Der singende Physiklehrer. Helmut Wolters

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Der singende Physiklehrer - Helmut Wolters

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der Zeit weiß ich noch nicht, dass 20 Jahre intensiver Zusammenarbeit vor uns liegen, die sich durch gegenseitige Wertschätzung auszeichneten. Vieles spricht für meinen Weg als Physiklehrer. Ob es ausreichen wird, als Lehrer zu bestehen und meine Vision zu verwirklichen, wird sich zeigen.

      Wo ich herkomme

      Die erste Grundmelodie

      Mein Vater Josef Wolters war im Januar 1944 als Major der Wehrmacht in Frankreich stationiert.

      Ich erblickte in Deggendorf das Licht der Welt. Meine Mutter erzählte, dass es draußen sehr kalt war.

      Meine Eltern hatten 1929 in der kleinen Stadt Uerdingen am Rhein ein Haus gebaut, das ich erst später kennenlernen sollte. Da es in Deggendorf vermeintlich sicherer war, hatte mein Vater uns vier (meine Mutter, meine Schwester, meinen Bruder und mich) bei Tante Leni, einer Verwandten meines Vaters, untergebracht.

      Als ich ungefähr ein Jahr alt war, unterhielt sich meine Mutter Karoline mit Tante Leni: “Du, Leni, hast du heute schon den Briefträger gesehen?” Nein, Karoline, er kommt doch immer erst um 12 Uhr. Was für einen Brief erwartest du denn?” “Na ja, der Josef hat sich schon zwei Monate nicht mehr gemeldet, und ich mache mir große Sorgen um sein Leben.” Leni: “ Mei was klagst du denn, der Maria ihrer hat sich schon drei Monate nicht mehr gemeldet und von der Ruath der, da hat die Ruath erst nach einem halben Jahr erfahren, dass er gefallen ist. Da geht es dir doch noch gut.”

      Die Angst meiner Mutter um das Leben meines Vaters, um ihr Leben und das ihrer Kinder habe ich wie mit der Muttermilch eingesogen. Angst blieb eine Grundmelodie in meinem Leben. Aber es gab noch andere Melodien. Wie greifen sie ineinander zu meinem Lebenslied?

      Uerdingen, den 24.2.1954

      Zehn Jahre später. Mein Vater hatte den Krieg wie auch seine mehrere Monate währende Flucht aus dem Berliner Raum nach Deggendorf, körperlich unbeschadet und mit viel Glück überlebt. Er hatte sich seine alte Stelle als Leiter der Kassenärtztlichen Vereinigung Duisburg wieder erkämpft, so dass die Zeiten des Mangels an Essbarem und auch an Geld langsam zu Ende gingen. Die Lok des Wirtschaftswunders nahm Fahrt auf, ich kam in die Volksschule und nach vier Jahren ging es für mich darum, wie meine schulische Laufbahn weitergeht. Wenn ich gefragt worden wäre, hätte ich gesagt:” Ich bleibe auf der Volksschule und werde danach Schreiner.” Denn ich mochte den Geruch von Holz, hatte es mit Vergnügen in meinen Händen und bastelte oft damit.

      Doch mein Vater hatte andere Pläne mit mir. Er war ganz klar der Chef der Familie, ein Patriarch alter Schule, der seine Familie mit strenger Hand führte, der - preußisch erzogen - zehn Jahre lang als Soldat diente und beide Weltkriege mit Glück überlebt hatte. Er wollte für mich seinen jüngsten Sohn eine akademische Ausbildung organisieren. Deshalb sollte ich auf das Gymnasium gehen und als Erster und Einziger der Familie Abitur machen. Diesem Ziel meines Vaters ordnete ich mich unter, wie es sich für einen gehorsamen Sohn, der ich ohne Zweifel war, gehörte.

      Als Zehnjähriger stehe ich vor dem roten Backsteinbau, Lyzeum Uerdingen. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch gehe ich die Treppe hinauf und durch die quietschende Glastüre in eine große Eingangshalle. Es riecht nach Bohnerwachs. Anspannung ist in mir. Meine Gedanken kreisen um ein Thema: Hoffentlich packe ich die Prüfung. Werde ich es schaffen? Mein Volksschullehrer Dr. Abel glaubte an mich. Er riet meinen Eltern: „Melden sie den Jungen am Gymnasium an, der schafft das.“ Was wird mein Vater sagen, wenn ich es nicht schaffe?

      Ich frage mich, wo er wohl sein mag, der Raum, in dem die Aufnahmeprüfung stattfinden soll. Keine Hinweisschilder, nichts. Doch da hinten sehe ich eine geöffnete Türe, da wird es sein. Ich gehe in den Raum hinein. Viele Schüler meines Alters ca. 60 an der Zahl sitzen dort an Einzeltischen und warten auf das Aufnahmeritual, das jedes Jahr hier abläuft. Nur die Besten eines Jahrganges sind eingeladen. Die anderen landen auf der Volksschule, wie diese Schulform damals hieß.

      Ein Lehrer raunzt mich unfreundlich an:“ Steh nicht so rum, setz dich da an den Tisch.“ Ich folge seiner Anweisung und bald geht sie los die Prüfung. Ich kann mich heute nicht mehr an die Aufgaben erinnern, wohl noch an die Erleichterung, als ich es geschafft hatte. Die Gefühle klangen allmählich ab und der Alltag kehrte ein. Nach dieser glücklich bestandenen Prüfung begann die mühsame Reise durch meine Gymnasialzeit. Was machte die Schule aus mir? Auf welchen Weg führte mich dieser Ritt durch die Gymnasialzeit?

      Warum ich kein Lehrer werden wollte

      Uerdingen, den 21.2.1963

      Nach neun langen Jahren stand ich nach bestandenem Abitur da und wusste, dass ich eines nicht werden wollte, nämlich Lehrer.

      Dies hatte mehrere Gründe. Ich erfuhr meine Schule zuallererst als autoritär, es ging dort um Unterordnung und Gehorsam. Schläge von den Lehrern gab es auch hin und wieder; natürlich nur zu unserem Besten.

      Außerdem war meine Schule elitär. Es ging auch um gesellschaftlichen Aufstieg und darum, zur Eliteschicht zu gehören. Für mich war meine Schule kein Ort, an den ich gerne zurückdenke. Zur Ehrenrettung muss jedoch gesagt werden, dass ich einige richtig gute Lehrer hatte, an die ich mich auch heute noch mit Respekt und Hochachtung erinnere.

      Ich hatte auf dieser Schule Lernen als etwas erlebt, das wenig Freude macht, das viel Mühe und Anstrengung kostet. Und ich hatte verinnerlicht, dass Lernen mit Erfolgsdruck verbunden ist. Immerzu diese Angst im Nacken, zu versagen, nicht gut genug zu sein, mangelhaft zu sein, zu viele Mängel zu haben, ausgesiebt, ausgelesen zu werden. Und das hätte ich dann meinem Vater beibringen müssen. Ein Alptraum. Eine Katastrophe. Dann wollte ich mich lieber anstrengen und noch mehr anstrengen, auch wenn es alles so sinnlos erschien. Denn ich fragte mich tatsächlich immer wieder: Wozu das alles? Wozu brauche ich all dieses Zeugs. Diese Hamstermethode des Lernens auf Vorrat, um im Winter des Lebens, um in der Winterzeit gerüstet zu sein, leuchtete mir nicht ein. Ich fühlte mich gezwungen, ich erfüllte gehorsam meine Pflicht und machte das Beste daraus. Die Frage, wozu das alles, blieb eine ungelöste Preisfrage meiner Schulzeit.

      Dass Lernen auch im Flow möglich ist, dass es Freude machen und dass es mit Begeisterung einhergehen kann, war mir damals ein fremder Gedanke.

      Ich fand zu dieser Zeit die Idee absurd, einem solchen System als Lehrer zu dienen. Ich wählte einen anderen Pfad als das Lehren.

      Vom Forscher zum Lehrer

      Physik studieren

      Nach dem Abitur war klar, dass ich studieren wollte. Drei Möglichkeiten standen mir zur Auswahl: Germanistik, Musik, Physik. Ich entschied mich im Sinne meines Vaters für das Handfesteste, die Physik. War es auch meine tiefste Wahl? Es zog mich nach Aachen an die RWTH zum Studium.

      Ich sehe mich als Neunzehnjährigen wieder vor einem für mich wichtigen Bau, dem Hauptgebäude der RWTH Aachen, stehen. Ich bin angespannt. Wird alles klappen. Ich will mich einschreiben, wie es so schön heißt.

      Ich gehe die Treppe hoch ins Sekretariat hinein. Es ist völlig überfüllt. Eine unfreundliche Sekretärin drückt mir zahlreiche Formulare in die Hand und sagt kurz:“ Ausfüllen!“ Als ich alles ausgefüllt und abgegeben habe, prüft die Sekretärin die von mir ausgefüllten Formulare und - hurra, der orangefarbene Studentenausweis ist meiner.

      Ich war begeistert und konnte mit dem Studieren der Physik loslegen.

      Der Start ist hart

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