Preis des aufrechten Gangs. Prodosh Aich
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Am 9. Januar kommt Mr. N. K. Mahla mir auf dem Weg zum Department demonstrativ entgegen. Ich weiche ihm aus und gehe weiter. Er schreitet hinter mir her und droht, mich zusammenzuschlagen, wenn ich mich nicht entschuldige. Ich hätte ihn beleidigt, weil ich nicht auf die Straße herausgekommen war, um mit ihm zu sprechen. Später am Tag kommt Singh (der Bruder von Yogendra Singh) in den Aufenthaltsraum des Department, verlangt von mir eine Entschuldigung, weil ich Übles über ihn im Department verbreitet hätte, wie ihm Mr. Shinghi (einer der drei Lecturer im Department) berichtet habe. Als ich nicht darauf reagiere, kündigt er an, daß er die Entschuldigung aus mir herausprügeln werde. Am frühen Nachmittag werde ich zum Head of the Department bestellt. Anwesend ist neben Unnithan auch Dr. Ahuja (Lecturer im Departement) und Rajendra Singh. Ich soll erklären, warum auf dem Deckblatt unserer Fragebögen die Namen von Unnithan und Singh fehlten. Außerdem soll ich erklären, wie ich dazu komme, mich an Dr. Ahuja ohne eine schriftliche Genehmigung des Head of the Department mit der Bitte zu wenden, mir eine seiner Vorlesungstunden für eine schriftliche Befragung zu überlassen. Ich entschuldige mich für meine Unkenntnis, daß ich für eine Anfrage dieser Art bei einem Kollegen im Department eine schriftliche Genehmigung des Heads benötige, und verlasse das Büro mit dem Hinweis, daß ein Fragebogen ein Forschungsinstrument sei. In meiner Eingabe vom 9. Januar an Mathur ist in 31 Punkten eine Chronologie enthalten, auch diese letzten Ereignisse. Am gleichen Tag habe ich auch im Namen des Kölner Instituts auf Institutsbogen den Antrag auf Genehmigung für die Durchführung der beiden Erhebungen im Campus gestellt.
Am 10. Januar habe ich meine erste Veranstaltung erst um 12.15 Uhr. Unser Haus wird von 10.00 Uhr an von „Unnithans Soldaten“ belagert. Meine Frau will mich nicht allein gehen lassen. Sie begleitet mich zum Department. Zufällig kommt der Stellvertreter des „Registrars“ (Kanzler) uns entgegen. Wir informieren ihn über die Belagerung und über die „anonymen“ Anrufe mit Drohungen und Beschimpfungen.
Nach meiner Veranstaltung mache ich mich auf den Weg, fachfremde Kollegen im Campus aufzusuchen und für die Erhebung Termine zu vereinbaren. Mit Erfolg. Bis zum späten Nachmittag des 11. Januar haben wir mit allen bis auf zwei Departments Termine vereinbaren können. Aber der erste Rückschlag kommt bereits in den Morgenstunden des 12. Januar per Boten.
Prof. Tikkiwal , Department of Statistics, zieht die Zusage zurück, weil wir auch Fragen – beim Verabreden haben wir natürlich einen Fragebogen zur Information übergeben – zu „Studentenunruhen“ gestellt hätten. Diese Problematik sei aber delikat (delicate matter). Er könne solche Informationen aus seinem Department ohne Genehmigung nicht zulassen. Er empfiehlt mir, zumindest ein Schreiben meines Head of the Department (your Head of the Department) zu besorgen.
Prof. Saraf, Department of Physics, ruft mich um 13.00 Uhr an. Er habe gerade ein Anruf vom Registrar (Kanzler) erhalten. Unnithan soll Widerspruch gegen unsere Untersuchung angemeldet haben. Bis zur Klärung sollten wir unsere Verabredung vertagen. Wir suchen den Registrar auf. Ja, Unnithan habe sich gegen die Erhebung ausgesprochen. Er weiß auch, daß der Vice Chancellor noch nicht entschieden hat. Wir möchten bis zu einer Entscheidung abwarten.
Am 13. Januar, um 9.00 Uhr ruft mich Prof. Daya Krishna, Department of Philosophy, an und schlägt vor, am 14. Januar um 12.30 Uhr in seiner Vorlesung die Befragung durchzuführen. Wir berichten ihm, daß der Registrar uns gebeten hat, bis zur Entscheidung des Vice Chancellor keine Befragung durchzuführen. Daya Krishna besteht auf diesen Termin. In seinem Department bestimme er. Wir nehmen diesen Termin wahr. Bis 12.00 Uhr des 16. Januar kommt es zu keinen besonderen Vorkommnissen, abgesehen von sichtbarer Belagerung und Beschimpfungen und Drohungen am Telefon. Den Stillstand im Campus haben wir genutzt, Termine in der technischen Hochschule zu machen.
Um 12.00 Uhr des 16. Januar übergibt mir ein Bote gegen Unterschrift eine vertrauliche Mitteilung von Unnithan, daß ich ab sofort bis zur weiteren Mitteilung keine Lehrveranstaltungen abhalten darf. Er befürchtet – so vermute ich –, ich könnte eine meiner Veranstaltungen für die Durchführung der studentischen Befragung nutzen.
Am 17. Januar bitten wir den Vice Chancellor formell auf Institutsbogen, um eine baldige Zulassung der beiden Erhebungen. Unnithan habe dem Vice Chancellor mitgeteilt, so der Vice Chancellor am Telefon, daß wir nicht befugt wären, im Namen des Kölner Instituts Forschungen durchzuführen. Wäre es so, würde König den Vice Chancellor entsprechend gebeten haben. Deshalb solle ich König bitten, sich mit einem entsprechenden Schreiben an die Universität Rajasthan zu wenden.
Also schreibe ich noch am 17. Januar gleich zwei Briefe an König. Einen auf Englisch, damit ich eine Kopie dem Vice Chancellor zustellen kann, und einen auf Deutsch. Den Inhalt dieses Briefes möchte ich im Wortlaut wiedergeben, weil das Original meine damalige Verfassung und Stimmung genau wiedergibt – die eines Missionars für die blond-blauäugig-weiß-christliche Kultur: „Sehr geehrter Herr Professor, wie recht hatten Sie mit Ihrer Annahme, daß ich mir nicht vorstellen könne, wie unterentwickelt Indien sei. Das unakademische Verhalten der großen Bosse an der Universität und das Fehlen jeglicher Courage hat meine Nerven ziemlich strapaziert. Die demokratische Fassade verdeckt ein feudalautokratisches System, das die Heads of the Department mit solcher Macht ausstattet, daß sie praktisch alles tun können, ohne dabei ein Risiko einzugehen. Dr. Unnithan, der unbedingt seinen Namen als Autor in unseren Untersuchungen haben wollte, ist nun wütend, daß wir ihm das nicht gestattet haben. Er versucht nun mit allen Mitteln, sehr gemeinen und sehr unakademischen Mitteln, die Untersuchungen zu stoppen. Und der Vice Chancellor ist machtlos. Ich weiß nicht, ob Ihr Schreiben an den Vice Chancellor tatsächlich helfen wird. Aber wir sollten nichts unversucht lassen. Wenn die Untersuchungen aus diesem Grund scheitern sollten, dann ist das auch ein Ergebnis, worüber ich schreiben sollte und will, denn nur durch die Unterminierung der auf Sand gebauten Reputation und durch die Bloßstellung der hiesigen Normen, die akademisch genannt werden, kann ein Wandel in dem System herbeigeführt werden. Mittlerweile habe ich eine interessante Akte, die veröffentlicht werden sollte. Ich hoffe, daß Sie trotz Ihrer vielen Belastungen das Schreiben an den Vice Chancellor ohne Zeitverlust schicken werden. Mit den besten Wünschen und Empfehlungen, bin ich stets Ihr“
Zwischenzeitlich hat Prof. Verma, Department of Political Science, seine Genehmigung von der Zustimmung der Universitätsleitung abhängig gemacht, weil diese Erhebungen durch eine ausländische Institution durchgeführt würden. Mit dieser Mitteilung stelle ich dem Vice Chancellor eine Kopie meines Schreibens an König auf englisch zu. Unsere Bemühungen, die Befragungen außerhalb des Campus durchzuführen, stoßen im „Law College“ (Ausbildungsstätte für Jurisprudenz) auf ein Hindernis. Der Leiter (Principal Prof. R. N. Varma) hat von dem Registrar erfahren, daß die Erhebungen vom Vice Chancellor noch nicht genehmigt worden sind. Außerdem habe er auch gehört (von wem, will er nicht sagen), daß in diesem Zusammenhang ein Disput über das „Copyright“ liefe.
In meinem Schreiben vom 19. Januar leite ich diese Information an den Vice Chancellor Mathur weiter. Ich teile ihm auch mit, daß meine Frau und ich uns als Vertreter des Forschungsinstituts für Soziologie an der Universität Köln nicht durch irgendeine interne Bestimmung der Universität Rajasthan gebunden fühlen, die Auseinandersetzungen um unsere Forschungsprojekte an die Öffentlichkeit zu tragen.
Am 24. Januar erhalte ich eine ausführliche Antwort von Mathur in freundlicher Diktion, aber mit vielen Tücken. Er bestätigt meine Schreiben vom 17., vom 19. und die Kopie meines Schreibens an König. Er vermerkt, daß er sich freue, daß ich nunmehr über meine Forschungsprojekte an König geschrieben habe (you have now written to Dr. König regarding your research project). Die unüberlesbare Unterstellung ist, daß König mit diesem Schreiben zum ersten Mal über diese beiden Studien unterrichtet wird, sie also bisher keine Projekte des Kölner Instituts gewesen sind.
Mathur sichert zu, daß, wie üblich, die Universität auch mir die größtmögliche akademische Freiheit gewähren wird. Ich sei als Reader auf Zeit im Department eingestellt und arbeite immer noch in dieser Eigenschaft.