Der verborgene Erbe. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Der verborgene Erbe - Billy Remie страница 13
Und dies war erst der Anfang.
Rahffs Gast setzte sich und überschlug vornehm die langen Beine. Er war ein großer, schlanker Mann, ganz offensichtlich ein Politiker, kein Krieger. Sein Blick war kühl, ein wenig überheblich, aber nicht herablassend. Geduldig wartete er ab, was der König im zu sagen hatte, ohne ungeduldig zu schnauben, während Rahff ihn eingehend betrachtete. Der Mann strich sich über Brust und Bauch und glättete dabei die beigefarbene Seide, die hauteng an seinem Körper lag. Wäre er nur etwas kleiner, seine Haut heller und seine Augen rund und groß, hätte er Rahff mit seiner Haltung und seinem Blick an Sevkin erinnert.
Als die Erinnerung an seinen jüngsten Sohn wie ein Gespenst durch seinen Kopf spukte, verspürte Rahff einen todeskalten Stich im Herzen.
Nicht nur, dass er um ihn trauerte, wäre Sevkin nicht gehängt worden, hätte Rahff auch Cohen nicht verloren. Dessen war er sich sicher.
Er räusperte sich und zwang sich, den Kopf aufrecht zu halten, weil er vor seinem Gast niemals geknickt wirken wollte.
»Nun denn«, begann Rahff ruhig und gelassen, als litte er keine unerträglichen Schmerzen, körperlich und im Geiste. »Ich nehme an, Euer Vater reiste nicht mit Euch, Si`haas?«
Si`haas lächelte Rahff an. »Vergebung, nein.«
Rahff lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Nun, ich nehme an, der Lord von Gino hat viel zu tun, das kann ich verstehen und verzeihen. Ich rechnete ohnehin mit einem Gesandten, aber da er mir seinen einzigen Sohn schickt, vermute ich, dass er die Hand der Freundschaft annehmen möchte, die ich versucht bin, ihm zu reichen.«
Wieder umspielte ein leichtes Lächeln die Lippen des anderen Mannes. »Um ehrlich zu sein, mein König, sagte mein Vater auf Euer Drängen nach einer Verhandlung hin, er würde Euch nur dann anhören, wenn er Euch hinterher den Kopf abschlagen und Euren falschen Göttern zum Fraß vorwerfen kann.«
Rahff hatte mit nichts anderem gerechnet. Dennoch machte ihn die Antwort wütend, er rieb sich gereizt das bandagierte Kinn, seine Wunde pochte. »Was wollt Ihr dann hier?«
Si`haas lächelte erneut, dieses Mal wirkte er listig. »Mein Vater weiß nichts davon, dass ich jetzt hier bin, er wollte Euch die Antwort schuldig bleiben. Aber ich denke, ein Gespräch hat noch niemanden geschadet, mein König.« Er neigte ergebend das Haupt. »Unter dem Schatten des Krieges leben nicht nur grausame Männer. Lasst uns reden und sehen, was wir für unsere Völker tun können.«
»Und Euer Vater?«
»Warten wir ab, ob uns das gefällt, was wir uns zu sagen haben, erst dann machen wir uns Gedanken über meinen Vater«, lächelte Si`haas mit einem gerissenen Funkeln in den Augen.
Rahff rang es doch tatsächlich ein leichtes Lächeln ab, das beinahe entspannt wirkte. Seufzend stand er auf, obwohl seine Beine müde waren, und ging hinüber zu einem Beistelltisch, auf dem Wein und ungefüllte Becher warteten.
»Wir scheinen immerhin dieselbe Sprache zu sprechen«, bemerkte Rahff in vielerlei Sinne und füllte zwei Becher mit Wein, die er zum Tisch mitnahm und einen davon seinem dankbaren Gast reichte. »Wein, um die Kehle zu befeuchten.«
»Und um unsere Zungen zu lockern«, bemerkte Si`haas belustigt, ohne jede Spur von Argwohn. Sie prosteten sich zu, Si`haas wartete ab, bis Rahff einen Schluck nahm, erst dann traute er sich, ebenfalls vom Wein zu kosten.
»Gewiss nicht so vollmündig wie Eure Weine«, entschuldigte sich Rahff, »aber sicherlich nicht vergiftet.«
»Vorsicht ist der Nachsicht stets vorzuziehen«, prostete Si`haas und nahm noch einen Schluck. Der Wein schien ihm zu schmecken. »Trocken. Das mag ich. Unsere Weine sind mehr süß, sehr lieblich. Auf Dauer bekommt dies meinem Magen nicht.«
Rahff rang sich ein Lächeln ab. Obwohl er wusste, dass Plaudereien zu solchen Spielchen dazu gehörten, war er an jenem Tag gewiss nicht in der Lage, sich mit Belanglosem aufzuhalten. Er schwankte bereits wieder, die Heilkräuter machten ihn müde, das Räucherkraut gegen seine Schmerzen ließ allmählich nach, sein Körper verlangte nach Ruhe und Schlaf. Aber er hatte noch mehr zu erledigen, als dieses Gespräch, bevor er sich den Gang zurück zu seinen Gemächern erlauben konnte, wo ihn wieder die Alpträume von Drachen und verräterischen Söhnen heimsuchten.
Dabei empfand er gegenüber Cohen keinerlei Hass. Er fürchtete sich mehr als alles andere davor, das Cohen sterben könnte. Und jetzt war Rahff nicht mehr in der Lage, ihn zu schützen.
Hingegen hatte Rahff, seit der Begegnung in Osten mit M`Shier, für diesen alten Feind tiefe Hassgefühle übrig. Zuvor hatte er M`Shier bis zu einem gewissen Grad immer respektiert, obwohl sie Feinde waren. Rahff hatte ihn ein wenig bewundert, aber auch ein wenig gefürchtet, wie jeder kluge Mann seine Feinde bewunderte und fürchtete, wenn sie Respekt verdienten. Aber gehasst hatte Rahff M`Shier nie. Niemals. Er hatte sogar immer ein gewisses Maß an Mitleid für ihn empfunden, weil er den Schmerz nachvollziehen konnte. M`Shier hatte König und Heimat verloren, er hatte letztlich alles verloren. Rahff hatte mit ihm gefühlt. Bis zu jenem Tag, als M`Shier ihm seinen Sohn genommen hatte. Seinen einzig verbliebenen Sohn. Seinen Cohen, den er mit Stolz heranwachsen gesehen hatte. M`Shier hatte Rahff seinen kleinen Cohen gestohlen. Und noch mehr, er hatte ihn entweiht. Ihn zu seinem Eigen gemacht. Rahff befürchtete für Cohen, dass es M`Shier nur um Rache und um sonst nichts ging.
Aber so sehr Rahff Cohen auch liebte, es war zu spät für seinen Sohn. Cohen hatte seinen Weg gewählt, Rahff war von jetzt an nicht mehr in der Lage, etwas daran zu ändern. Cohen war erwachsen, er musste die Konsequenzen seiner Entscheidungen tragen, Rahff konnte ihn nicht beschützen. Nun waren sie Feinde, und das Wissen darum zerriss ihn innerlich, und fachte das Feuer seiner Wut auf M`Shier noch weiter an.
Doch es stand schlecht um Rahffs Truppen, nachdem viele seiner Anhänger nach dem Anblick des Blutdrachen Fahnenflüchtig geworden waren. Was ihn schließlich zurück zu seinem Gast und seinem Anliegen brachte.
»Reden wir nicht lange drumherum«, seufzte Rahff müde, »oder tun so, als wüssten wir nicht beide ganz genau, worum es geht. Wir sind im Krieg, aber keiner von uns kann sich weitere Schlachten leisten. Noch vor dem Winter war es meinen Truppen gelungen, die Versorgungswege Eurer Truppen abzuschneiden. Hunger und Kälte hat Eure Armee aus den Wäldern zurück in Eure Ländereien getrieben. Schavellens Truppen gelang ein Vorstoß bis zu einer Eurer Tempelanlagen.«
»Die Ihr geplündert habt«, bemerkte Si`haas. Jedoch wirkte er keineswegs empört oder gar verstimmt deswegen. Er blinzelte lediglich gelassen.
»Kriegsverbrechen bleiben nicht aus«, tat Rahff die Sache ab. »Lord Schavellen benötigte Ressourcen, um die Grenzen zu sichern.«
»Im Tempel war nur leider nichts zu holen.«
»Er fand Gold.«
»Gold, das ihm nicht zusteht«, sagte Si`haas, nun doch wütend geworden. Gold schien ihm wichtig. »Gold, das uns gehört. Meinem Vater, und eines Tages mir. Gold, das wir versprachen, Euch für einen guten Preis zu verkaufen. Wir hätten dieses Handelsabkommen wahrlich gut gebrauchen können, Eure Hoheit. Die Ernten fallen jährlich schlechter aus, schon vor dem Krieg. Jeder kommende Sommer wird heißer, trockener. Keine Saat will mehr sprießen. Wir hätten gut und gerne einen Sack Getreide gegen einen Karren Goldbarren eingetauscht. Wir wollten nicht einmal Silber. Aber Schavellen wollte nicht für das Gold bezahlen, das seiner Meinung nach