Die Eissphinx. Jules Verne

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Die Eissphinx - Jules Verne

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den Ausgang jener Abenteuer zu erfahren. Meiner Ansicht nach noch interessanter wär' es aber gewesen, etwas von dem Schicksal der Andern zu hören.

      – Der Andern?... rief ich unwillkürlich. Von wem sprechen Sie da?

      – Von dem Kapitän und der Mannschaft der englischen Goëlette, die Arthur Pym und Dirk Peters nach dem schrecklichen Schiffbruche des »Grampus« aufgenommen hatte und sie nachher durch das Polarmeer bis zur Insel Tsalal beförderte.

      – Herr Len Guy, bemerkte ich, immer scheinbar überzeugt von der Wahrheit des Edgar Poe'schen Romans, waren denn diese Leute, die einen bei dem Ueberfall der Goëlette, die andern bei dem künstlichen, durch die Bewohner von Tsalal herbeigeführten Einsturz, nicht alle ums Leben gekommen?

      – Wer weiß das, Herr Jeorling, erwiderte der Kapitän Len Guy mit einer von innerer Erregung verschleierten Stimme; wer weiß, ob nicht einige der Unglücklichen ebenso das Gemetzel wie den Einsturz überlebt haben, ob nicht einige oder mehrere den Eingebornen entkommen sind?...

      – Jedenfalls, warf ich ein, darf man kaum annehmen, daß die damit vielleicht Geretteten jetzt noch am Leben wären....

      – Und warum nicht?

      – Weil die Vorfälle, wovon wir sprechen, sich schon vor elf Jahren ereigneten.

      – Mein Herr Jeorling, entgegnete der Kapitän Len Guy, wenn es Arthur Pym und Dirk Peters gelang, jenseits der Insel Tsalal bis über den vierundachtzigsten Breitengrad vorzudringen, wenn sie Mittel und Wege gefunden hatten, inmitten der antarktischen Gebiete ihr Leben zu fristen, warum sollten ihre Begleiter, soweit sie den Aexten der Eingebornen entgingen und so glücklich waren, auf der Fahrt schon entdeckte, benachbarte Inseln zu erreichen... warum sollte es diesen Unglücklichen, meinen Landsleuten, nicht auch gelungen sein, dort weiter zu leben?... Warum sollten nicht einige davon noch heute auf ihre Erlösung harren?

      – Ihre Antheilnahme verführt Sie, Herr Kapitän, antwortete ich als Versuch, ihn zu beruhigen. Jedenfalls wäre es unmöglich...

      – Unmöglich, Herr! fuhr er auf. Wenn nun eine Thatsache vorläge, wenn ein nicht anzuzweifelndes Zeugniß die Welt zum Rettungswerke mahnte wenn man einen handgreiflichen Beweis von der Existenz der Unglücklichen, an den Grenzen des Erdballs Verlassenen entdeckte, wem, der ihnen zu Hilfe zu eilen wagte, würde man ein »Unmöglich!« entgegenschleudern?«

      Hier wurde mir eine Antwort erspart, die der Kapitän doch nicht gehört hätte, denn er wendete sich mit leisem Seufzen nach Süden zu, als wollte er den fernen Horizont mit dem Blicke durchdringen.

      Ich fragte mich nur, welche Erlebnisse bei dem Kapitän Len Guy wohl die jetzige Geistesverwirrung verschuldet haben möchten. War es nur ein bis zum Wahnsinn gesteigertes Gefühl allgemeiner Menschenliebe, daß er sich für die Schiffbrüchigen, die niemals Schiffbruch erlitten, weil sie überhaupt niemals existiert hatten, so warm interessierte?

      Da trat der Kapitän Len Guy näher an mich heran, legte die Hand auf meine Schulter und flüsterte mir ins Ohr:

      »Nein, Herr Jeorling, nein! Das letzte Wort über das, was die Mannschaft der »Jane« angeht, ist noch nicht gesprochen!«

      Hiermit ließ er mich stehen.

      Die »Jane«, das war im Roman der Name der Goëlette, die Arthur Pym und Dirk Peters von den treibenden Trümmern des »Grampus« aufgefischt hatte, und jetzt zum ersten Male hatte der Kapitän Len Guy am Schlusse unseres Gesprächs diesen Namen genannt.

      »Aha, dachte ich da, Guy, so lautete auch der Name des Kapitäns der »Jane«, eines Schiffes englischer Nationalität, gleich dem seinen. Doch was beweist das und welche Schlüsse ließen sich daraus ableiten? Der Kapitän der »Jane« hat ja nie anders gelebt, als in der Phantasie Edgar Poe's, während der Kapitän der »Halbrane« wirklich und leibhaftig existiert. Beide haben mit einander nichts gemein als den Namen Guy, der in Großbritannien übrigens sehr verbreitet ist. Und doch, es wird ohne Zweifel so sein, die Uebereinstimmung der Namen wird das Gehirn unseres unglücklichen Kapitäns angegriffen haben, der sich einbildet, zur Familie des Befehlshabers der »Jane« zu gehören!... Ja, ja, das hat ihn dahin gebracht, wo er jetzt ist, und deshalb bewahrt er den nur erdichteten Schiffbrüchigen eine so weitgehende Theilnahme.

      Es wäre interessant gewesen, zu wissen, ob Jem West hierüber auch unterrichtet war, ob sein Vorgesetzter ihn jemals von den »Thorheiten« unterhalten hatte, die er eben gegen mich offenbarte. Das war aber eine heikle Frage, da sie den geistigen Zustand des Kapitän Len Guy betraf. Ueberdies hatte jede Unterhaltung mit dem Lieutenant Schwierigkeiten und in diesem Falle sogar gewisse Gefahren....

      Ich schlug mir das also aus dem Sinn, da ich ja ohnedies in Tristan d'Acunha ans Land gehen und mein Aufenthalt an Bord schon in einigen Tagen zu Ende sein sollte. In Wahrheit hätte ich es mir aber nie träumen lassen, jemals mit einem Manne zusammenzutreffen, der die Phantasiegebilde Edgar Poe's für baare Münze nehmen würde.

      Am zweitnächsten Tage, dem 22. August, erkannten wir schon vom ersten Tagesgrauen an, nachdem wir die Insel Marion und ihren Vulcan, dessen Südspitze sich bis viertausend Fuß über das Meer erhebt, an Backbord hinter uns gelassen hatten, die ersten Linien der Prinz Eduard-Insel unter 46 Grad 55 Minuten südlicher Breite und 37 Grad 46 Minuten östlicher Länge. Diese Insel blieb uns an Steuerbord und zwölf Stunden später verschwammen ihre letzten Höhen wieder im Nebeldunst des Abends.

      Am nächsten Tage schlug die »Halbrane« einen Curs nach Nordwesten und nach dem nördlichsten Parallelkreise der südlichen Halbkugel ein, den sie im Laufe dieser Fahrt berühren sollte.

      Fünftes Capitel

      Der Roman von Edgar Poe

      Wir geben hier auszugsweise den Inhalt des berühmten Werkes unseres amerikanischen Romandichters wieder, das unter dem Titel.

      Die Abenteuer Arthur Gordon Pym's in Richmond erschienen war. Ich kann es nicht umgehen, ihn in diesem Capitel kurz zusammenzufassen, da der Leser daraus ersehen wird, ob man überhaupt daran zweifeln konnte, daß die Abenteuer dieses Romanhelden erdichtet seien. Unter den zahlreichen Lesern des genannten Werks dürfte es – abgesehen vom Kapitän Guy – wohl keinen gegeben haben, der seinen Inhalt für wahr gehalten hätte.

      Edgar Poe hat den betreffenden Bericht seiner Hauptperson in den Mund gelegt. Schon in der Vorrede erzählt Arthur Pym, daß er bei der Heimkehr aus den antarktischen Meeren unter den Gentlemen Virginiens, die sich für geographische Entdeckungen interessierten, Edgar Poe getroffen habe, der damals Herausgeber des Southern Literary Messenger in Richmond war. Seiner Darstellung nach, hätte Edgar Poe von ihm die Erlaubniß erhalten, in diesem Blatte, doch »unter dem Deckmantel freier Erfindung« den ersten Theil seiner Reise zu veröffentlichen. Bei der günstigen Aufnahme, die diese Mittheilungen allerorts fanden, folgte ihnen ein richtiger Band, der die gesammte Reise umfaßte, und unter dem Namen Edgar Poe's herauskam.

      Wie aus meinem Gespräche mit Kapitän Len Guy schon hervorging, stammte Arthur Gordon Pym aus Nantucket, wo er bis zum Alter von sechzehn Jahren die Schule von New-Bedford besuchte.

      Nach Vertauschung dieser Schule mit der Akademie von M. E. Ronald schloß er Freundschaft mit dem um zwei Jahre älteren Sohne eines Kauffahrerkapitäns, August Barnard. Dieser junge Mann hatte seinen Vater schon einmal auf einem Walfänger nach den südlichen Meeren begleitet und entzündete die Phantasie Arthur Pym's mächtig durch die Erzählungen von seiner Seefahrt.

      Der vertraute Verkehr der beiden jungen Leute erweckte offenbar

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