Trojanische Pferde. Peter Schmidt

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Trojanische Pferde - Peter Schmidt

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ich hatte keine Lust, mir an diesem schönen Wintertag die Laune verderben zu lassen. Deshalb tat ich einfach, was sie sagten.

      Ich lehnte mich zurück, und während ich meine auf Hochglanz polierten Stiefelspitzen betrachtete, dachte ich an die Worte von Bischof Braun, der im Park von der Polizei aufgegriffen worden war, als er sich den Mädchen gezeigt hatte:

      Ich nehm's den Kleinen gar nicht übel, dass sie sich über mein Ding lustig machen, doch dann lassen Sie mir auch mein Vergnügen, es an die Luft zu halten.

      “Haben Sie was dagegen, wenn wir uns ein wenig von Ihrer Seriosität überzeugen, bevor wir endgültig zur Sache kommen?”, erkundigte sich der eine und deutete vage auf meine Büroeinrichtung.

      “Wenn Sie dabei kein Geld aus der Porto- oder Kaffeekasse mitgehen lassen?”

      “Comme il faut”, sagte der andere, nachdem er meinen Blechschrank aufgezogen hatte, um sich das Hängeregister meiner Kundenkartei anzusehen. Dabei warf er mir einen Blick zu wie jemandem, für den Französisch bestenfalls ein teures Extra im Bordell war. “Das heißt soviel wie mustergültig. Von uns können Sie noch was lernen, Winger.”

      “Im Ernst?”, fragte ich. “Wieso denn ausgerechnet von Ihnen? Wir sind doch alle nur arme Halbblinde, die über die Steine stolpern auf diesem verlorenen Planeten.”

      Sein Blick wurde trübe, und er sah mich an, als wenn ich ihm philosophisch auf die Sprünge helfen wollte.

      Vielleicht litt er ja schon seit seiner Geburt daran, dass ihm noch keiner hatte erklären können, weshalb er auf die Welt gekommen war, und das machte ihn allergisch gegen jede Art von Tiefsinn. Aber dann gab er sich seufzend einen Ruck.

      “Bleiben wir lieber beim Thema, Winger. Es geht um ein paar Mädchen, mit denen man nicht so nett umspringt, wie’s sich für ausländische Besucherinnen gehört. Die armen Dinger werden unter Vorspiegelung falscher Tatsachen aus Thailand nach Europa gelockt.

      Wenn sich kein Käufer findet, geht's ab in die Bordelle von Frankfurt oder Hamburg. Oder man bringt sie dazu, durch billige Peepshows zu tingeln. Sie werden eingeschüchtert und in Abhängigkeit wegen der Unterstützung ihrer notleidenden Familien gehalten. Sie sind hochverschuldet, und wenn das alles als Druckmittel noch nicht ausreicht, findet sich immer ein wohlmeinender Schläger, der ihnen Manieren beibringt.”

      “Die Sache scheint Ihnen ja mächtig an die Nieren zu gehen?”, erkundigte ich mich. “Was rechnen Sie sich denn dabei aus? Dass Mutter Theresa Ihnen demnächst ein Zertifikat über Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe ausstellt? Von denen, die solche Mädchen ausnutzen, gibt's Tausende, und wenn wir einen von ihnen verjagen, machen wir bloß seinem Nachfolger Platz.”

      “Das lassen Sie mal unsere Sorge sein.” Er zog einen Umschlag aus der Innentasche seines Mantels, schob ihn mit den Fingerspitzen auseinander und ließ mich den Inhalt sehen. “Was halten Sie denn davon?”

      Es waren so nagelneue Zweihundertmarkscheine, dass man ihre Farbe riechen konnte – schwer zu sagen, ob sie aus dem Farbkopierer oder von der Bundesbank stammten.

      “Das reicht gerade mal für die Anzahlung.”

      “Na, na, halblang bitte. Dies hier ist ein hübsches Sümmchen. Soviel haben Sie im ganzen letzten Monat nicht auf einem Haufen gesehen, höchstens im Traum.” Er zog drei Scheine heraus und ließ sie zwischen meine Beine auf die Tischplatte flattern. “Hier sind sechshundert Anzahlung. Die behalten Sie, auch wenn Sie nach unserer harmlosen kleinen Besichtigungsfahrt das Handtuch werfen.”

      Ich sah mir die Scheine an – sie schienen echt zu sein –, schob sie mit dem Unterarm in die Schreibtischschublade und goss mir aus der Kanne neben meinem rechten Knie etwas kalt gewordenen Kaffee ein.

      “Eines will ich Ihnen gleich sagen: Ich arbeite nicht für anonyme Auftraggeber. Ich will Namen hören – überprüfbare Namen und Adressen.”

      “Kein Problem.” Der Weißhaarige reichte mir seine Visitenkarte. Everding & Kranz – Anwälte. “Ich bin Kranz, das ist mein Kompagnon Everding.”

      “Also gut”, meinte ich an Everding gewandt. “Dann sagen Sie mir mal, wie Sie ausgerechnet an mich geraten sind. Dieser sogenannte Kassierer vom Athene ist mir nur ganz zufällig vor die Wagentür gelaufen.”

      “Ausgerechnet in dem Moment, als sein Nasenbein in der richtigen Position war?”

      “Er hat sich vorgebeugt, um an meinem Wagen herumzufummeln. Was weiß ich? Vielleicht war er ja gerade dabei, meine Reifen durchzustechen?”

      “Und den zweiten Mann, den man Ihnen auf den Hals gehetzt hat, haben Sie kurzerhand in die geschlossene Abteilung des nächsten Hospitals einliefern lassen?”

      “Weil er eine etwas zu lockere Hand bei den Nullen auf meiner Rechnung hatte. So was fällt bei den Seelenklempnern nun mal unter die Rubrik ‘krankhafte Phantasie’. Das sind keine Kassierer, sondern Burschen, die von den Restaurantbesitzern Schutzgelder erpressen. Diesmal hatte unser lieber Amaxos vom Athene endlich mal ‘nen Grund, sich tatsächlich von ihnen beschützen zu lassen.”

      “Was ist mit dem Blutgerinnsel an seinem Hinterkopf?”

      “Nur der Türrahmen meines Wagens.”

      “Und vor den ist er genauso zufällig geknallt wie der andere mit dem Nasenbein gegen Ihre Wagentür?”

      “Ich mag früher mal ein Draufgänger gewesen sein, aber im Alter stellt man sich schnell die Frage, ob das Faustrecht zur Regelung unserer Angelegenheiten wirklich die angemessenste Methode ist. Wenn Sie einen Auftrag für mich haben, der etwas mehr Kopf als Muskeln verlangt, werden wir uns vielleicht handelseinig. Alles andere würde mir unweigerlich das Gefühl verschaffen, ich hätt's lieber mit einem Job als Sparringspartner versuchen sollen.”

      2

      Während der Fahrt zum Klub fragte ich Everding, für wen sie arbeiteten. Er sah mich so überrascht an, als sei der Gedanke, er könne außer für sich selbst noch für jemand anders arbeiten, völlig neu für ihn.

      Das Haus war ein alleinstehender, windschiefer Kasten aus dunklem Backstein, an dessen Holzläden sich ein Liebhaber süddeutscher Bauernmalerei mit etwas zu grobem Pinsel und zuviel roter Lackfarbe versucht hatte.

      An der einen Seite hing eine rostige Feuerleiter, deren zernagte Bolzen aussahen, als würden sie beim Husten des nächsten Passanten herausfallen.

      Vier der Eisenstufen fehlten, aber dafür gab es am Ende der Leiter eine solide, neu eingesetzte Tür aus ungestrichenem Eisenblech.

      Das Etablissement nannte sich Thailändischer Freundschaftsverein – GÄSTE HERZLICH WILLKOMMEN! – und war so was wie ein Zwitter aus Nachtbar und buddhistischer Begegnungsstätte, in dem thailändische Mädchen einzelnen unerträglich einsamen Herren Gesellschaft leisteten.

      Wir hielten auf dem Parkplatz in der Deckung einer freistehenden Plakatwand.

      Über uns jagte eine Herde Marlborogäule durch den Nebel. Sie kamen niemals an. Aber vielleicht fand ich das ja nur deswegen so bemerkenswert, weil Unzufriedenheit inzwischen zu unserem zweiten Naturell geworden ist.

      “Also gut”, sagte Kranz. “Sie haben

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