Kolosseum des Lebens. C. L. Larue

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Kolosseum des Lebens - C. L. Larue

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Empfindungen seiner Geschwister eher den Gegebenheiten entsprochen haben. Oft sagte Mutter, Vater sei streng aber gerecht. Letzteres jedoch, zog er in Zweifel. Zu jenem Zeitpunkt mehr denn je, denn er erinnerte sich an eine Episode, ein Erlebnis, das er bis zum heutigen Tag nicht wirklich vergessen konnte. Es ist eine Geschichte von einem für ein Kleinkind sehr wichtiges und womöglich für Erwachsene eher unscheinbares Erlebnis, das vielleicht sogar mehr zum Schmunzeln anregt, als es für bedeutend zu halten.

      Es ereignete sich im Frühjahr 1964. Es musste wohl um Ostern herum gewesen sein, denn sonst hätte es keinen Anlass für den Großvater aus Saarbrücken gegeben, ihm ein Geschenk zu schicken. Ein Paket aus Saarbrücken war schon etwas Besonderes, denn man konnte mit ruhigem Gewissen sagen, dass dieser Umstand mehr als ein seltenes Ereignis darstellte.

      Und so packte er das Paket voller Vorfreude aus. Hervor kam ein großes Rennauto das man mit einem Schlüssel aufziehen konnte. Es war rot, aus Blech, mit einem Rennfahrer auf dem Sitz und sogar mit einem Knopf ausgerüstet, der als Schaltung diente. Legte man diesen um, nachdem man die Feder aufgezogen hatte, schoss es wie ein Pfeil davon. Ein wunderschönes Geschenk, und er machte sich sogleich euphorisch daran, es vor dem Haus auf dem Gehweg auszuprobieren.

      Auf der gegenüberliegenden Straßenseite beobachtete der kleine Heinz Brauer sein treiben. Der Nachbarsjunge, der etwa im gleichen Alter war. Und er ließ es sich nicht nehmen, seiner Neugier freien Lauf zu lassen. Also kam er über die Straße und fragte, ob er denn auch einmal damit spielen dürfe. So kam es, wie es wohl kommen musste, klein Heinzi nahm das Auto und warf es ohne ersichtlichen Grund auf den Boden, so dass es kaputt ging. Nach getaner Arbeit rannte Heinz davon, wohl sichtlich zufrieden mit seinem angerichteten Werk.

      Weinend lief er zurück ins Haus und berichtete unter Tränen, was gerade geschehen war. Vater, Mutter und Friedrich, der ältere Bruder, saßen am Küchentisch und hörten sich sein Leid an. Und während er unter Tränen berichtete, sagte er, »Jetzt gehe ich zu Herrn Brauer und sage was Heinz gemacht hat«. Vater schaute auf und während Vater mit strengem Ton anordnete, dass er hier zu bleiben hätte, lief Klein Klaus Rudolf Johann mit seinem kaputten Auto in der Hand bereits davon, über die Straße und Schwups zur Haustür des Nachbarn. Dass Vater ihm nachlief, bemerkte er in seinem Kummer zunächst nicht und so klingelte er mutig an der Haustür. Der Nachbar öffnete und während er begann sein Leid zu klagen, hörte er hinter sich Schritte und die Worte, »Bitte entschuldigen sie die Störung, Kindereien« …. im gleichen Augenblick hatte ihn Vater auch schon am Arm gepackt, sein Auto fiel zu Boden und zornig zerrte ihn Vater nach Hause. Dort angekommen erhielt er eine Tracht Prügel, so wie er es bisher noch nie erlebt hatte, ganz zu schweigen von den Schimpfkanonaden, die folgten. Mutter saß schweigend am Tisch ohne auch nur daran zu denken ein Wort zu sagen und ließ den Dingen ihren Lauf. Nur Friedrich schenkte ihm, nachdem er in sein Zimmer verbannt wurde, ein klein wenig Trost.

      Am folgenden Tag sah er Heinz Brauer auf der gegenüberliegenden Straßenseite ganz in sich gekehrt spielend auf dem Gehweg und als wäre es nicht für ein siebenjähriges Kind schon schlimm genug gewesen erkannte er, dass das Spielzeug mit dem sich Heinz beschäftigte, eben das Auto war das er von seinem Großvater geschenkt bekommen hatte. Der Vater von Heinz hatte es wieder in Ordnung gebracht und kurzer Hand seinem Sohn als Spielzeug überlassen.

      …Beute

      Selbst die verzweifelten Berichte hierüber beeindruckten weder Vater noch Mutter und so geschah es, dass alles unter den Tisch gekehrt wurde und Heinz Brauer fortan ein Auto mehr hatte.

      Es mag sein, dass diese Episode dem Leser eher ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Man ist geneigt, es einfach als ein belangloses Kinder-Erlebnis abzutun, zwar nicht erfreulich, doch eher nur eine Bagatelle. Letztlich aber, bei genauerem Hinsehen, war dieses Ereignis so prägend, dass er es ein Leben lang nicht wirklich vergessen konnte. Diese Erfahrung hatte etwas Bleibendes in der Kinderseele des kleinen Klaus Rudolf Johann hinterlassen.

      Schweigend las er die Zeilen und das Geschriebene ließ ihn in diese Zeit versinken. Die Gefühle wurden spürbar und der Schmerz des Augenblicks kehrte unvermittelt zurück. Alles war wieder präsent, die Atmosphäre, die Wärme der Sonne auf der Haut, das Brennen auf seinem Hinterteil, verursacht durch die nicht enden wollenden Schläge mit der flachen Hand, das Schreien und Schimpfen des Vaters, die ängstlichen Blicke des Bruders und …. Plötzlich sein Mut zu rufen, »Jetzt hör doch auf Papa, er hat doch recht«. Welch mutige Tat eines 14 jährigen. …

      Sich zurücklehnend dachte er darüber nach und stellte sich schließlich die Frage, was im Grunde hatte dieses Gefühl bleibender Verletzung denn überhaupt verursacht, der Verlust des Spielzeugs oder eher die Reaktion des Vaters sowie die Gleichgültigkeit der Mutter in dieser Situation? Was war mit ihm geschehen und was war es, was ihm noch heute bei dem Gedanken daran, seelisches Unbehagen bereitete? Augenblicke der Stille, der inneren Ruhe stellten sich ein, ganz darauf konzentriert in sich zu gehen und zu hören …. und da war es … nur ein Wort schoss wie ein Pfeil aus dem Dunkel in seine Gedanken … Ungerechtigkeit …. gleich darauf ein weiteres …. Hilflosigkeit …..

      Resignation vor der übermächtigen Institution Vater und Mutter und der Erkenntnis, dass besonders diejenigen, die ein Vorbild für das heranwachsende Kindlein sein sollten, die Verantwortlichen für die Grundlage und Entwicklung eines gesunden Rechtsempfindens, Moral und Ehrhaftigkeit, in allen Punkten doch so kläglich versagt und das Problem mit Unterdrückung und Gewalt niedergeknüppelt hatten. Im gleichen Augenblick empfand er eine Erkenntnis zu erlangen, die den gordischen Knoten seines Lebens ein kleines Stück zu lockern vermochte.

      Und da war er, der rote Faden, der sich durch sein ganzes Leben gezogen hatte. Der erste von scheinbar vielen, die dazu führen sollten, das aus ihm zu machen was er heute war. Der erste greifbare Hinweis, der fast Euphorie auslöste und ihn zumindest darin bestärkte eine Möglichkeit gefunden zu haben, Licht in das Dunkel seiner Entwicklung zu bringen. Wie ein umgeschubster Dominostein in einer Reihe, begann eine Kette von Erinnerungen in seinen Kopf zu fließen, denen er kaum Einhalt gebieten konnte. Geschehnisse in der Gegenwart schienen nachvollziehbarer zu werden wenn auch noch nicht wirklich greifbarer.

      Wie oft kam es vor, dass er in ungerecht empfundenen Situationen völlig ausrastete. Ganz gleich, ob er diese als Außenstehender nur mit ansah oder selbst betroffen war. Ganz gleich, ob es um Personen ging, die in einer Hierarchie über ihm standen oder nicht. Er hasste Ungerechtigkeiten und sein Rechtsempfinden war in der Vergangenheit wohl eher überdimensioniert als angemessen, was natürlich oft zu weiteren Konflikten führen musste.

      Die Blasenlähmungen die ihm früher so sehr zu schaffen machten, traten in den letzten Jahren nur noch selten auf. Was diesbezüglich eigentlich der Auslöser war, ließ sich jedoch zu dieser Zeit nicht wirklich klären. Aus dem zurückhaltenden und sensiblen Kleinkind ist ein zurückhaltendes sensibles Kind mit vielerlei Interessen geworden, jedoch in eine Richtung, für die sein Umfeld oft wenig Verständnis aufbrachte. In Erinnerung an diese Zeitspanne sind Aussagen wie etwa »Woher hat der das nur? « geblieben, was in ihm wiederum den Gedanken und das Gefühl sowie die Frage aufkommen ließ, in welcher Familie er hier überhaupt gelandet war. Es mag erstaunen und für sein Lebensalter ungewöhnlich sein, dennoch, er erinnerte sich daran, dass er oft das Gefühl hatte, hier nicht hinzugehören.

      So liebte er es beispielsweise aus Zeitschriften Bilder von Künstlern auszuschneiden, die man häufig als Geduldsspiel unter dem Begriff „Original und Fälschung“ fand. Selbst wenn ihm auch die Namen der Künstler nichts sagten und letztlich für ihn zweitrangig waren, zogen sie ihn magisch in seinen Bann. Stundenlang bereitete es ihm Vergnügen, ein Bild nach dem anderen auszuschneiden um es mit Pinsel, Wasser und Farbe so genau wie es ihm nur möglich war, nachzumalen. Voller Ungeduld wartete er darauf, dass Mutter wieder einen Stapel Zeitschriften mit nach Hause brachte, die sie regelmäßig von der Rektorin der Schule in deren Haushalt sie putzte, bekam. Im gemeinsamen

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