Joseph Conrad - Seefahrer und Schriftsteller. Joseph Conrad

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Joseph Conrad - Seefahrer und Schriftsteller - Joseph Conrad

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wie Geister längsseits geschlichen und machten mir unten vom Kai aus mit geheimnisvoller Stimme unverständliche Vorschläge. Auch die Droschkenkutscher, die zweimal wöchentlich an den Abenden, wenn der A. S. N.-Passagierdampfer fällig war, gegenüber dem Schiff ein Bataillon leuchtender Laternen aufziehen ließen, waren auf ihre Weise recht unterhaltsam. Sie kletterten von ihren Böcken herunter und erzählten einander in der urwüchsigsten Sprache zweideutige Geschichten, von denen jedes einzelne Wort klar und deutlich über die Verschanzung zu mir her drang, der rauchend auf der Großluke saß. Bei einer Gelegenheit erlebte ich eine höchst geistvolle Unterhaltung von über einer Stunde Dauer, und zwar mit einer Person, die ich nicht deutlich erkennen konnte, einem Gentleman aus England, wie er mit kultivierter Stimme sagte; ich stand an Deck, und er saß auf einer Klavierkiste (die wir gerade am Nachmittag aus unserem Laderaum an den Kai gegeben hatten) und rauchte eine Zigarre, die sehr gut roch. Wir berührten in unserem Gespräch die Physik, Politik, die Naturwissenschaften und Opernsänger. Dann, nachdem er etwas unvermittelt bemerkt hatte: „Sie scheinen ganz intelligent zu sein, lieber Mann“, teilte er mir geradeheraus mit, sein Name wäre Mr. Senior, und ging weg – in sein Hotel, vermute ich. Schatten, Schatten! Ich meine einen weißen Backenbart gesehen zu haben, als er sich unter der Laterne umwandte. Es gibt mir einen innerlichen Stoß, wenn ich daran denke, dass er nach dem natürlichen Lauf der Dinge nun wohl schon tot sein muss. Gegen seine Intelligenz war nichts einzuwenden, außer einem kleinen bisschen Dogmatismus vielleicht. Und sein Name war Senior! Mr. Senior!

      Die Stellung hatte aber auch ihre Nachteile. Als ich in einer winterlichen, stürmischen, finsteren Julinacht schläfrig in der Ecke beim Heckaufbau stand, um vorm Regen geschützt zu sein, kam etwas übers Fallreep gestürzt, das Ähnlichkeit mit einem Strauß hatte. Ich sage Strauß, weil das Geschöpf, obwohl es auf zwei Beinen lief, seiner Vorwärtsbewegung durch ein Paar kurze, schlagende Flügel nachzuhelfen schien; es war jedoch ein Mann, und er sah nur durch seinen Rock, der hinten aufgeschlitzt war und in zwei Hälften um seine Schultern flatterte, so geisterhaft und vogelartig aus. Ich vermute jedenfalls, dass es sein Rock war, denn es war unmöglich, ihn genau auszumachen. Wie er es fertigbrachte, schnell und ohne auf dem fremden Deck zu stolpern spornstreichs zu mir herzu­kommen, ist mir ein Rätsel. Er musste im Dunkeln besser sehen können als eine Katze. Während er noch keuchte, überstürzte er mich mit der flehentlichen Bitte, ihn bis zum nächsten Morgen in unserem Logis unterkommen zu lassen. Ich schlug seine Bitte meinen strengen Vorschriften gemäß ab, zuerst ruhig und dann, als er mit wachsender Frechheit darauf bestand, in strengerem Tone.

      „Um Gottes willen, lassen Sie mich rein, Stüermann! Es sind welche hinter mir her – ich hab ’ne Uhr geschnappt.“

      „Sie gehen hier runter“, sagte ich.

      „Ha’m Se doch’n bisschen Mitleid mit’n armen Kerl, Meister“, jammerte er kläglich.

      „Los jetzt, sofort an Land! Hören Sie nicht?“

      Schweigen. Er schien sich stumm zu winden, als wären ihm vor Kummer alle Worte abhanden gekommen; dann – peng! gab es eine Erschütterung und einen großen Lichtblitz, in dem er verschwand, und ich lag platt auf dem Rücken und hatte das fürchterlichste blaue Auge, an das man bei treuer Erfüllung seiner Pflicht geraten kann. Schatten, Schatten! Ich hoffe, er ist den Feinden entkommen, vor denen er floh, und lebt und gedeiht bis auf den heutigen Tag. Aber er hatte eine ungewöhnlich harte Faust und konnte im Dunkeln wunderbar genau zielen.

      Ich machte auch noch andere Erfahrungen, die meisten waren weniger schmerzhaft und spaßiger, eines zeitigte geradezu dramatische Verwicklungen, aber die wichtigste Erfahrung von allen war Mr. B..., unser Obersteuermann selbst.

      Er ging jeden Abend an Land, um in der Gaststube irgendeines Hotels mit seinem Busenfreunde, dem Obersteuermann der Bark „CICERO“, die an der anderen Seite des Circular Quay lag, zusammenzukommen. Spät in der Nacht hörte ich dann von weitem ihre lauten Stimmen in endloser Diskussion und ihre stolpernden Schritte. Der Obersteuermann der CICERO gab seinem Freunde bis zum Schiff das Geleit. Sie setzten am Landende unseres Fallreeps ihren sinnlosen und verworrenen Disput ungefähr eine halbe Stunde im Tone engster Freundschaft fort, und dann hörte ich, wie Mr. B... darauf bestand, den anderen an Bord seines Schiffes zu begleiten. Und fort ging es, ihre Stimmen wanderten weiterhin in übermäßig freundschaftlicher Unterhaltung rund um den Hafen herum. Es geschah mehr als einmal, dass sie so den Weg drei- oder viermal zurücklegten, indem jeder den anderen aus reiner, uneigennütziger Zuneigung zu seinem Schiff begleitete. Dann brachten sie es vor lauter Müdigkeit oder in einem Vergesslichkeitsanfall irgendwie fertig, sich voneinander zu trennen, und bald darauf knarrten und bogen sich die Planken unseres langen Fallreeps unter dem Gewicht Mr. B...s, der nun endgültig an Bord kam.

      Auf der Höhe des Schanzkleides blieb die untersetzte Gestalt gewöhnlich stehen und schwankte ein wenig hin und her.

      „Wachmann!“

      „Sir.“

      Eine Pause.

      Ehe er sich an die drei Binnenbordstufen zwischen der Monkeyreling und dem Deck heranmachte, wartete er einen Augenblick ab, in dem er seines Gleichgewichts sicher war; der Wachmann war durch Erfahrung klug geworden und unterließ es, in dieser besonderen Phase der Rückkehr seine Hilfe anzubieten – sie wäre nämlich als Beleidigung aufgefasst worden. Aber ich habe viele Male um sein Genick gezittert. Er war ein schwerer Mann.

      Dann ein Anlauf und ein Aufpoltern, und es war geschehen. Er fiel niemals hin, aber er benötigte doch eine runde Minute, um sich nach dem Abstieg wieder zu sammeln.

      „Wachmann!“

      „Sir.“

      „Kapitän an Bord?“

      „Ja, Sir.“

      Pause.

      „Hund an Bord?“

      „Ja, Sir.“

      Pause.

      Unser Hund war ein mageres, unerfreuliches Vieh, eher ein heruntergekommener Wolf als ein Hund, und ich habe nie bemerkt, dass Mr. B... sonst zu irgendeiner anderen Zeit auch nur die geringste Teilnahme für das Tun und Lassen des Tieres gezeigt hätte. Aber diese Frage blieb nie aus.

      „Geben Sie mir Ihren Arm, und bringen Sie mich längs.“

      Auf dieses Ersuchen war ich immer vorbereitet. Er stützte sich schwer auf mich, bis wir so nahe an die Kabinentür gekommen waren, dass er die Klinke zu fassen kriegen konnte.

      „So, das genügt. Jetzt kann ich schon klarkommen.“

      Und er kam klar. Er kam damit klar, den Weg in seine Kabine zu finden, die Lampe anzustecken, in die Koje zu klettern – jawohl, und auch wieder aus ihr heraus, wenn ich ihn um halb sechs weckte. Er war der Erste an Deck, er hob seine Tasse Morgenkaffee mit vollkommen ruhiger Hand an die Lippen und stand für seinen Dienst bereit, als hätte er tugendhaft zehn gediegene Stunden lang fest geschlafen, ein besserer Obersteuermann als mancher andere, der nie in seinem Leben Grog geschmeckt hat. Er konnte mit alledem klarkommen, womit er aber niemals klarkommen konnte, das war, im Leben vorwärtszukommen.

      Nur einmal geschah es, dass er die Klinke der Kabinentür nicht beim ersten Zugreifen packte. Er wartete ein wenig, versuchte es noch einmal und verfehlte sie wieder. Sein Gewicht lastete immer schwerer auf meinem Arme. Er seufzte auf.

      „Verdammte Klinke!“

      Er drehte sich um, ohne mich loszulassen, sein Gesicht war vom Vollmond taghell beleuchtet.

      „Ich wollte,

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