Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch. Ludwig Bechstein
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Читать онлайн книгу Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch - Ludwig Bechstein страница 17
her durch das Dorf und durch einen Tümpfel, wobei
er rief: »Jetzt geht's durch das Rote Meer!« dann
durch den Bach: »Jetzt geht's durch den Bach Kidron
«, dann durch die Schloßflur, allwo es kühl war:
»Jetzt geht's durch das Thai Josaphat«, dann zur
Treppe hinauf: »Dieses ist schon die Himmelsleiter«,
endlich hing er den Sack im Schornstein auf an einen
Haken, daran man die Schinken räuchert, machte darunter
einen ziemlichen Qualm und rief mit schrecklicher
Stimme: »Dieses ist das Fegefeuer! Dieses dauert
etwelche Jahre!« und machte sich fort. Da schrieen
Pfarrer und Schulmeister Zeter Mordio, daß das ganze
Hausgesinde zusammen lief. Der Meisterdieb aber
trat kecklich zum Edelmann: »Herr Pate, meine dritte
Probe ist auch gelöst. Pfarrer und Schulmeister hängen
im Schornstein, und so es Euch gefällig, könnt Ihr
sie selber zappeln sehen und schreien hören!« – »O
du Erzschalk und Erzgauner, du Erzbösewicht und
Meisterdieb aller Meisterdiebe!« rief der Edelmann
und gab gleich Befehl, jene aus dem Fegefeuer zu erlösen.
»Du hast mich überwunden, hebe dich von
dannen! Hier hast du ein Goldstück. Hebe dich von
dannen, komme mir nicht wieder vor Augen, und laß
dich für dein Geld henken, wo es dir gefällig ist.«
»Danke zum allerschönsten, gestrenger Herr Pate,
und will so tun!« antwortete der Spitzbub, »aber wollt
Ihr nicht die Pfänder auslösen, die ich redlich erworben
habe? Euer Leibroß mit zweihundert Kronen,
Eurer Gemahlin Trauring und das Tuch mit hundert
Kronen, des Pfarrers und Schulmeisters Geld mit hundertundzwanzig
Kronen! Wo nicht, so fahr ich damit
von dannen.« Den Edelmann rührte fast der Schlag; er
sprach: »Lieber Pate, das war ja alles nur ein Spaß,
du wirst diese Güter nicht an dir behalten wollen; ich
schenke dir ja das Leben.« – »Nun, so will ich gehen,
und Euch die Sachen alle herbringen!« sprach der
Meisterdieb; ging und ließ seinen Wagen anspannen,
seinen alten Vater und seine Mutter hineinsetzen,
setzte sich selbst auf des Edelmanns Roß, steckte den
prächtigen Ring an den Finger und schickte dem
Edelmann nur das Bettuch mit einem Brieflein, darin
stand: »Gebt dem Pfarrer und dem Schulmeister ihr
Geld zurück, sonst stiehlt Euch Eure Frau
Dero untertäniger Pate und Meisterdieb.«
Da bekam der Edelmann große Furcht, trug den Schaden
und wollte nichts mehr von seinem Paten wissen,
erfuhr auch nichts mehr von ihm, denn der war mit
seinen Eltern in ein fernes Land gezogen und ein ehrlicher
und angesehener Mann geworden.
Die verzauberte Prinzessin
Es war einmal ein armer Handwerksmann, der hatte
zwei Söhne, einen guten, der hieß Hans, und einen
bösen, der hieß Helmerich. Wie das aber wohl geht in
der Welt, der Vater hätte den bösen mehr lieb als den
guten.
Nun begab es sich, daß das Jahr einmal ein mehr
als gewöhnlich teures war und dem Meister der Beutel
leer ward. Ei! dachte er, man muß zu leben wissen.
Sind die Kunden doch so oft zu dir gekommen, nun
ist es an dir höflich zu sein und dich zu ihnen zu bemühen.
Gesagt getan. Früh morgens zog er aus und
klopfte an mancher stattlichen Tür; aber wie es sich
denn so trifft, daß die stattlichsten Herren nicht die
besten Zahler sind, die Rechnung zu bezahlen hatte
niemand Lust. So kam der Handwerksmann müde und
matt des Abends in seine Heimat und trübselig setzte
er sich vor die Türe der Schenke ganz allein, denn er
hatte weder das Herz mit den Zechgästen zu plaudern,
noch freute er sich sehr auf das lange Gesicht seines
Weibes. Aber wie er da saß in Gedanken versunken,
konnte er doch nicht lassen hinzuhören auf das Gespräch,
das drinnen geführt ward. Ein Fremder, der
eben aus der Hauptstadt angelangt war, erzählte, daß
die schöne Königstochter von einem bösen Zauberer
gefangen gesetzt sei und müsse im Kerker bleiben ihr
lebelang, wenn nicht jemand sich fände der die drei
Proben löste, welche der Zauberer gesetzt hatte.
Fände sich aber einer, so wäre die Prinzeß sein und
ihr ganzes herrliches Schloß mit all seinen Schätzen.
Das hörte der Meister an zuerst mit halbem Ohr, dann
mit dem ganzen und zuletzt mit allen beiden, denn er
dachte: mein Sohn Helmerich ist ein aufgeweckter
Kopf, der wohl den Ziegenbock barbieren möchte, so
das