waren seit der Abfahrt von Nantucket verflossen, als, am 4. Juli, zwischen den Meuterern ein heftiger Wortwechsel wegen einer kleinen, in der Ferne aufgetauchten Brigg entbrannte, die die einen verfolgen, die anderen ruhig weiter ziehen lassen wollten. Daraus entwickelte sich ein Streit, der einem, zur Partei des Schiffskochs gehörigen Matrosen des Leben kostete. Dieser Gegenpartei des zweiten Officiers hatte sich auch Dirk Peters angeschlossen.

      Jetzt waren, Arthur Pym mitgerechnet, nur noch dreizehn Mann an Bord.

      Da begann ein furchtbarer Sturm das Meer aufzuwühlen. Der »Grampus« nahm durch die Plankenfugen Wasser ein, so daß die Pumpen stets in Bewegung bleiben und am Vordertheil des Rumpfes ein Segel ausgebreitet werden mußte, um dem Wasserandrang einigermaßen zu steuern.

      Der Sturm legte sich erst am 9. Juli, und an diesem Tage erklärte Dirk Peters seine Absicht, sich des zweiten Officiers zu entledigen. August Barnard versprach, ihn dabei zu unterstützen, ohne jedoch der Anwesenheit Arthur Pym's Erwähnung zu thun.

      Am nächsten Tage verschied einer der dem Schiffskoch ergebenen Matrosen, namens Roger, unter heftigen Krämpfen und niemand bezweifelte, daß ihn der zweite Officier vergiftet habe. Auf der Seite des Kochs standen nun blos noch vier Mann, darunter Dirk Peters. Der zweite Officier hatte noch fünf Mann für sich und würde über die Partei des Kochs schließlich wohl den Sieg davongetragen haben.

      Nun war keine Stunde zu verlieren. Der Mestize hatte August Barnard auch erklärt, daß die Stunde zum Handeln gekommen sei, und dieser machte ihm nun Mittheilung über alles, was Arthur Pym betraf.

      Während beide sich noch über die anzuwendenden Mittel besprachen, um wieder in Besitz des Schiffs zu kommen, legte dieses ein furchtbarer Windstoß weit auf die Seite. Der »Grampus« richtete sich nicht wieder auf, ohne eine ungeheure Menge Wasser übergenommen zu haben, und solcher verderblicher Windstöße hatte er noch mehrere auszuhalten.

      Die Gelegenheit schien günstig, den Kampf zu beginnen, obwohl die Meuterer vorläufig untereinander Frieden geschlossen hatten und der Wachposten jetzt nur von drei Mann, Dirk Peters, August Barnard und Arthur Pym, eingenommen war, während sich neun Mann in der Back befanden. Nur der Schiffskoch besaß zwei Pistolen und ein Seemannsmesser. Es galt also, mit aller Klugheit und Vorsicht ans Werk zu gehen.

      Da fiel es Arthur Pym, dessen Anwesenheit an Bord die

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