Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
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Sabine von der Wellen
Das Vermächtnis aus der Vergangenheit
Teil 3: Die Liebe
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Inhaltsverzeichnis
Drogenkinder
Mein Handy reißt mich aus dem Schlaf. Verwirrt suche ich danach und finde es unter meinem Kopfkissen.
Mir wird klar, dass ich in meinem Bett liege und mich tatsächlich in den Schlaf geweint hatte.
Auf dem Display sehe ich Ellens Nummer, und ich raune kraftlos: „Hallo!“ in den kleinen Apparat.
Ellen ist meine neue Freundin aus der Schule, in die ich seit zwei Tagen gehe. Wir hatten sofort einen besonderen Draht zueinander und verbrachten sogar schon den vergangenen Abend zusammen in der lauten, wilden Partyscene der Osnabrücker Nachtwelt.
Ohne eine Begrüßung höre ich Ellen fröhlich das Gedicht ins Telefon trällern, das wir als Fleißaufgabe von unserer neuen Klassenlehrerin aufgebrummt bekommen haben. Das Gedicht am Montag vortragen zu können, ist die Voraussetzung dafür, dass wir weiterhin Schüler in ihrer Klasse bleiben dürfen.
Als Ellen geendet hat, bittet sie mich um meinen Einsatz. Ich sehe sie vor mir, wie sie ihr Handy in das lockige Gewusel ihrer blonden Haare drückt und ihre braunen Augen zusammenkneift, als ich nicht sofort antworte.
Völlig durcheinander versuche ich erst mal meine Gedanken zu ordnen.
Stotternd und überfordert beginne ich die Strophen aus meinem Gedächtnis zu ziehen, das scheinbar aber beschlossen hat, die Arbeit zu verweigern.
„Wow, vielleicht noch an den Einzelheiten pfeilen und du schaffst das morgen schon irgendwie“, meint Ellen gnädig und will mir damit wohl Mut machen.
„Hoffentlich!“, jammere ich mit weinerlicher Stimme.
„Hey, alles in Ordnung? Du klingst nicht gut“, höre ich sie sofort besorgt fragen.
Ich überlege, was ich ihr sagen soll. Marcel hat mich verlassen und ich Tim, und meine früher mal beste Freundin hasst mich bis zum Sankt Nimmerleinstag. Das ist das bittere Resümee dieses Sonntags.
In mir fühlt sich alles trostlos und traurig an. So beginne ich ihr von Marcel zu erzählen, und dass er jetzt über Tim und mich Bescheid weiß und er mich deshalb zum Mond geschossen hat. Außerdem, dass meine bislang beste Freundin nicht mehr meine Freundin ist, weil Tim sie wegen mir stehen ließ und ich Tim gesagt habe, dass ich nicht mit ihm zusammen sein kann.
„Ellen, alle sind weg. Und das innerhalb von einem Tag. So was kann auch nur ich schaffen“, schluchze ich.
„Ach, die sind doch nicht weg. Weg heißt tot, und das sind die nicht. Du kannst sie alle noch wiedersehen und mit ihnen sprechen, wenn du willst. Glaub mir, weg ist etwas anderes.“ Sie klingt bedrückt und mir ist klar, sie erinnert sich an ihren Alex, der sich mit einer Überdosis in den Himmel beförderte.
Verdammt, das wollte ich nicht! Ellen sollte nicht durch mich an ihren eigenen Kummer erinnert werden.
„Du hast recht. Sie sind nicht weg. Ich habe nur ihre Freundschaft und Liebe verloren. Alles nicht ganz so schlimm“, versuche ich sofort einzulenken und Ellen zu beruhigen. Es tut mir leid, sie mit meinem unbedachten Ausruf an Alex und seinen Tod erinnert zu haben.
„Schon gut. Ich bin ziemlich drüber weg“, sagt sie und ich würde sie am liebsten in den Arm nehmen.
„Gut, dass morgen wieder Alltag ist. Rocken wir morgen die Schule?“, versuche ich mit gespielter guter Laune unsere Stimmung zu heben.
„Klar! Also noch mal von vorne: Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland …“
Ellen ist unerbittlich.
Ich sage es noch mal auf und dann gibt sie es ein weiteres Mal zum Besten. Weil ich noch ziemlich schlecht bin, muss ich auch noch mal ran und bringe immer mehr durcheinander.
Ellen lacht und versucht es mit einer Engelsgeduld so lange, bis auch ich ziemlich textfest bin. Mit ihr zusammen geht es mir wieder besser und ich freue mich auf den Start der neuen Woche. Ellen ist mein Halt und die neue Schule und Osnabrück mein neues Zuhause.
Die komplette Klasse findet sich am Montag wieder im Klassenzimmer ein und unsere Lehrerin ist zufrieden. Sie hatte uns, angesichts der Tatsache, dass es ihr letztes Jahr vor der Rente ist, vor die Wahl gestellt, nicht mehr zu erscheinen oder lern- und wissbegierig zu bestmöglichen Schülern zu mutieren. Sie will aus uns die beste Klasse machen, die sie je befehligte und hat sofort schweres Geschütz aufgefahren, um da keinerlei Missverständnisse aufkommen zu lassen.
Als fünf das Gedicht mehr oder weniger gut vorgetragen haben, ist sie noch zufriedener und gibt für alle in der Cafeteria ein Eis aus. Scheinbar ist sie doch nicht so ein Drachen, wie wir erst befürchteten.
So vergeht die Woche mit viel lernen. Ich fahre jeden Tag mit dem letzten Bus nach Hause und begründe das vor meinen Eltern damit, dass ich mit Ellen zusammen lerne. Meine Mutter ist darüber wenig erfreut, duldet es aber ohne großes Murren.
Sie hatte mich am Montagabend noch