Der Tanz mit der Kobra. Angelika Storm

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Der Tanz mit der Kobra - Angelika Storm

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sagte er, „es gibt kaum Wahrheit, es gibt Übereinstimmungen zwischen den Menschen und dann sagen sie, das wäre Wahrheit.“ Ich gab ihm Recht. „Und was ist für dich Nähe?“ fing er wieder an. Ich wand mich. Auch diese Frage war zu früh. Seine Augen tauchten tief in meine ein. Und dann sagte er: „Du bist gar nicht fähig, Nähe zuzulassen.“ Nun zog ich endlich meine Hand weg, lehnte mich zurück und verschränkte meine Arme über meinen Oberkörper. Wie konnte er es wagen, so etwas zu behaupten! Er kannte mich doch noch gar nicht. Spöttisch lachte er. Meine Körpersprache hatte ihm den Beweis erbracht.

      Wieder beugte er sich vor und schaute mich intensiv mit seinen blauen Augen an: „Kannst du dir vorstellen, mit jemanden absolute Nähe zu leben? Kannst du dir vorstellen, dich ganz zu öffnen bis es keine Geheimnisse mehr gibt und zwei Menschen in absoluter Nähe verschmelzen?“ Ich versteckte meine Angst hinter einem nervösen Lachen. Er erwartete keine Antwort.

      Jo hatte in der Brusttasche seines Hemdes ein Bündel Geld. Er zahlte und gab großzügig Trinkgeld. Er erzählte mir, dass er selbständig sei und einen Großhandel hat und gut davon leben könnte. Zu dem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, dass die vielen Scheine in seiner Brusttasche dazu dienten, sein mageres Selbstbewusstsein zu erhöhen und er in Wirklichkeit am Existenzminimum lebte. Sein Auftreten ließ auf einen Geschäftsmann schließen, der sorglos seinen Reichtum genoss.

      Es war mir nicht wichtig, ob er nun reich oder nicht reich war. Für mich zählte nur der Mensch.

      Auf dem Weg nach Hause, dachte ich über unser Treffen nach. Dachte an seine Hand, die meine hielt und zärtlich streichelte und an den Kuss zum Abschied. Irgendwie war Jo anders als andere. Ich war neugierig auf ihn und er machte mir Angst.

      ***

      Die Welt der Sprache

      Wir kannten uns nun schon einige Monate. Jo wollte unbedingt mit mir zusammen leben. Ich zögerte. Viele Dinge waren mir fremd und zogen mich jedoch auch an. Unsere Gespräche waren für mich sehr ungewöhnlich. Jo hatte sich sehr mit NLP (Neurolinguistische Programmierung) befasst und erklärte mir die Struktur der Sprache. Ich fand das Thema äußerst interessant und wollte natürlich mehr wissen.

      Somit stieg ich in die Welt der Sprache ein und entdeckte, wie ich mit Hilfe der Worte eine Wirklichkeit und mein Leben verändern konnte. Worte konnten Nähe und Abstand schaffen. Und Jo spielte mit der Sprache und mit der Stimme.

      Ich empfand es manchmal als bittere Tatsache, dass für zwei Menschen ein Wort nie dasselbe bedeutet. Dieses Wissen gab mir aber auch mehr Klarheit über mich und andere Menschen. Während ich mit Jo zusammen in die Welt der Sprache eintauchte, entdeckte ich, dass ich immer mehr fähig wurde, authentisch zu sein.

      In der ersten Zeit unserer Gespräche machte es mich verrückt, wenn Jo von Modellen sprach. Ich fragte ihn, ob er nicht mal normal reden könnte. Da fragte er mich prompt: „Was ist normal?“

      Jedoch erklärte er mir seinen für mich ungewöhnlichen Sprachgebrauch: „Die Landkarte ist nicht das Gebiet. Damit meine ich, dass jeder Mensch sich Vorstellungen von der Welt oder von anderen Menschen macht und somit ist es, wie eine Landkarte von der Welt oder von einem anderen Menschen. Du hast nur eine Vorstellung von mir, aber das bin nicht ich, das ist deine innere Landkarte oder anders ausgedrückt, das ist das Modell, welches du dir von mir oder der Welt machst.

      Wenn du einen Plan von einer Gegend hast, nach dem du dich orientierst um an dein Ziel anzukommen, dann ist dieser Plan zwar ein guter Wegweiser, jedoch ist der Plan nicht das Gebiet. Es ist eine hilfreiche Nachahmung des Gebietes. Und so funktionieren wir auch. Innerhalb unserer Modelle, die wir uns von den Dingen und Menschen machen, verzerren wir unsere Wahrnehmung; wir generalisieren und tilgen. Das heißt, wir nehmen nur Bruchstücke wahr. Und das ist richtig so, denn wenn wir alles auf einmal aufnehmen würden, würden wir verrückt werden. Jeder von uns repräsentiert sich das Leben in seinem Kopf anders, denn jeder von uns hat andere Erfahrungen. Du knüpfst bei jedem, was du erlebst und erfährst deine Erfahrung an. Wenn dein Vater laufend fremdgegangen ist, dann weißt du, dass alle Männer so sind. Daran knüpfst du nun die Erfahrung, die du mit Männern machst.“ „Oh, da liegst du falsch“, antwortete ich. „Ich kann schon unterscheiden, dass Menschen verschieden sind. Bei mir werden nicht alle über einen Kamm geschoren.“ Jo lachte. „Das war doch nur ein Beispiel.“

      Für mich war die Welt der Sprache schon immer ein spannendes Thema gewesen. Ich stürzte mich in die Thematik und las viele Bücher. Hier hatten wir eine gemeinsame spannende Welt gefunden. Da wusste ich noch nicht, wie verschieden wir es wahrnahmen.

      ***

      Jo hatte mich eingeladen und für mich gekocht. Er wusste, dass ich Vegetarierin bin. Als ich bei ihm ankam, roch ich schon die Katastrophe.

      Er hatte für uns eine Pilzpfanne gemacht. Jo konnte mich auch nicht mit den größten Verführungskünsten dazu überreden, Pilze zu essen. „Es ist schon erstaunlich, dass ein Vegetarier keine Pilze mag.“ Jo schüttelte den Kopf und suchte nun im Kühlschrank nach Ersatz. Unter viel Lachen kochten wir etwas Vegetarisches ohne Pilze.

      ***

       Oft waren wir im Wald Pilze sammeln. Das kleine Mädchen wollte die Pilze nicht essen. Es dachte, es wäre ein Giftpilz dabei. Wie kam es darauf, dass die Mutter es vergiften wollte?

      ***

      Später saßen wir gemeinsam auf dem weißen Sofa. Jo's riesiges Wohnzimmer sah mehr wie ein Büro aus. Ein großer halbrunder Schreibtisch beherrschte den Raum. Darauf stand ein Computer und rings umher lagen Stapel von Unterlagen. Selbst der Kamin wurde als Ablage für seine Papierstapel genutzt. Das Sofa stand scheinbar meist unbenutzt in der Ecke.

      Jo fing an zu erzählen. Von seiner vorigen Partnerschaft. Weit holte er aus und erzählte Details, die ich bestimmt nicht wissen wollte. Mir wurde immer ungemütlicher und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, geschweige denn, wie ich ihn bremsen konnte. Ich hatte so etwas noch nie erlebt, noch nie hatte mir jemand so detailliert von einer meiner Vorgängerinnen erzählt. Das grenzte ja fast schon an Sadismus. Ich hatte keine Ahnung, wie ich aus dieser unguten Situation kommen könnte. Und somit nickte ich freundlich und ließ es fassungslos über mich ergehen.

      Irgendwann landete er beim Thema Spiritualität. Nilgün, meine Vorgängerin, war sehr spirituell. Somit gingen beide zu einem Guru um seine Satsangs (indische religiöse Philosophie) mit zu erleben. Jo sprang auf und holte ein Foto von dem Guru. „Schau, das ist er. Nilgün war mir aber zu gläubig, ich habe viel mehr hinterfragt.“ Tief holte er Luft, um weiter zu erzählen.

      Ich nahm ihm das Foto aus der Hand, legte es zur Seite und unterbrach ihn endlich genervt: „So, nun hast du mir genug Details erzählt. Das hättest du mir auch in ein paar Sätzen sagen können. Nilgün war schlank, gut im Bett, sie war so alt wie deine Tochter, sie hat dich finanziell ausgenutzt und war spirituell. Mehr muss ich nicht wissen.“ Jo sprang auf und ging vor dem Sofa hin und her. Dann beugte er sich zu mir herunter, sah mir in die Augen und sagte fast theatralisch: „Ich möchte mit dir ein neues Leben aufbauen. Deswegen möchte ich absolut ehrlich zu dir sein und dir alles erzählen. Auch wünsche ich mir, dass du mir alles von dir erzählst. Sonst können wir keine gute Beziehung aufbauen.“

      Nun stand ich auch auf um mit Jo auf gleicher Augenhöhe zu sein. Trocken sagte ich: „Du kannst dich drauf verlassen, dass ich nicht stundenlang von meinen Verflossenen schwärme. Und ins Detail werde ich auch nicht gehen. Ich stimme mit dir überein, dass Ehrlichkeit wichtig ist, aber Ehrlichkeit kann auch sehr verletzend sein. Ich

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