Schön und ermordet: Zwei Kriminalromane. Alfred Bekker

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Schön und ermordet: Zwei Kriminalromane - Alfred Bekker Extra Spannung

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Tina.

      »Sie wiedersehen«, antwortete er im gleichen beiläufigen Tonfall.

      In ihren Augen erschien ein misstrauischer, feindseliger Ausdruck. »Warum?«, wollte sie wissen.

      Roth sah sich um. Drüben war das Polizeirevier 4, in dem man ihn gut kannte. Noch hatte er nichts zu befürchten, noch hatte er sich nicht unkorrekt verhalten. Er konnte auch morgen noch zu Tondorf gehen und ihm erklären, dass er die gesuchte Sigrid Wolf kannte, sehr gut kannte, dass er lange bei ihr ein- und ausgegangen war, dass sie ihre freien Tage und Nächte miteinander verbracht und sogar gemeinsam in Urlaub gefahren waren.

      »Gehen wir woanders hin«, sagte er unvermittelt.

      »He, he! Ich gehe nicht einfach so mit einem ...«

      »Hergelaufenen Kerl?«

      »Mit einem Bullen.« Sie nippte an ihrem Wein.

      Er nahm das Glas und schob es zurück, legte einen Geldschein auf den Tisch und fasste ihren Arm.

      »Sigrid wird gesucht«, sagte er nah an ihrem Ohr. Ihr Haar roch nach irgendwelchen Blüten.

      Sie sah ihn an, ihre Augen weiteten sich. »Im Mordfall Blume?« Sie flüsterte unwillkürlich.

      »Natürlich handelt es sich um den Mordfall Blume«, antwortete er gepresst. »Aber nicht so, wie Sie denken! Kommen Sie jetzt!«

      Es dämmerte bereits, als sie nebeneinander durch die Wallanlagen gingen. Tina hatte zunächst Abstand zu ihm gehalten und es vermieden, dass sie seine Schulter berührte. Jetzt schien es ihm, als ob sie seine Nähe suchte. Was an der einbrechenden Dunkelheit liegen mochte, und nicht daran, dass sie inzwischen Vertrauen zu ihm gefasst hatte. Denn ihre Stimme klang unverändert abweisend, sogar feindselig.

      Sigrid hatte lange genug mit Blume zusammengelebt, um von der Brisanz seiner Arbeit zu wissen. In mehreren Artikelfolgen hatte der Journalist die Existenz einer organisierten Kriminalität nachzuweisen versucht und dabei scharfe Angriffe gegen Polizei und Justiz geführt. In dem Zusammenhang hatte er sich auch nicht gescheut, Heinen beim Namen zu nennen und ihn als das zu bezeichnen, was er war — einen Verbrecher. Er hatte Fakten veröffentlicht, die der Polizei entweder gar nicht bekannt waren oder die sie aus juristischen Gründen oder aus Gründen des Datenschutzes nicht gegen Heinen verwenden durfte.

      Roth hatte Sigrids Aussage mit besonderer Sorgfalt studiert, nachdem die Ermittlungsakten der zuständigen Mordkommission bei der Soko Heinen gelandet waren.

      Demnach war Sigrid nur wenige Meter von Blumes Boot entfernt gewesen, als er umgebracht wurde, aber sie hatte schlicht erklärt, nichts und niemanden gesehen zu haben. Und auch auf andere Weise konnte sie nichts zur Aufhellung der Tat beitragen. Sie konnte nicht einmal angeben, ob der Nachlass des Journalisten vollständig war, ob nach dem Mord etwa Aufzeichnungen verschwunden waren oder ob an anderer Stelle Notizen, Tonbandprotokolle oder Dokumente existierten.

      Vermutlich hatte Blume sie auf den Fall der Fälle vorbereitet, und Sigrid war klug, das wusste Roth. Klug genug, sich an das zu halten, was Blume ihr eingeschärft haben mochte.

      Nichts wissen.

      Gar nichts.

      Ein Prozess gegen Heinen oder Figuren aus seinem Umkreis konnte mühelos verschleppt werden, und keine Polizei der Welt wäre imstande gewesen, eine Zeugin auf Dauer zu schützen.

      Auch Roth hätte ihr geraten, zu schweigen, besser noch, nichts zu wissen.

      Aber jetzt wurde sie gesucht ...

      »Sie sind nicht der Erste, der mich wegen Sigrid anquatscht«, sagte Tina.

      »Wer hat Sie angequatscht?«, fragte er alarmiert.

      »Irgendwelche Typen«, antwortete sie gleichmütig. »Freunde oder Bekannte von Sigrid. Ich kenne ihre Freunde nicht.«

      »Wie viele waren es, die nach ihr gefragt haben? Und wie sahen sie aus?«

      »Mann, Sie können einen nerven! Es waren zwei, glaube ich. Einer kam zweimal. Sah gut aus. Wie ein Sportler.«

      Roth musste sofort an Makowski denken, den Zuhälter, der in Heinens Hierarchie weit nach oben gekommen war.

      »Und der andere?«, fragte er.

      Sie hob unbehaglich die Schultern. »Blond, glaube, ja, blond. Nicht sehr groß, aber irgendwie unheimlich. Und brutal. Wie ... wie ein Fleischerhund.«

      Roth zog das Fahndungsfoto aus der Tasche. Unter einer Laterne zeigte er ihr Nelles' breiten Kopf mit den dichten hellen Brauen.

      »Ist er das?«

      Sie legte den Kopf schief und zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Schließlich nickte sie.

      »Ja, kann sein, ja ...«

      Er fasste sie an den Schultern und schüttelte sie.

      »Was denn nun?«, fuhr er sie ungeduldig an. »Ist er es? Oder ist er es nicht?«

      »Was fällt Ihnen ein!«, fauchte sie. Sie versuchte, sich aus seinem harten Griff zu befreien, aber er hielt sie fest.

      »Nach allem, was wir wissen, hat dieser Mann Blume umgebracht! Begreifen Sie jetzt? Sie hat ihn wahrscheinlich gesehen! Und sie muss etwas wissen, mehr, als sie damals ausgesagt hat! Und jetzt sind sie hinter ihr her!«

      »Wer soll hinter ihr her sein?«

      »Mein Gott, können Sie nicht einmal mit der dauernden Fragerei aufhören? Sie wird nicht von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft gesucht. Im Rahmen eines Strafprozesses kann auch der Anwalt den Aufenthaltsort einer Person feststellen lassen, wenn er vorgibt, die Aussage dieser Person im Interesse seines Mandanten zu benötigen. Da genügt ein Vorwand. Verstehen Sie jetzt?«

      »Aber wer ...?«

      »Sie fragen ja schon wieder! Ich wollte es vermeiden, dieser Frage nachzugehen. Irgendjemand könnte sich fragen, was mein Interesse an Sigrid ist.«

      »Und? Was ist Ihr Interesse?«

      Roth ließ sie endlich los. Er atmete tief durch. Im Schein der Laterne sah ihr Gesicht blass aus. Ihre Augen konnte er nicht erkennen.

      Was war sein Interesse? Diese Frage hatte er sich noch nicht gestellt. Sie war einmal seine Geliebte gewesen, doch das war längst vorbei, eine Erinnerung an eine Phase seines Lebens, die abgeschlossen war.

      Oder schien es nur so?

      Oder hatte ihn die Erkenntnis aufgeschreckt, dass sie zum Schweigen gebracht werden sollte?

      Wäre sie eine fremde Zeugin gewesen, hätte er den Vorwand dieses gerichtlichen Fahndungsersuchens gar nicht erkannt. Gräfes Gerede von einem Mann im Präsidium, der für Heinen arbeitete, war doch nicht ohne Wirkung auf ihn geblieben. Sonst wäre er zu Tondorf gegangen und hätte ihm von seinem Verdacht erzählt, dass Sigrid Wolf nur deshalb gesucht wurde, damit ein Killer sie in Heinens Auftrag für immer zum Schweigen bringen konnte.

      »Ich weiß es nicht«, sagte er ratlos. »Ich weiß nur, dass sie verloren ist ohne mich.«

      Sie

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