Demokratie macht Spaß!. Winfried Brinkmeier
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Hinsichtlich des Angriffs fordert unsere Verfassung, dass Soldaten lediglich im Verteidigungsfalle eingesetzt werden dürfen. Dies war jahrzehntelang Grundüberzeugung unserer bundesrepublikanischen Sicherheitspolitik. Aber die Einsätze von deutschen Soldaten gehen heutzutage darüber weit hinaus. Zum Beispiel, wenn sie in Afghanistan eingesetzt wurden. Es ist nicht ersichtlich, dass Afghanistan die Bundesrepublik Deutschland angegriffen hat; eine Kriegserklärung von Afghanistan gegenüber der Bundesrepublik Deutschland ist nicht bekannt. In der ehemaligen Reichshauptstadt Berlin werden die Begriffe mittlerweile wieder sehr großzügig ausgelegt, wenn sie die eigenen Positionen untermauern sollen. Nirgendwo wird so viel gelogen wie im Krieg; die Wahrheit kommt dabei zuerst unter die Räder. Man kann dies ausweiten: Nirgendwo wird so viel gelogen wie bei Diskussionen um militärische Einsätze.
Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan war von Anfang an falsch und konnte nicht zum Erfolg führen. Soldaten können nicht einen demokratischen Staat nach westlichem Muster herbeibomben und die Entwicklung von Jahrhunderten vergessen machen; dies überfordert ihre Möglichkeiten. Da ist stattdessen die Politik gefordert, so schwierig auch politische Lösungen sein mögen. Der Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan war den Bündnisverpflichtungen im Rahmen der Nato und den Machtgelüsten deutscher PolitikerInnen ebenso geschuldet wie dem internationalen Ansehen deutscher Politikern. Sie wollten wieder dabei sein beim internationalen Konzert der Weltmächte. Dafür gab es viele Tote. Der Preis war zu hoch. Wir können nicht die ganze Welt befrieden. In der Bonner Republik hatten wir vor Kriegseinsätzen Ruhe. Jetzt geht das Elend in Berlin wieder los; jetzt wird wieder der Versuch unternommen, das Kriegshandwerk salonfähig zu machen.
Denjenigen, die das Soldatenhandwerk ausüben, geht es in der Regel nur ums Geld. Der Wirtschaft geht es natürlich um ihre Absatzmärkte und damit auch wieder ums Geld (nicht ohne Grund ist Deutschland auf der Skala der internationalen Waffenlieferanten auf Platz 5). Der Soldatenberuf wird gut bezahlt. Schon früher sagte man: „Hast Du keinen Anzug mehr, geh zur Bundeswehr!“. Es sollte sich jeder gut überlegen, ob er sich im Rahmen einer Berufsarmee dafür zur Verfügung stellt. Menschen mit Kriegserfahrungen wie in Afghanistan kommen in ihrem Wesen verändert zurück und haben je nach Intensität ihrer Erlebnisse oftmals an posttraumatischen Belastungsstörungen zu leiden. In den Krieg zu ziehen, ist kein gemütlicher Spaziergang.
Hinsichtlich Afghanistan sei auf die Auffassungen von zwei Afghanistan-KennerInnen wie Jürgen Todenhöfer und Karla Schefter verwiesen. Der frühere CDU-Politiker Jürgen Todenhöfer (von dem SPD-Urgestein im Deutschen Bundestag Herbert Wehner in einer Parlamentssitzung einmal als „Herr Hodentöter“ verballhornt) hat sich ausgiebig mit Afghanistan beschäftig. Er war von Anfang an ein engagierter Gegner der US-amerikanischen Kriege in Afghanistan 2001 und im Irak 2003 und hat dies auch nachvollziehbar begründet (siehe Quellen 11). Auch von dem Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan hielt er nichts. Karla Schefter ist bereits seit 22 Jahren in Afghanistan. In seiner Sendung „Menschen der Woche“ (siehe Quellen 11) interviewte Frank Elsner sie Ende August 2012. Frau Schefter wies darauf hin, dass es in Afghanistan immer schlechter geworden ist im Laufe der Jahre. Die Förderungen in Afghanistan gingen immer mehr an den Menschen vorbei, sagte sie in dem Interview. Für das Militär habe man Geld, für Hilfsprojekte stünde kein Geld zur Verfügung. Frau Schefter hat 1993 das Bundesverdienstkreuz und 2004 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für ihr humanitäres Engagement erhalten.
Solche Experten über das Land Afghanistan fragt kein Mensch nach ihren Auffassungen und Erfahrungen. Die Amerikaner wollten den Krieg in Afghanistan, die anderen Mitgliedsländer der NATO sind ihnen nachgelaufen und haben sich beteiligt, darunter auch Deutschland. Wobei die Verpflichtungen in einem Bündnis wichtige Gründe auch für Deutschland waren, sich zu beteiligen. Weil die Beteiligung gegenseitig gilt und auch Deutschland im Notfall auf die Beteiligung des Bündnisses zu seiner Sicherung hoffen darf und diese Sicherung in der Vergangenheit auch erhalten hat. Aber letztendlich war alles war für die Katz in Afghanistan.
Die Älteren unter uns seien gemahnt: Erzählt den Jüngeren nicht mit Begeisterung vom Krieg. Dies müsste Eure Lebenserfahrung Euch verbieten. Krieg bedeutet unsägliches Chaos und Leid für die Menschen, bedeutet Zerstörung von Leben und Sachen, bedeutet unendliches Elend und führt zu einer Verkümmerung der Menschenseelen. Zu Beginn des 1. Weltkrieges sind die jungen Soldaten mit fröhlichen Liedern auf den Lippen in den Krieg gezogen. Wenn sie überhaupt zurück gekommen sind und nicht auf den Schlachtfeldern von Verdun niedergemetzelt wurden, sind sie innerlich zerstört und desillusioniert aus dem Krieg zurückgekehrt und hatten lange mit ihren Zerstörungen zu kämpfen. Auch sie litten unter posttraumatischen Belastungsstörungen; nur kannte man diesen Begriff damals noch nicht.
Mittlerweile wird seitens der Bundeswehr versucht, Soldaten mit Belastungsstörungen aufzufangen und ihnen notwendige Hilfe zukommen zu lassen. Der eingeladene Soldat Sedlatzek-Müller hat dafür jahrelang kämpfen müssen; die Bundeswehr hatte es ihm nicht leicht gemacht. Förderungen von Hilfen bei solchen schweren Störungen wurden lange Jahre abgelehnt. Erst in letzter Zeit hat ein Umdenkungsprozess eingesetzt. Insofern steht die Mehrheit der Gesellschaft durchaus hinter den Soldaten, wenn es um das Mitgefühl ihrer schwierigen Einsätze geht. Das Problem ist die verharmlosende Beschreibung ihrer Einsätze durch die Politik. Der Politik fehlt dabei der Mut zur Wahrheit. Dies ist ihr vorzuwerfen.
Wir sollten das Soldatentum nicht hochjubeln; dazu besteht kein Anlass. Machtgierige Politiker lassen andere Menschen ihre Haut zu Markte tragen und opfern ggf. auch deren Leben. „Gefallen auf dem Feld der Ehre“ – solche dummen und die Realität ausblendende Sprüche brauchen wir nicht mehr. Die Reise geht leider wieder in diese Richtung. Herr Meyer meinte, Soldaten erhielten zu wenig Anerkennung. Die Bundeswehr gerate immer mehr an den Rand der Gesellschaft. Das mag sein. Auch andere Berufsgruppen erhalten in dieser Gesellschaft nicht die Anerkennung, die sie eigentlich erhalten müssten. Zum Beispiel die im Gegensatz zu den Soldaten niedrig bezahlten Krankenschwestern und Krankenpfleger, die AltenpflegerInnen und viele andere mehr (Bundeswehrsoldaten in Afghanistan erhalten zusätzlich zu ihren Bezügen in Afghanistan 100 € täglich). Auch Krankenschwestern, Krankenpfleger, AltenpflegerInnen und viele andere mehr leisten eine wichtige Arbeit für unsere Gesellschaft, ohne enorme zusätzliche Tagessätze wie die Soldaten zu erhalten. Sich für diese Gruppen einzusetzen, erscheint sinnvoller als der Einsatz für Soldaten. Die Landsknechte bedürfen keiner besonderen Hervorhebung. Die erhalten genug Geld für ihre Auslandsleinsätze. Da kommen viele unter, die woanders keinen Job erhalten. Deswegen befinden sich darunter erstaunlich oft gescheiterte Existenzen, die meinen, sich so sanieren zu können (s. die Äußerung von Herrn Prof. Dr. Wolffssohn). Sie bedürfen keiner besonderen Erwähnung. Wir brauchen nicht wieder eine Prägung der Gesellschaft durch Soldaten. Solche Prägung hat in unserer Geschichte genug Elend verursacht. Wenn überhaupt notwendig, mögen Soldaten ein notwendiges Übel sein; mehr nicht.
In diesem Zusammenhang ist es auch überflüssig, einen Veteranentag einzurichten, wie dies der Bundesminister der Verteidigung vorgeschlagen hat. Wir bräuchten einen Anti-Kriegs-Tag; dieser wäre viel wichtiger. Sollte der Verteidigungsminister seinen Vorschlag des Veteranentages durchsetzen, so sei der Friedensbewegung geraten, einen Anti-Kriegs-Tag genau an diesem Tag auszurufen, damit dem Wahnsinn des Tötens gegengesteuert wird von Menschen, denen der Friede das Wichtigste ist.
Der Verteidigungsminister sagte, zu unseren Soldaten stünden wir alle. Das ist der Fall (siehe oben). Die Mehrheit der Bundesdeutschen hatte sich allerdings gegen den Einsatz von Soldaten in Afghanistan ausgesprochen. Und die Mehrheit ist auch heute noch gegen ihren Einsatz. Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, was notwendig ist und was nicht. Im Gegensatz zu den verantwortlichen PolitikerInnen hat die Mehrheit der Bevölkerung von Anfang an die Unsinnigkeit des Einsatzes deutscher Truppen in Afghanistan erkannt. Die Bevölkerung ist weiter als ihre Politiker. Dies ist für die Politiker das Problem. Deswegen fand eine Diskussion an diesem Abend statt.
Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass auch die Politik jetzt froh ist, wenn