Ströme meines Ozeans. Ole R. Börgdahl

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Ströme meines Ozeans - Ole R. Börgdahl

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die Cléopâtre schon vor über einem Jahr Premiere hatte. Die Geschichte von Antonius und Kleopatra wurde Madame Bernhardt auf den Leib geschrieben. All dies ist nicht meine eigene Meinung, vielmehr habe ich von den Gesprächen der etwas sachkundigeren Theaterbesucher gelernt, obwohl ich es sicherlich jetzt bestätigen kann. Sarah Bernhardt war jedenfalls einzigartig, und wenn Victor auch nicht viel für das Theater übrighat, habe ich ihm das Versprechen abgenommen, dass dies nicht unser letzter Besuch war. Es war schon sehr spät, schon nach Mitternacht, als wir das Theater endlich verlassen haben. Die Droschken haben schon gewartet, als wenn sie das Programm gekannt hätten und wir sind schließlich ohne Umwege zurück nach Hause gefahren.

      Paris, 27. September 1891

      In meinem letzten Brief habe ich Mutter gebeten, mir das Strand Magazine weiterhin zu schicken. Mit ihrer Antwort habe ich heute die Ausgabe für den August und den September erhalten. In beiden Heften wurden die Detektivgeschichten fortgesetzt, was mich unendlich freut und mir in den nächsten Tagen viel Vergnügen bereiten soll. Ich habe bereits herausgefunden, dass der Autor der Geschichten, ein Mr. Doyle, auch in Paris kein Unbekannter mehr ist. Es gibt zwei Romane, in denen die Leser bereits vor zwei Jahren Bekanntschaft mit Mr. Sherlock Holmes und seinem Freund und Biographen Dr. Watson gemacht haben. Sie sind hier in Paris natürlich auf Französisch zu erhalten, aber ich interessiere mich mehr für den englischen Text. Ich habe Mutter gegenüber schon entsprechende Wünsche geäußert und ich hoffe, sie wird in Liverpool fündig. Ob ich mir die französischen Ausgaben dann auch noch besorge, wäre zu überlegen.

      Paris, 30. September 1891

      Colonel Dubois wurde heute verabschiedet. Es ist schon länger davon die Rede, dass es keinen Nachfolger geben wird. Das Ressort soll mit einem anderen zusammengelegt werden. Wer dann Victors Vorgesetzter wird, ist noch nicht bekannt.

      Paris, 14. Oktober 1891

      Madame Bernier ist tatsächlich fort. Ich habe es Mutter geschrieben, aber sie hat es schon gewusst. Madame Bernier hatte sich sogar bei ihr beschwert. Es ist schade, aber nicht zu ändern. Jeanette lebt jetzt richtig auf. Sie ist viel verantwortungsbewusster geworden, seitdem Madame Bernier ihr nicht mehr vorsteht. Victor ist damit einverstanden, dass wir ihr Gehalt ein wenig aufbessern. Sie kauft jetzt ein und führt die Haushaltskasse. Victor meint, dass sie ganz gut rechnen könne und keine Fehler macht.

      Paris, 26. Oktober 1891

      Heute kam Victor mit einer guten und einer schlechten Nachricht nach Hause. Zuerst die gute Nachricht, mein Lieutenant hat die Aussicht, zum Capitaine befördert zu werden. Capitaine Victor Jasoline. Ich finde es klingt fantastisch. Aber halt, es könnte fantastisch klingen, denn da ist ja noch die schlechte Nachricht. In Paris gibt es für Victor vorerst keinen Posten als Capitaine. Anders wäre es, wenn er sich nach Nantes versetzen ließe. Es wäre nur für ein Jahr, dann könnte er wieder nach Paris zurückkehren und könnte im Stab eines Brigadegenerals unterkommen. Wir haben schon überlegt, ein Jahr ist doch recht lang. Wir müssen aus Paris fort, jetzt, wo wir das Haus umgebaut haben. Ich bin Victors Frau und wo er hingeht, gehe auch ich hin, das ist für mich selbstverständlich. Ich bin allerdings auch ein bisschen neugierig auf eine neue Stadt. Ein Umzug muss natürlich vorbereitet sein, auch wenn es nur für ein Jahr ist. Wir müssen in Nantes eine neue Wohnung finden. Ich kann nicht mehr bei Monsieur Rolland arbeiten und ich weiß auch nicht, ob er mich wieder nimmt, wenn wir nach diesem einen Jahr zurück in Paris sind. Jeanette haben wir auch noch nicht gefragt, ob sie uns begleiten will. Es wäre schade, wenn wir sie nun auch noch verlieren würden, jetzt wo sie ihre neuen Aufgaben so gut erledigt.

      Paris, 1. November 1891

      Mein schönstes Geburtstagsgeschenk ist Victors Beförderung. Ich will nicht zu übermütig sein, noch ist es ja nicht durch, aber es wurde ihm am Freitag noch einmal bestätigt und dass die Zeit in Nantes wohl nicht länger als sechs Monate dauern würde. Mir ist dies allerdings egal, ob sechs Monate oder ein Jahr, ich glaube es wird eine schöne Zeit. Der heutige Tag verspricht ebenfalls schön zu werden. Am Vormittag hatten wir schon reichlich Sonne, obwohl es etwas kühl ist. Wir werden meinen Geburtstag am Nachmittag in einem Café feiern, nur für uns und vielleicht ist ja auch ein Spaziergang im Park möglich.

      Paris, 25. November 1891

      Ich war nur ein paar Tage in Nantes und jetzt bin ich schon wieder in Paris. Es ist mir natürlich nicht über, aber uns fehlen noch einige Dinge aus unserem Pariser Haushalt, die wir jetzt doch mitnehmen müssen. Es begann mit Victors Dienstwohnung. Victor hat mich noch beruhigt, dass wir eine Wohnung gestellt bekämen. Er hatte sie sich Anfang des Monats schon einmal angesehen und war zufrieden. Ich habe einen kleinen Schreck bekommen. Die Wohnung liegt im Hafen, direkt über den Büros der Hafenkommandantur. Es gibt dort genau fünf Wohnungen. Es sieht alles aus wie in einer Kaserne. Victor war jahrelang nichts anderes gewöhnt, mich stört es aber, mit jungen Kadetten und ledigen Offizieren Tür an Tür zu wohnen. In der Tat wohnen dort nur ledige Herren, für die die Wohnungen groß genug sein mögen. Wir hingegen brauchen Platz für uns und Jeanette. Ein Schlafraum und ein Wohnzimmer, das auch noch die Küche beherbergt, reichen da nicht aus. Auch wenn es nur für einige Monate ist, muss es ein wenig Komfort besitzen. Es hat genau einen Tag gedauert, bis wir ein Haus gefunden haben. Es liegt in einer ruhigen Straße. Victor kann in zwanzig Minuten zu Fuß den Hafen erreichen, mit einer Droschke in nicht einmal fünf Minuten. Jeanette und ich haben gemeinsam entschieden und das war auch gut so, denn ihr muss es ja schließlich auch zusagen, wo sie der gute Geist unseres neuen Heimes werden soll. In Nantes war es in den letzten Tagen schon recht kühl. Ich hoffe nur, wir können die Nähe der Küste genießen, wenn es Frühjahr und Sommer wird.

      Gayton, 29. Dezember 1891

      Die Feiertage haben wir bei Mutter und Vater verbracht und werden sogar noch bis Neujahr in Gayton bleiben. Wir wissen ja auch nicht, wie oft wir im nächsten Jahr Gelegenheit haben, nach England zu kommen. Natürlich haben wir nicht nur Weihnachten gefeiert, sondern auch unseren ersten Hochzeitstag. Victor hat mir einen neuen Federhalter geschenkt. Er ist wunderschön, der Griff und die Feder sind vergoldet. Es ist wie ein Schmuckstück, nur praktischer, denn diese Zeilen hier entstehen schon mit meinem neuen Schreibgerät. In England werden die Weihnachtsgeschenke erst am Morgen des 25. Dezember verteilt und so haben wir es auch gehalten. Ich will gar nicht weiter aufzählen, was wir uns dann noch alles geschenkt haben, Vater, Mutter, Victor und ich. Nur eines möchte ich erwähnen, denn zu dem, was ich von den Eltern bekommen habe, gehörte auch das Strand Magazine mit dem neusten Holmes-Fall, den ich schnell verschlungen habe. Diesmal hat mich die Geschichte sogar zum Nachdenken gebracht. In Paris finde ich es fast selbstverständlich, den Bettlern ein paar Sous hinzuwerfen. Jetzt habe ich aber gelernt, dass ein Bettler gar nicht so arm sein muss, wie er sich in seinen schmutzigen und zerrissenen Kleidern gibt. Sherlock Holmes hat einen Bettler entlarvt, der sich in London ein Vermögen verdient hat. Seine Leiden waren lediglich vorgetäuscht. Auch wenn die Geschichte nur erdacht ist, so kann ich mir schon vorstellen, dass ein Sous zum anderen kommt, wenn jeder etwas gibt, weil er meint, dass es doch nur ein geringes Almosen ist. Die Zahl der Gönner steigt am Ende eines Tages vielleicht auf fünfzig, sechzig oder gar hundert an und so kommen leicht zwanzig oder dreißig Francs zusammen, eine anständige Summe, die über Tage und Wochen gerechnet, den Bettler wohlhabend machen kann. Die Bettler müssen sich künftig bei Mr. Doyle beschweren, wenn sie sich wundern, dass ich nicht mehr so freigiebig bin. Miss Hutchinson interessiert sich übrigens auch für den Holmes. Ich habe ihr das Heft geliehen und sie hat es mir schon am nächsten Tag zurückgebracht. Sie muss es nachts gelesen haben, denn am Tage hatte sie doch im Haushalt der Eltern genug zu tun.

      1892

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