Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen Das Vermächtnis aus der Vergangenheit

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Mama, frag nicht. Es ist endgültig vorbei“, hatte ich nur antworten können und an meinem traurigen Blick und meinen aufsteigenden Tränen merkte sie, dass ich schwer damit kämpfe. Deshalb ist sie wohl froh, dass ich wenigstens in der neuen Schule glücklich bin und dort gute Freunde gefunden habe, die mich auf andere Gedanken bringen. Sie selbst sieht sich mit meinem Zustand schon wieder völlig überfordert.

      Mein Handy bleibt die ganze Woche erschreckend leer und still. Tim schreibt mir kein einziges Mal und ruft mich auch nicht an. Von Marcel höre ich auch nichts, was mir allerdings klar war. Und von Christiane erwarte ich nichts mehr. Auch die anderen Mädels schreiben mir nicht mehr zurück. Scheinbar hat Christiane ihnen erklärt, dass man mich besser meidet. Also liegt mein altes Leben völlig brach.

      Die letzte Scheunenfete des Jahres steht an und ich beschließe, nicht hinzugehen.

      Stattdessen wollen Ellen und Susanne am Freitagabend mit mir durch Osnabrück ziehen und ich sage ihnen sofort zu.

      Susanne kennt noch andere Clubs als Ellen und wir verbringen den Freitagabend mit Tanzen, Reden und Trinken. Mittlerweile habe ich mir sogar schon selbst Zigaretten gekauft, damit ich nicht immer bei den anderen schnorren muss. Dass ich das mal tun würde, hätte ich nie im Leben gedacht.

      Aber Susanne ist den ganzen Abend nicht besonders gut gelaunt. Während Ellen und ich viel Spaß haben, geht ihre Laune immer mehr baden und da es ein langer Tag war, beschließen wir früh zu gehen.

      Ellens Eltern sind erneut das ganze Wochenende unterwegs. Mittlerweile weiß ich, dass ihrem Vater einige Sportgeschäfte in Dortmund, Oldenburg, Bremen und Osnabrück gehören und sie immer irgendwo eingeladen sind oder einfach nur so für einige Tage verschwinden. Ellen weiß eigentlich nie, wo sie gerade sind.

      Ich konnte meine Eltern überreden, das Wochenende bei Ellen bleiben zu dürfen. Auch sie scheinen immer mehr das kinderlose Leben zu genießen, zumal Julian und ich für sie nur noch stressmachende Problemkinder sind.

      Auch in der vergangenen Woche besuchten sie Julian in der Klinik, in der er bis zu seiner Verhandlung sein Dasein fristet. Angeblich weiß er nicht, was er mir und Tim mit seinem Übergriff angetan hatte. So wie meine Mutter es auslegte, kann er sich nicht erinnern, was wirklich vorgefallen war. Aber ich bezweifle, dass er ihnen immer die Wahrheit sagt.

      Es ist spät, als wir zu Ellen aufbrechen wollen. Susanne will nicht mehr mitgehen und so bringen wir sie zu ihrem Bus. Ich vermute langsam, dass sie es nicht gerne sieht, dass Ellen und ich sogar schon ganze Wochenenden zusammen verbringen. Sie zickte in der letzten Stunde, nachdem wir ihr das sagten, fast nur noch herum, als wäre sie eifersüchtig auf mich. So sind wir beide froh, dass wir sie los sind und beschließen, am nächsten Tag die Stadt ohne sie unsicher zu machen.

      Als wir bei Ellen zu Hause ankommen und durch die Seitentür ins Haus gehen wollen, bleibt Ellen beunruhigt stehen. Innen ist scheinbar der Teufel los und sie wirft mir einen schnellen, beunruhigten Blick zu. Als wir die Tür aufschließen, brüllt uns laute Musik entgegen.

      Ellens Bruder Erik kommt aus dem oberen Stockwerk die Treppe hinunter, gefolgt von einem Mädel mit schwarzen Zöpfen, bunter Bluse, schwarzem Rock mit Tüllunterrock, kaputten Netzstrümpfen und Springerstiefeln. Sie ist so dick geschminkt, dass man von ihrem Gesicht kaum was sehen kann.

      Erik schiebt sie an uns vorbei und gibt ihr einen Klaps auf den Hintern, der ihr unmissverständlich klarmacht, dass sie weitergehen soll. Wohin auch immer.

      Ellen schließt wutschnaubend die Tür hinter uns und Erik baut sich direkt vor mir auf und sieht mich an, als hätte er mich noch nie gesehen.

      Er ist fast einen Kopf größer als ich und seine blonden Haare sind heute nicht zurückgekämmt und mit Gel gebändigt. Er hat Locken wie Ellen, die ihm ins Gesicht fallen und unter denen seine Augen seltsam aufblitzen. Mit seiner dunklen, rauchigen Stimme raunt er an mich gerichtet: „Nah, ihr zwei fehlt noch. Wir machen gerade Party. Kommt doch auch ein bisschen dazu.“

      Seine fast netten Worte passen aber irgendwie nicht zu seinem Gesichtsausdruck. Der wirkt eher abweisend, als sein Blick zu Ellen gleitet.

      Die ignoriert seine Worte und stürmt an uns vorbei die Treppe hoch. Dabei schnauft sie wütend wie ein Stier.

      Ich bin etwas irritiert, weil sie so aufgebracht ist. Was regt sie so auf?

      Ich folge ihr, um Eriks Aufmerksamkeit nicht weiter herauszufordern. Er soll sich besser um andere kümmern.

      Ellen folgt unterdes der immer lauter werdenden Musik in Eriks Wohnbereich, dessen dunkle Tür heute weit offensteht.

      Ich bleibe unschlüssig an der Treppe stehen und warte lieber darauf, dass sie wieder herauskommt. Aber die Musik ist gut und ich höre Stimmen aus Eriks Wohnung in den Flur dringen, die gute Laune verkünden.

      Plötzlich spüre ich eine Bewegung hinter mir und sehe mich erschrocken um. Erik steht direkt hinter mir auf der Treppe und sieht mich immer noch so seltsam an. Sein schwarzes T-Shirt und seine verwaschene Jeans zeigen klar ersichtlich, dass er ziemlich durchtrainiert ist.

      Heute fällt mir das besonders auf. Am letzten Wochenende, wo ich ihm schon begegnet war, hatte ich das weitgehendst zu übersehen versucht, noch völlig von Marcel und Tim ausgefüllt. Aber heute registriere ich das – was mir gar nicht gefällt. Schließlich soll mein Interesse an Männern für die nächste Ewigkeit ausgelöscht sein. Doch dass er uns nun folgte und sich hinter mir aufbaut, wie eine undurchdringliche Mauer, macht mich nervös. Warum lässt er mich nicht einfach in Ruhe? Schließlich wartet unten ein Mädel auf ihn, der er eben noch sein ganzes Interesse geschenkt hatte.

      Ich spüre seine Hand auf meinem Rücken, die mich weiterdrängt. Um seiner Berührung zu entgehen, folge ich Ellen schnell, die irgendwohin in Eriks Wohnbereich verschwunden ist. Da ich in Eriks Teil des oberen Stockwerks noch nicht war, und nur Ellens kenne, kann ich meine Überraschung kaum verbergen, als ich durch einen kleinen Flur in ein separates Wohnzimmer gelange. Seine Wohnung muss viel größer als Ellens sein. Ellen hat ein Zimmer, das Wohn- und Schlafzimmer zugleich ist.

      Einige junge Männer und drei Mädels sitzen oder stehen mit einer Bierflasche oder seltsam bunten Getränken in der Hand in dem großen Raum. Ein riesiger Fernseher zeigt Musikvideos. Unscheinbare Boxen mit einer unglaublichen Klangstärke, die an den Wänden angebaut sind, geben die Musik aus den Videos wieder. Ein Sofa und ein Sessel sind vor dem Fernseher gruppiert und auf dem kleinen Wohnzimmertisch stehen seltsame Gefäße und Flaschen, sowie Gläser mit einem bunten Getränk. Ein dicker, bunter Aschenbecher prangt zwischen all dem Kram. An der seitlichen Wand stehen ein großes Sideboard und ein bis zur Decke reichender Schrank.

      „Mann Erik! Was stinkt das hier drinnen?“, faucht Ellen außer sich und ich sehe sie nur irritiert an. Warum ist sie so wütend? Ich rieche den süßen Geruch auch, kann aber nicht bestimmen von was das ist. Aber das Ellen sich deswegen aufregt, verstehe ich nicht.

      „Komm Schwesterchen. Reg dich ab und trink etwas mit mir“, raunt Erik und sein Blick wandert erneut in mein Gesicht. „Ihr könnt bei dem Lärm eh nicht schlafen.“

      Ich sehe Ellen an und lächele ihr zu. Mir will nicht in den Sinn kommen, warum sie hier den Moralapostel spielt. Sie ist sonst auch nicht so und kann schlecht die Party ihres großen Bruders crashen.

      In einem Anfall von „Geschwister sollten nett zueinander sein“ sage ich: „Kurz können wir doch. Ein Getränk, okay?“, um die Stimmung zwischen den beiden etwas zu entschärfen.

      Mir selbst geht es im Moment zu gut, und ich

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