Die drei von Cordova. Edgar Wallace
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Читать онлайн книгу Die drei von Cordova - Edgar Wallace страница 3
»Können Sie mir den Weg zum Paseo del Gran Capitán sagen?« fragte er in schlechtem Spanisch.
»Ich gehe selbst dorthin«, erklärte Manfred höflich. »Wenn Sie mich begleiten wollen …«
»Ich wäre Ihnen zu großem Dank verpflichtet«, entgegnete der andere.
Manfred dankte dem Polizisten nochmals, dann gingen die beiden Männer davon.
Sie sprachen über die verschiedensten Dinge, über das Wetter und den schönen Anblick der Kathedrale.
»Du mußt mitkommen und Essley sehen«, sagte der Tourist plötzlich unvermittelt in perfektem Spanisch.
»Erzähle mir doch etwas von ihm«, erwiderte Manfred. »Im Vertrauen gesagt – du hast meine Neugierde geweckt.«
»Es ist eine wichtige Angelegenheit«, entgegnete Poiccart ernst. »Essley ist Arzt in einer Vorstadt von London. Ich habe ihn seit Monaten beobachtet. Er hat nur eine kleine, recht unbedeutende Praxis; augenscheinlich ist das nicht sein Hauptberuf. Außerdem hat er eine merkwürdige Vergangenheit. Er hat in London studiert und ist gleich nach dem Examen mit einem gewissen Henley nach Australien gegangen. Henley war ganz heruntergekommen und im Examen durchgefallen, aber die beiden waren gute Freunde. Das erklärt wahrscheinlich auch, daß sie zusammen auswanderten, um ihr Glück in der Fremde zu suchen. Essley stand völlig allein, und Henley hatte nur einen reichen Onkel irgendwo in Kanada, den er aber niemals gesehen hatte. Sie kamen in Melbourne an und gingen ins Innere des Landes. Sie wollten in den neuen Goldfeldern ihr Heil versuchen, die damals gerade erschlossen wurden. Drei Monate später kam Essley allein dort an – sein Freund war unterwegs gestorben!
Er scheint in den nächsten drei oder vier Jahren keine Praxis begonnen zu haben. Ich habe seine Wanderungen von einem Goldsucherlager zum anderen verfolgen können. Er arbeitete ein wenig und verspielte dann wieder alles. Er wurde allgemein ›Doktor S.‹ genannt – wahrscheinlich eine Abkürzung für ›Essley‹. Erst als er nach Westaustralien kam, machte er den Versuch, sich als Arzt niederzulassen. Seine Praxis war nicht gerade groß, aber sie brachte ihm doch etwas ein. Nach einiger Zeit verschwand er jedoch aus Coolgardie, und erst acht Jahre später tauchte er in London wieder auf.«
Inzwischen hatten sie den Paseo del Gran Capitan erreicht. Die Straßen waren jetzt belebter.
»Ich habe ein paar Zimmer hier gemietet«, sagte Manfred. »Komm mit und trink eine Tasse Tee bei mir.«
Seine Wohnung lag über einem Juwelierladen in der Calle Morería. Die Räume waren schön ausgestattet.
»Besonderen Wert habe ich auf Bequemlichkeit gelegt«, erklärte Manfred, als er aufschloß. Gleich darauf setzte er einen silbernen Kessel auf eine elektrische Kochplatte.
»Der Tisch ist ja für zwei gedeckt?« fragte Poiccart erstaunt.
»Ich erwarte Besuch«, erwiderte Manfred lächelnd. »Manchmal wird unserem lieben Leon das Bettlerleben lästig, dann kommt er als repräsentables Mitglied der Gesellschaft mit der Bahn in Cordova an, um den Luxus des Lebens wieder einmal zu genießen – und mir seine Geschichten zu erzählen. Aber ich möchte gern noch mehr von Essley hören, lieber Poiccart, ich interessiere mich sehr für ihn.«
Der ›Tourist‹ setzte sich in einen tiefen und bequemen Sessel.
»Wo war ich doch gleich stehengeblieben? Ach ja – Doktor Essley verschwand aus Coolgardie und tauchte dann acht Jahre später in London wieder auf.«
»Unter außergewöhnlichen Umständen?«
»Nein, das gerade nicht. Er wurde damals von einem neuen Gewaltigen der Londoner Geschäftswelt lanciert.«
»Etwa von Oberst Black?« fragte Manfred stirnrunzelnd.
»Ja. Diesem Mann verdankt Essley seine Praxis. Er erregte zum erstenmal meine Aufmerksamkeit –«
Es klopfte an der Tür, und Manfred hob warnend den Finger. Er ging hin und öffnete. Der Portier stand draußen, die Mütze in der Hand. Hinter ihm, ein wenig weiter unten auf der Treppe, war ein Fremder zu sehen – anscheinend ein Engländer.
»Señor, ein Herr möchte Sie sprechen.«
»Ich stehe zu Ihren Diensten«, antwortete Manfred, indem er den Besucher auf spanisch anredete.
»Ich kann leider nicht gut Spanisch«, sagte der Mann auf der Treppe.
»Wollen Sie bitte näher treten?«
Manfred sprach nun englisch.
Der Fremde stieg langsam herauf.
Er war etwa fünfzig Jahre alt, hatte langes graues Haar und buschige Augenbrauen. Sein stark hervortretender Unterkiefer machte sein Gesicht nicht gerade einnehmend. Er trug einen schwarzen Anzug und hielt einen breitkrempigen, weichen Filzhut in der behandschuhten Hand.
Als er eingetreten war, blickte er forschend von einem zum andern.
»Mein Name ist Essley«, stellte er sich dann vor.
Er zögerte etwas bei dem doppelten S, so daß das Wort zischend und hart klang.
»Essley«, sagte er noch einmal, als ob er eine besondere Genugtuung bei der Wiederholung seines Namens empfände.
Manfred wies mit der Hand auf einen Stuhl, aber der Fremde schüttelte den Kopf.
»Ich möchte mich nicht setzen«, sagte er schroff. »Wenn ich geschäftlich verhandle, stehe ich lieber.«
Er sah argwöhnisch auf Poiccart.
»Ich möchte Sie in einer privaten Angelegenheit sprechen«, sagte er mit einer gewissen Betonung.
»Mein Freund genießt mein volles Vertrauen«, entgegnete Manfred.
Essley nickte unwillig.
»Ich habe gehört, daß Sie Kriminalwissenschaftler sind und auch eingehende Kenntnisse über Spanien besitzen.«
Manfred zuckte die Schultern. In der Rolle, die er augenblicklich spielte, genoß er einiges Ansehen als wissenschaftlicher Schriftsteller. Er hatte unter dem Namen ›de la Monte‹ ein Buch ›Modernes Verbrechertum‹ veröffentlicht.
»Als ich dies erfuhr, reiste ich nach Cordova«, erklärte Dr. Essley. »Ich habe hier zwar noch andere Dinge zu erledigen, aber die sind nicht so wichtig.«
Er sah sich jetzt doch nach einem Sessel um. Manfred bot ihm einen an, und sein Besucher nahm Platz, indem er sich mit dem Rücken zum Fenster setzte.
»Mr. de la Monte, Sie besitzen eine umfassende Kenntnis des Verbrechens.«
Der Doktor lehnte sich vor und faltete seine Hände über dem Knie.
»Ich habe ein Buch darüber geschrieben, aber das besagt noch nicht unbedingt, daß ich große Kenntnisse besitzen muß«, erwiderte Manfred.
»Das habe ich befürchtet«, entgegnete der andere barsch. »Ich war auch besorgt, daß Sie vielleicht nicht Englisch sprächen. Nun möchte ich eine offene Frage an Sie richten,