Wir in unserer Welt. Rudolf Kutka
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Der technische Fortschritt veränderte die Gesellschaft in den Industrie- und weiterentwickelten Ländern fundamental. Berufe verloren an Bedeutung, neue kamen hinzu. Die Anforderungen an die berufliche Qualifikation stiegen. Das Bildungssystem war grundlegenden Veränderungen unterworfen. Der Prozess ist weiterhin offen. Und alle diese Abläufe sind immer schwieriger beherrschbar, weil die Entwicklung in unglaublich kurzer Zeit abgelaufen ist. Sie wirkte auch auf Prozesse außerhalb der technischen Abläufe:
Arbeit war für die Wirtschaft ein Produktionsfaktor, ebenso unersetzbar wie das Kapital. Doch während die Kapitalinvestoren von den Unternehmern „gepflegt“ wurden, waren ihnen die Erbringer der Arbeit, also die Werktätigen, schutzlos ausgeliefert. Die Arbeitgeber zahlten den Lohn, den sie für angemessen hielten und gestalteten die Arbeitsbedingungen nach ihrem Gutdünken. Die Lage verbesserte sich erst, als Gewerkschaften aufkamen und die Vertretung der Arbeitnehmer-Mitglieder bei Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern übernahmen. Die Bündelung der Kräfte ermöglichte eine verbesserte Durchsetzung der Arbeitnehmer-Belange. Verbindlich ausgehandelte Tarifverträge sorgten für menschenwürdige und gerechte Arbeitsbedingungen und sicherten Arbeitern und den Angestellten ein einigermaßen gesichertes Leben, solange sie in Arbeit waren.
Erst nach der Jahrtausendwende (2004) wurde dieses gut funktionierende System der Flächen-Tarifverträge in Deutschland durch eine neue Arbeitsmarktordnung und die Einführung der Zeitarbeit durchbrochen. Ein großer Teil der Arbeitnehmer wurde, um der Arbeitslosigkeit auszuweichen, in die Scheinselbständigkeit gelockt und viele haben mit ihren Arbeitgebern keinen direkten Arbeitsvertrag mehr. Die sogenannte Lebensstellung gibt es heute praktisch nicht mehr. Die betriebliche Altersvorsorge ist eher eine Ausnahme geworden. Ein großer Teil der von den Arbeitnehmern in einem Jahrhundert erkämpften Existenzsicherung und Lebensqualität ging wieder verloren. Viele Menschen sind heute in ihrer Existenz so stark gefährdet, dass ihnen eine individuell und volkswirtschaftlich notwendige Planung einer gesicherten Zukunft verwehrt ist. Die Arbeitslosen-Statistik weist seither positivere Zahlen aus, doch schieben wir eine beträchtliche Dunkelziffer an Berufstätigen vor uns her, die mit ihrem Einkommen unter dem Existenzminimum liegen. Nutznießer der Entwicklung war die Wirtschaft.
Die in Deutschland besonders rigoros praktizierte Entlastung der Wirtschaft von einem Teil der Lohnkosten hat zu einer verbesserten Wettbewerbslage Deutschlands auf dem Weltmarkt geführt. Deutschland konnte mit seiner traditionell besseren Technik und Produktqualität (“Made in Germany”) auf den Märkten nunmehr auch in preislicher Hinsicht gut bestehen. Väter dieses Erfolges sind nicht nur die gefeierten überaus fähigen Wirtschaftsmanager, deren Erfolge durch hohe Bonuszahlungen „versilbert“ wurden, sondern die Einkommensverzicht leistenden Arbeitnehmer. Manager erhalten im Falle ihres „Versagens“ meistens den „goldenen Händedruck“, dagegen wird der Arbeitnehmer, der seine Beschäftigung unverschuldet verliert, noch bestraft. Bevor die AL-Versicherung greift, muss er erst sein möglicherweise in Jahrzehnten angesammeltes Sach- und Geldvermögen „verbrauchen“.
Andererseits hat aber gerade die Wirtschaftsstärke Deutschlands wiederum einen Beitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze und Beschäftigungsverhältnisse geleistet, so dass auch hier wiederum über Ursache und Wirkung gestritten werden kann.
Die Industrialisierung hat vielen Menschen Lebensverbesserungen gebracht. Bürger aus allen Schichten konnten mit Fleiß, Tüchtigkeit und Glück zu Wohlstand kommen. Die von der Entwicklung Begünstigten sehen sich in einer verbesserten Lage. Die Folge ist soziales Ungleichgewicht: Zehn Prozent der Menschen besitzen 80 Prozent aller Vermögenswerte. Und diese Schere zwischen Armut und Reichtum öffnet sich immer weiter.
Angesichts einer im Zuge der Automatisierung ohnehin schwindenden Bedeutung des Produktionsfaktors Arbeit verlief die Gesamtbilanz für die Arbeitnehmer zu einem großen Teil eher negativ. Die Arbeitslosenzahlen sind nach wie vor hoch, die Altersarmut steigt, die Sicherheit der Existenz durch Dauerarbeitsplätze und auskömmliche Ruhestandsbezüge ist weitgehend verloren gegangen.
Der Mann als alleiniger Versorger der Familie kann seiner Aufgabe häufig nicht mehr gerecht werden, auch die Ehefrau muss ihren Beitrag zu einem einigermaßen auskömmlichen Familieneinkommen leisten. Teilweise sind zwei und mehr Arbeitsverhältnisse erforderlich. Dieser Zustand hat wiederum bedenkliche Auswirkungen auf den Bestand der Familie und die Entwicklung unserer Kinder, also tiefgreifende Eingriffe in unsere sozialen Strukturen.
Die grundlegende Veränderung unserer Lebensordnung wurde durch neue technische Hilfsmittel begünstigt. Beispielsweise konnte der Zeiteinsatz für die Erledigung der täglichen häuslichen Bedürfnisse reduziert werden. Dies, aber auch steigende Lebensansprüche, führten zu erheblichen Veränderungen der Lebensführung und der Familienordnung. Der Trend zu zwei und mehr Familieneinkommen entstand nicht nur aus existenziellen Problemen heraus. Frauen hatten zunehmend den Wunsch sich aufgrund eines neuen Verwirklichungsverständnisses beruflich und in eigenen Karrieren zu verpflichten. Die Erfindung der empfängnisverhütenden „Pille“ führte zu einer Verringerung der Fruchtbarkeitsrate und damit zu einer gewollten Entbindung von den Verpflichtungen der Mutterschaft. Der Anteil derjenigen, die gar nicht erst familiäre Verpflichtungen eingingen, stieg rasant an. Die seit archaischen Zeiten unveränderte Rollenverteilung in der Familie hat sich innerhalb von wenigen Jahrzehnten fundamental verändert. Die Familie gilt nicht mehr als erstrebenswertes Ziel. Der Umschwung war schleichend und wurde in seinen Auswirkungen vielfach nur dadurch bemerkt, dass neue öffentliche Lasten entstanden.
Was hat die Industrialisierung der Menschheit gebracht? Ganz sicher sehr Positives in vielerlei Hinsicht. Die negativen Begleiterscheinungen können wir leider auch nicht ignorieren. Erst mit einem größeren zeitgeschichtlichen Abstand werden wir objektiver beurteilen können, wo uns der Fortschritt hilfreich und wo belastend war. Unabhängig von dieser Pauschalbetrachtung gibt es aber auch ein Phänomen, das wir „im Hier und Heute“ bewältigen müssen. Hier kämpfen wir um nicht weniger als um unsere Existenz:
Die Verbrennung von fossilen Ressourcen in Verbindung mit der zunehmenden Motorisierung und der Verwendung von Erdöl als Energieträger für das Heizen hat ein neues Kapitel in der Zerstörungsgeschichte unserer Erde eröffnet. Die in die Luft gelangenden Verbrennungsrückstände sind nur in sehr begrenztem Umfang abbaubar und lagern sich als Treibhausgase in unserer Atmosphäre ab. Sie beeinflussen dadurch das Erdklima und beschwören die Gefahr eines Klimawandels herauf.