Preis des aufrechten Gangs. Prodosh Aich

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Preis des aufrechten Gangs - Prodosh Aich

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war das Ganze etwas seltsam. Im ganzen scheint die Zeit der Streiks aber wohl vorbei zu sein.

       Die Erregung über Vietnam ist übrigens nicht auf die Studenten beschränkt. Im Radio war dieser Tage ein sehr scharfer Kommentar zu der Vernichtung eines Dorfes zu hören. Das Vorgehen wurde mit Lidice verglichen.“

      *****

      Die Zeit verrinnt für uns in Jaipur. Die Universitätsleitung entscheidet nicht. Am 10. Februar wende ich mich wieder an Mathur. Ich bitte ihn auch um Auskunft darüber, wieso seine Kommission sich nur mit den Klagen Unnithans gegen mich und nicht mit meinen Klagen gegen Unnithan befaßt hat und um Akteneinsicht. Kurz nachdem ich mein Schreiben an Mathur zustelle, erhalte ich den allerersten Brief von König. Er trägt das Datum von 31. Januar und enthält eine Kopie seines Schreibens an Mathur als Anlage. Bevor ich daran gehe, diesen Brief in Ruhe einzuschätzen, beeile ich mich, mich an Mathur zu wenden, nachdem die letzte vermeintliche Hürde beseitigt ist. Nun, Mathur antwortet nicht. Er beauftragt statt dessen am 10. Februar den Registrar, mir mitzuteilen, daß das Department meine Dienste nicht mehr benötige („I am directed by the Vice Chancellor to inform you that the Deparment of Sociology does not need your services any longer.“) Ich solle sofort meine Dienstgeschäfte dem „Head“ übergeben und das Diensthaus räumen. Meine Entschädigungszahlungen bis zum 6. Juli werde von der Universität respektiert.

      Diese fristlose Entbindung von meinen Verpflichtungen ohne Angabe von Gründen trifft mich unvermittelt. Damit ist die Unvollständigkeit der studentischen Befragung in Jaipur endgültig besiegelt. Die Studierenden der Zoologie und der 6 sozialwissenschaftlichen Fächer der Universität dürfen sich zu unseren Fragen nicht äußern. Mathur erreicht vorerst sein Ziel: Eine Beschreibung des Ist–Zustandes seiner Universität soll verhindert werden. Als das Schreiben von König doch zu zeitig eingetroffen ist, hat er einen Ausweg gesucht. Durch meine Entpflichtung gewinnt er Zeit. So bleibt die Befragung unvollständig. Auch unsere Vertreibung aus Jaipur ist auf den Weg gebracht. Mathur hat auch meine Gehälter gestoppt.

      Ich nehme mir Zeit, das allererste Schreiben von König genau zu lesen. Aber hier ist zunächst der komplette Text des Schreibens:

      „Köln, den 30. 1. 1967, besten Dank für Ihren Brief vom 17. 1., den ich, da eilig, sofort beantworte. Anbei finden Sie die Kopie des Briefes, den ich soeben an den Vice Chancellor, Mathur gerichtet habe, und hoffe, daß er die entsprechende Wirkung ausübt. Im übrigen würde ich empfehlen, sich besser mit Dr. Unnithan zu stellen. Ich finde es nur richtig, daß Sie ein acknowledgement seiner Hilfe geben, denn schließlich ist er ja Chairman des Departments, in dem Sie jetzt arbeiten, und es ist absolut üblich, diese Hilfe des Chairman anzuerkennen. Ich habe das Gefühl, daß Sie sich völlig überflüssigerweise in eine Situation manövriert haben, in der Sie nichts als Schwierigkeiten haben werden. Nur schnell diese paar Zeilen. Beide Briefe gehen eingeschrieben, damit sie auch ankommen. Mit allen guten Wünschen und den herzlichsten Grüßen, auch an Ihre Frau, bin ich stets Ihr Prof. Dr. René König.“

      Ich kann beim besten Willen den Text nicht nachvollziehen. Wie kommt er dazu:

      „Ich finde es nur richtig, daß Sie ein acknowledgement seiner Hilfe geben, denn schließlich ist er ja Chairman des Departments, in dem Sie jetzt arbeiten, und es ist absolut üblich, diese Hilfe des Chairman anzuerkennen.“

      Wenn er wirklich auf mein Schreiben vom 17. Januar antwortet, muß er doch gelesen haben:

      „Dr. Unnithan, der unbedingt seinen Namen als Autor in unseren Untersuchungen haben wollte, ist nun wütend, daß wir ihm das nicht gestattet haben. Er versucht nun mit allen Mitteln, sehr gemeinen und sehr unakademischen Mitteln, die Untersuchungen zu stoppen.“

      Dann schreibt er:

      „Ich habe das Gefühl, daß Sie sich völlig überflüssigerweise in eine Situation manövriert haben, in der Sie nichts als Schwierigkeiten haben werden.

      Wie kommt er zu diesem Gefühl, wenn er tatsächlich meine bisherigen Mitteilungen, genau gelesen hat? Auch Fröhlich und Sack haben diese Mitteilungen gelesen. Deren Reaktionen, die ebenfalls hier dokumentiert sind, können wir nachvollziehen. Nicht aber dieses Schreiben Königs. Wenn er meine Berichte nicht gelesen hat, wie kommt er zu der bemerkenswerten Einschätzung, „daß Sie sich völlig überflüssigerweise in eine Situation manövriert haben“? Dieses Schreiben erinnert mich an sein unpassendes, komplett aus dem Rahmen fallendes Schreiben vom 25. Januar 1966. Damals hatte ich den Einfluß von Königs neuem „Herrn Kollegen“, Scheuch, vermutet. Auf wessen Einfluß geht diese merkwürdige, eher diplomatische Redewendung „völlig überflüssigerweise“ zurück?

      Fritz Sack reagiert schnell am 17. Februar, als er unser Schreiben vom 9. Februar erhält:

      „Lieber Khokon, ich habe gestern Deinen Brief erhalten und möchte Dir schnell in aller Eile nur drei Begleitzeilen zu den anliegenden Fotokopien senden. Professor König hat sofort geschrieben, als Du ihn darum batest. Als Dein Telegramm ankam, war der Brief schon mehrere Tage an Dich unterwegs und wir sahen uns nicht veranlaßt, darauf noch besonders zu reagieren. Das wäre ja wirklich eine unerhörte Schweinerei, wenn man Dir Post von Professor König unterschlagen hätte. Das ist ja wirklich schlimmer als der hinterste Winkel des Balkan im größten Durcheinander der K+K–Donaumonarchie. Ich schreibe bald mal mehr. Viele Grüße, auch von meiner Frau, an Euch beide, Dein Fritz.“

      Im Gegensatz zu König schreibt er noch ganz normal. Ich muß mir schmählich eingestehen, daß ich als promovierter Sozialwissenschaftler der Kölner Universität nicht gewußt habe, was „proper channel“, der Dienstweg, wirklich bedeutet. Dies sagt sicherlich etwas aus über meine Blindheit, aber auch über die Qualität meiner Ausbildung als Sozialwissenschaftler. In Jaipur habe ich Gelegenheit, durch die Praxis meine mangelhafte Ausbildung zu vervollständigen. Ich kann gegen die Entbindung meiner Dienstpflichten nur durch „proper channel“ etwas unternehmen. Ich blättere in den Statuten der Universität nach. Ich lerne: Widerspruch beim Vice Chancellor gegen die Verfügung vom Registrar, Appell an das Academic Syndicate, wenn dem Widerspruch vom Vice Chancellor nicht abgeholfen wird, Appell an den Chancellor wenn der Appell an Syndicate nicht gefruchtet hat, Appell an den Visitor, wenn der Chancellor dem Appell nicht statt gibt. Erst danach wird der Weg an das ordentliche Gericht frei. Von RUTA (Rajasthan University Teachers’ Association) erfahre ich, daß der „proper channel“ länger ist als die maximale Zeit, die mir zur Verfügung steht. Ich erfahre von einem Fall, der mir Anschauungsunterricht geben soll:

      Mohan Sinha Metha als Vice Chancellor entläßt einen College–Principal (praktisch ein Rektor) wegen politischer Differenzen. Ohne Angabe von Gründen. Schon vor fünf Jahren. Der Entlassene legt Widerspruch beim Syndicate ein. Metha sorgt dafür, daß der Widerspruch nicht auf die Tagesordnung kommt. So ist sein Weg zum ordentlichen Gericht versperrt. Auch Mathur setzt ihn nicht auf die Tagesordnung. Im Augenblick sitzt sogar die Ehefrau des Entlassenen im Syndicate. Dennoch wird sein Widerspruch nicht auf die Tagesordnung gesetzt. RUTA rät mir, auf jeden Fall einen Rechtsanwalt zu nehmen und vielgleisig zu verfahren. Diesem Rat folge ich und verdränge vorläufig das verantwortungslose Schreiben Königs.

      *****

      Zwischen dem 11. und 28. Februar sehen wir uns vor vier verschiedene Aufgaben gestellt. Gegen die Entpflichtung auf allen Ebenen vorgehen, möglichst zeitgleich die Befragung der Lehrenden durchziehen, die Protokollsammlung (Minutes of the Universitity) vervollständigen und immer, wenn Zeit dazu ist, darin lesen und uns organisatorisch ausrüsten, unsere Befragungen an der Universität Delhi durchführen. Auch ohne daß König an den entsprechenden Personen geschrieben hatte, wie ich ihn in meinem Schreiben vom 17. Januar dringend gebeten hatte, haben wir von der Universität Delhi die Nachricht, daß wir bis zum 15. März willkommen seien. Trotz unserer miserablen Finanzsituation entscheiden

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