Joseph Conrad - Seefahrer und Schriftsteller. Joseph Conrad

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Joseph Conrad - Seefahrer und Schriftsteller - Joseph Conrad

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standen mit dem Gesicht zum Heck.

      „Was sollen wir tun?“ fragte ich entsetzt. „Nichts. Schweigen! Seien Sie ein Mann, Signorino.“

      „Was sonst?“ sagte ich.

      Um ihm zu zeigen, dass ich ein Mann sein konnte, beschloss ich, keinen Ton zu sagen, solange Dominic selbst die Kraft hatte, seine Lippen geschlossen zu halten. Für manche Lagen schickt sich nur Schweigen. Überdies schien die Gewissheit des Verrats eine hoffnungslose Müdigkeit über meine Gedanken und Sinne zu breiten. Eine Stunde oder länger sahen wir zu, wie unser Verfolger aus den Böen heraus, die ihn manchmal vollkommen verschluckten, näher und näher heranstampfte. Aber selbst wenn wir das Schiff nicht sahen, fühlten wir es wie ein Messer an der Kehle. Es holte zusehends auf. Und die TREMOLINO schwebte in viel glatterem Wasser unter ihrem einen Segel leicht vor dem heftigen Winde dahin; in der jubelnden Freiheit ihrer Bewegungen lag eine ergreifende Sorglosigkeit. Eine weitere halbe Stunde verging. Ich hielt es nicht mehr aus.

      „Sie werden unser armes Schiff fangen“, stammelte ich plötzlich, den Tränen nahe.

      Dominic rührte sich so wenig, als wäre er aus Holz geschnitzt. Ein Gefühl grauenhafter Einsamkeit befiel meine unerfahrene Seele. Das Bild meiner Gefährten stieg vor mir auf. Die ganze Royalistengesellschaft war jetzt wohl in Monte Carlo. Und sie erschienen mir mit gezierten Stimmen und steifen Bewegungen klar und deutlich und sehr klein wie eine Prozession starrer Marionetten auf einer Puppenbühne. Ich schrak auf. Was war das? Aus dem Inneren der reglosen schwarzen Kapuze neben mir stieg ein geheimnisvolles, unbarmherziges Flüstern.

      „Il faut la tuer.“

      Ich hörte es genau.

      „Was sagen Sie, Dominic?“ fragte ich, wobei sich nur meine Lippen bewegten.

      Und das Flüstern im Innern der Kapuze wiederholte geheimnisvoll: „Sie muss sterben.“

      Mein Herz begann heftig zu klopfen.

      „Ja“, sagte ich mit ersterbender Stimme. „Aber wie?“

      „Sie lieben sie sehr?“

      „Ja.“

      „Dann müssen Sie auch den Mut dazu aufbringen. Sie steuern, und ich sorge dafür, dass sie schnell stirbt und dass kein Splitter von ihr übrigbleibt.“

      „Können Sie das?“ murmelte ich und war ganz gebannt von der schwarzen Kapuze, die sich so reglos über das Heck neigte, als stünde sie in unerlaubter Verbindung mit diesem alten Meer der Sänger, Sklavenhändler, Verbannten und Krieger, dem Meer der Sagen und Schrecknisse, auf dem die Schiffsleute des fernen Altertums den ruhelosen Schatten eines alten Wanderers im Dunkeln laut weinen hörten.

      „Ich weiß einen Felsen“, flüsterte heimlich die wissende Stimme in der Kapuze. „Aber – Vorsicht! Es muss vorbei sein, ehe unsere Leute merken, was wir vorhaben. Wem können wir jetzt noch trauen? Ein Messerschnitt durch das Fockfall würde die Fock von oben holen und uns binnen zwanzig Minuten um die Freiheit bringen. Und sogar unsere besten Leute könnten Angst vorm Ertrinken haben. Da ist noch das kleine Boot, aber bei einer Sache wie dieser hier kann niemand wissen, ob er gerettet wird.“

      Die Stimme brach ab. Als wir von Barcelona absegelten, hatten wir das Dingi im Schlepp; nachher war es zu gewagt, es hereinzuholen, darum hatten wir es am Ende einer tröstlich langen Leine sein Glück mit den Seen versuchen lassen. Manchmal schien es uns schon gänzlich begraben zu sein, aber immer wieder sahen wir es über einer Woge auftauchen und so fröhlich und heil wie immer dahinhüpfen.

      „Ich verstehe“, sagte ich langsam. „Sehr gut, Dominic. Wann?“

      „Noch nicht. Wir müssen zuerst etwas tiefer hinein“, antwortete die Stimme aus der Kapuze in geisterhaftem Geflüster.

      Es war abgemacht. Jetzt hatte ich den Mut, mich umzudrehen. Unsere Leute kauerten mit unruhigen, niedergeschlagenen Gesichtern hier und da an Deck, und alle waren sie unserem Verfolger zugekehrt. Zum ersten Mal an diesem Morgen nahm ich auch Cesar wahr, der sich in voller Länge beim Fockmast auf dem Deck ausgestreckt hatte, und ich überlegte, wo er sich wohl bis jetzt herumgedrückt haben mochte. Aber er hätte wahrhaftig die ganze Zeit neben mir stehen können, und ich wäre seiner doch nicht bewusst geworden. Wir waren zu sehr in unserem Verhängnis aufgegangen, als dass wir noch Aufmerksamkeit füreinander aufgebracht hätten. Niemand hatte an diesem Morgen etwas gegessen, aber die Leute waren ständig zum Trinken ans Wasserfass gekommen.

      Ich lief hinunter in die Kabine. Ich verwahrte dort in einer abgeschlossenen Schublade zehntausend Franken in Gold, deren Vorhandensein an Bord, soviel ich wusste, außer Dominic keine Seele im Geringsten ahnte. Als ich wieder an Deck kam, hatte Dominic seine Stellung verändert und schaute unter seiner Kapuze heraus suchend auf die Küste. Kap Creus begrenzte voraus die Sicht. An Backbordseite lag eine weite Bucht; die wütenden Böen hatten ihr Wasser aufgerissen und zerwühlt, es sah aus, als wäre sie voller Rauch. Achteraus zog es am Himmel drohend herauf.

      Sowie er mich sah, erkundigte sich Dominic in gelassenem Tone, was geschehen wäre. Ich kam dicht zu ihm, machte ein möglichst unbeteiligtes Gesicht und brachte ihm mit gedämpfter Stimme bei, die Schublade wäre aufgebrochen und der Geldgürtel fort. Gestern Abend war er noch da.

      Er zitterte heftig. „Was wollten Sie damit?“ fragte er.

      „Ihn umschnallen natürlich“, antwortete ich und erschrak, als ich seine Zähne schnattern hörte.

      „Verfluchtes Gold“, murmelte er. „Das Gewicht hätte Sie vielleicht Ihr Leben gekostet.“ Er schauderte. „Wir haben keine Zeit, jetzt darüber zu reden.“

      „Ich hin fertig.“

      „Noch nicht. Ich warte, dass diese Bö heraufkommt“, flüsterte er. Und einige träge Minuten vergingen.

      Schließlich zog die Bö herauf. Unser Verfolger wurde von einem finsteren Wirbelwind überrumpelt und geriet außer Sicht. Die TREMOLINO bebte und hüpfte voran. Das Land voraus verschwand ebenfalls, und wir schienen in einer Welt aus Wasser und Wind alleingelassen zu sein.

      „Prenez la barre, Monsieur“, brach Dominic plötzlich mit rauer Stimme das Schweigen. „Übernehmen Sie die Pinne.“ Er beugte seine Kapuze an mein Ohr. „Die Balancelle gehört Ihnen. Von Ihrer Hand muss der Schlag kommen. Ich – ich habe noch ein anderes Stück Arbeit zu tun.“ Laut sagte er zu dem Mann, der steuerte: „Lass den Signorino die Pinne nehmen und halte du dich mit den anderen bereit, aufs Wort das Boot längsseit zu holen.“

      Der Mann war überrascht, gehorchte aber stumm. Die anderen gerieten in Bewegung und spitzten die Ohren. Ich hörte sie flüstern: „Was nun? Wollen wir irgendwo an Land gehen und ausreißen? Der Padrone weiß, was er tut.“

      Dominic ging nach vorn. Er hielt inne, um auf Cesar herabzusehen, der, wie ich schon sagte, lang ausgestreckt mit dem Gesicht nach unten beim Fockmast lag; dann trat er über ihn weg und verschwand unter der Fock. Nach vorne sah ich nichts. Es war für mich unmöglich, außer der offenen, stillen Fock, der großen schattenvollen Schwinge, irgendetwas zu sehen. Aber Dominic hatte seine Peilung. In einem eben vernehmlichen Ruf kam seine Stimme zu mir: „Jetzt, Signorino!“

      Ich legte die Pinne über, wie er es mir vorher gesagt hatte. Noch einmal hörte ich ihn schwach, und dann brauchte ich nur noch geraden Kurs zu halten. Kein Schiff ist seinem Tode so freudig entgegengelaufen. Es hob sich und sank, als segelte es ins Nichts, und schoss schwirrend wie ein Pfeil

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