Joseph Conrad - Seefahrer und Schriftsteller. Joseph Conrad

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Joseph Conrad - Seefahrer und Schriftsteller - Joseph Conrad

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– es war im alten Hafen, gerade vor TREVOLINOs letzter Reise – verschwand er zu meiner tiefsten Bestürzung über Bord. Dominic und ich hatten achtern unsere Angelegenheiten besprochen, und Cesar war hinter uns her geschlichen, um zu lauschen, denn zu seinen anderen Vorzügen war er auch noch ein vollendeter Horcher und Spion. Beim Geräusch des schweren Plumpses wurzelte der Schreck mich auf der Stelle fest, aber Dominic trat ruhig an die Verschanzung, sah hinüber und wartete darauf, dass der erbärmliche Kopf seines Neffen zum ersten Mal wieder auftauchen würde.

      „Ohe, Cesar!“ rief er dem platschenden Wicht verächtlich zu. „Halte dich an der Trosse fest – charogne!“ (Aas)

      Er kam zu mir her, um die unterbrochene Besprechung wiederaufzunehmen.

      „Und Cesar?“ fragte ich besorgt.

      „Canallia! Lass ihn da hängen bleiben“, war seine Antwort. Und er sprach ruhig über das bevorstehende Unternehmen weiter, während ich vergebens versuchte, aus meinem Gemüt das Bild Cesars zu verbannen, wie er bis ans Kinn im Wasser des alten Hafens lag, diesem Absud aus jahrhundertealten Schiffsabfällen. Nach einer Weile rief Dominic einen Jollenführer an, der nichts zu tun hatte, und beauf­tragte ihn, seinen Neffen herauszufischen; und bald darauf erschien Cesar über den Kai an Bord. Er zitterte und troff von schmutzigem Wasser, in seinen Haaren hatten sich verfaulte Strohhalme verfangen, und auf seiner Schulter war ein Stück dreckige Apfelsinenschale gelandet. Seine Zähne klapperten, seine gelben Augen schielten unheilvoll zu uns herüber, als er nach vorne ging. Ich hielt es für meine Pflicht, Einspruch zu erheben.

      Ich fragte: „Warum prügeln Sie immer auf ihm herum, Dominic?“ Wirklich, ich war fest davon überzeugt, dass es keinen Zweck hatte – es war reine Kraftverschwendung.

      „Ich muss versuchen, aus ihm einen Mann zu machen“, antwortete Dominic hoffnungslos.

      Ich unterdrückte die einleuchtende Entgegnung, dass er auf diese Weise Gefahr liefe, aus ihm, nach den Worten des unsterblichen Mr. Mantalini, „einen verdammt nassen, unguten Leichnam“ zu machen.

      „Er will Schlosser werden!“ platzte Cervoni heraus. „Um zu lernen, wie man Schlösser mit dem Dietrich knackt, vermute ich“, fügte er mit sardonischer Bitterkeit hinzu.

      „Und warum soll er nicht Schlosser werden?“ wagte ich zu fragen.

      „Wer wollte ihn in die Lehre nehmen?“ rief er. „Wo sollte ich ihn unterbringen?“ fragte er mit leiserer Stimme, und ich sah zum ersten Mal in meinem Leben echte Verzweiflung. „Sie wissen, er stiehlt, ach! Par la madoniae! (Mit Madonna) Ich glaube, er könnte Gift in Ihr und mein Essen tun – die Viper!“

      Er hob sein Antlitz und beide ineinandergeklammerten Hände langsam gegen den Himmel. Cesar tat jedoch niemals Gift in unsere Tassen. Man kann es nicht genau wissen, aber ich glaube, er ging auf andere Weise zu Werke.

      Auf der nächsten Reise, deren nähere Umstände nicht erzählt zu werden brauchen, mussten wir aus verschiedenen Gründen weit in See hinaus segeln. Als wir von Süden heraufkamen, um sie mit dem wichtigeren und wirklich gefährlichen Teil des vorgesehenen Planes abzuschließen, fanden wir es richtig, um einer bestimmten Information willen Barcelona anzulaufen. Das macht den Eindruck, als steckte jemand seinen Kopf so recht in den Rachen des Löwen, aber so war es in Wirklichkeit nicht. Wir hatten dort ein oder zwei hohe, einflussreiche und viele andere niedrige und dennoch wertvolle Freunde für gutes, hartes Geld gekauft. Wir liefen keine Gefahr, belästigt zu werden, und wirklich, die wichtige Information ließ nicht auf sich warten, sie erreichte uns durch einen Zollbeamten, der zu uns an Bord kam, um voll gespielten Eifers mit einem Eisenstab in der Apfelsinenschicht herumzustochern, die in der Luke den sichtbaren Teil unserer Ladung ausmachte.

      Ich vergaß, vorhin zu erwähnen, dass die TREMOLINO offiziell als Frucht- und Korkholzfahrer galt. Der eifrige Beamte ließ beim Anlandgehen ein nützliches Stück Papier in Dominics Hand gleiten, und als er wenige Stunden später mit seinem Dienst fertig war, kam er durstig nach Getränken und Erkenntlichkeit an Bord zurück. Beides wurde ihm selbstverständlich zuteil. Während er in der kleinen Kabine saß und seinen Likör schlürfte, setzte ihm Dominic mit Fragen nach den derzeitigen Standorten der Guardacostas zu. Mit dem Küstendienst hatten wir sehr zu rechnen, und es war für unseren Erfolg wie für unsere Sicherheit wesentlich, die genaue Position des in unserer Nachbarschaft auf Streifendienst befindlichen Fahrzeuges zu kennen. Die Nachrichten hätten nicht günstiger sein können. Der Beamte nannte einen kleinen, zwölf Meilen entfernten Küstenort, wo es ahnungslos und unvorbereitet mit abgeschlagenen Segeln vor Anker lag, um seine Rahen zu malen und seine Spieren abzukratzen. Dann verließ er uns mit den üblichen Ehrenbezeugungen, wobei er uns zur Beruhigung über die Schulter anschmunzelte.

      Ich war aus übermäßiger Vorsicht den ganzen Tag unten geblieben. Der Einsatz, um den es auf dieser Reise ging, war sehr groß.

      „Wir könnten sofort abfahren, wenn nicht Cesar wäre. Seit dem Frühstück ist er verschwunden“, verkündigte mir Dominic auf seine langsame, grimmige Art.

      Warum der Bursche fortgegangen war und wohin, konnten wir uns nicht vorstellen. Alle Vermutungen, die beim Ausbleiben eines Seemanns gewöhnlich angestellt werden, passten nicht auf Cesar. Er war viel zu widerwärtig für Liebe, Freundschaft, Spiel oder auch nur eine Zufallsbegegnung. Aber er war schon früher ein- oder zweimal auf dieselbe Weise fortgegangen.

      Dominic ging an Land, um ihn zu suchen, kam aber nach zwei Stunden allein zurück. Ich erkannte an dem verschärften unsichtbaren Lächeln unter seinem Schnurrbart, dass er sehr zornig war. Wir überlegten, was aus dem Kerl nur geworden sein könnte, und suchten auch eilends unsere Habe durch. Gestohlen hatte er nichts.

      „Er wird schon bald wieder da sein“, sagte ich zuversichtlich.

      Zehn Minuten später rief einer der Leute an Deck laut: „Er kommt!“

      Cesar hatte nur Hemd und Hose an. Er hatte seine Jacke verkauft, wahrscheinlich um Taschengeld zu haben.

      „Du Schurke!“ sagte Dominic nur; seine Stimme war dabei fürchterlich mild. „Wo bist du Vagabund gewesen?“ fragte er drohend.

      Nichts hätte Cesar zwingen können, diese Frage zu beantworten. Er verzichtete sogar darauf, zu lügen. Er stand uns gegenüber, zog die Lippe hoch, knirschte mit den Zähnen und wich um keinen Zoll vor Dominics Arm zurück. Natürlich ging er wie erschossen zu Boden. Aber diesmal bemerkte ich, dass er beim Aufstehen länger als sonst auf allen Vieren blieb, seine großen Zähne fletschte und mit einer neuen Art von Hass in den runden, gelben Augen zu seinem Enkel aufstierte. Dieses stetige Gefühl schien in diesem Augenblick durch besondere Bosheit und Neugier eine neue Schärfe bekommen zu haben. Ich war gespannt und dachte, wenn er uns einmal Gift ins Essen tun sollte, dann wird er uns, wenn wir bei Tisch sitzen, so ansehen. Aber selbstverständlich nahm ich nicht einen Augenblick lang an, dass er uns jemals Gift ins Essen tun würde. Er aß dasselbe wie wir. Überdies hatte er gar kein Gift. Und ich konnte mir kein menschliches Wesen vorstellen, das durch Habgier so verblendet wäre, einem so widerlichen Geschöpf Gift zu verkaufen.

      Wir glitten in der Dämmerung leise in See, und die Nacht hindurch ging alles gut. Es wehte böig, ein steifer Südwind kam auf. Das war für unseren Kurs günstiger Wind. Dann und wann schlug Dominic langsam und rhythmisch ein paar Mal die Hände zusammen, als wollte er der TREMOLINO Beifall klatschen. Die Balancelle summte und bebte im Dahinfliegen und tanzte leicht unter unseren Füßen.

      Bei Tagesanbruch wies ich Dominic auf ein besonderes Fahrzeug unter den verschiedenen hin, die innerhalb unserer Sicht vor dem wachsenden Sturme dahinsegelten. Es hatte Vollzeug stehen und sah dadurch von vorne sehr hoch aus; wie eine graue Säule stand es genau in unserem Kielwasser.

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