Der verborgene Erbe. Billy Remie

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Der verborgene Erbe - Billy Remie Legenden aus Nohva 5

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»Ich werde den Jungen töten!«

      Die Hexen kicherten düster, was ihn unsicher umherblicken ließ. Rahff war kein Mann, der sich schnell einschüchtern ließ, aber in ihren Augen und Blicken stand ein Wissen, das ihn eine Gänsehaut einbrachte.

      »Was lässt Euch glauben, wir sprechend von dem Jungen?«, fragte die Hexe mit den schwarzen Haaren und den verschlagenen dunklen Augen. Die Weißhaarige kicherte, als sie Rahffs verwirrten Blick bemerkte. »Ihr werdet die Krone verlieren, wenn Ihr nicht bald die Wahrheit erkennt, falscher König«, warnte ihn die Blonde mit einem amüsierten Funkeln in den Augen. »Der rechtmäßige König ist Euch nicht fremd. Und er kommt Euch Tag für Tag näher.«

      3

      Donnergrollen weckte ihn in der Nacht. Vielleicht waren es auch die darauffolgenden grellen Blitze, die nicht einmal von den schweren Samtvorhängen seiner Gemächer gemildert werden konnten. Sein Bett war warm und weich, die schweren Decken hatte er über die nackten Beine bis zur Hüfte hochgezogen. Er murmelte im Schlaf, während er langsam erwachte. Sein Unmut darüber, noch vor dem Morgengrauen geweckt worden zu sein, verflog jedoch schnell, als er sich umdrehte und seinen nackten Körper an den warmen Leib kuschelte, der neben ihm im Bett lag und ihm das Gefühl von Geborgenheit und Heimat vermittelte.

      In solchen Momenten fühlte er sich glücklich, wenn die Gedanken und der Morgen noch fern waren und nur er, sein Bett, und der Mann darin existierten, als gäbe es sonst nichts in seinem Leben, das sonst noch eine Bedeutung hätte.

      Jene Stunden waren erfüllt von reiner Gegenwart, in ihnen besaß er weder Vergangenheit noch Zukunft, er lebte nur im Jetzt.

      Doch das sorglose Gefühl wurde von einer seltsamen Empfindung überschattet, die durch seinen schlaftrunkenen Verstand drang und ihm die Schwere der Müdigkeit raubte. Denn plötzlich fühlte er eine dritte Präsenz im Raum, die ihm auf mysteriöse Weise ebenso fremd wie vertraut war.

      Desiderius fuhr erschrocken auf, eine Hand auf Cohens schlafenden Leib liegend, der sich unter der dicken Samtdecke bei ruhigen Atemzügen leicht hob und senkte. Es hatte eine Zeit gegeben, da war Desiderius bei jedem Erwachen immer wieder der festen Überzeugung erlegen gewesen, Wexmell würde neben ihm liegen. Nach zwanzig Jahren Zweisamkeit war dies wohl auch nicht verwunderlich. Doch Cohen hatte Nacht für Nacht wie ein Löwe darum gekämpft, diese Gedanken aus Desiderius` Bewusstsein zu verdrängen, indem er mit gesamten Körpereinsatz Desiderius daran erinnerte, an wessen Körper er sich im Schlaf gekuschelt hatte – und was dieser zutun vermochte. Welche Gelüste er entfachen und gleichermaßen wieder stillen konnte.

      Desiderius tat sein Bestes, um Cohen nicht das Gefühl zu geben, nur zweite Wahl oder gar nur ein Trostpreis zu sein, nachdem sein Geliebter ermordet worden war. Und es tat seinem eigenen Gemütszustand gut, sich abzulenken und nicht ununterbrochen wehmütig an Wexmell zu denken. Jedoch war und wird er niemals in der Lage sein, Wexmell zu vergessen.

      Doch er war rücksichtsvoll genug, Cohen nicht an jenen Gedanken teilhaben zu lassen.

      Was er nun in seinem Schlafgemach spürte, war jedoch nicht die Erinnerung an Wexmell, auch nicht dessen Geist, der ihn vielleicht – oder vielleicht auch nicht – beobachtete.

      Nein, Wexmells Nähe hätte Desiderius sofort erkannt. Es war jemand anderes im Raum.

      Oder Etwas anderes.

      Desiderius sah sich um, konnte jedoch auf den ersten Blick nichts entdecken.

      »Zazar?«, flüsterte er in die Dunkelheit hinein, darauf hoffend, Cohen nicht zu wecken. Es war dennoch ungewöhnlich, dass Cohen sich tatsächlich nicht rührte, denn für gewöhnlich hatte der junge Mann einen sehr leichten Schlaf, aus dem er schnell aufschreckte; schneller noch als der stets wachsame Desiderius.

      Niemand antwortete ihm, auch nicht auf sein zweites Flüstern. Angestrengt starrte er in die Dunkelheit, doch er wusste bereits, dass es auch nicht sein Bruder war, der mal wieder unerlaubt, und seine Privatsphäre ignorierend, in den Raum gekommen war, um ihn zu beobachten. Desiderius‘ Herz schlug wie wild in seiner Brust, sein Körper antwortete mit Wachsamkeit auf die unbekannte Bedrohung.

      Doch es war kein Feind, der ihm auflauern sollte.

      Als dann ein weiterer Blitz den Raum erhellte, sah Desiderius es.

      Oder besser gesagt, sah er ihn.

      Erschrocken zuckte er bei dem Anblick des Umrisses zusammen. Ein großer Mann stand vor den Vorhängen des Balkons, die Blitze hinter den Fenstern beleuchteten gelegentlich seine muskulöse Gestalt, jedoch war außer seiner Statur nichts von ihm zu erkennen. Er war wie ein Schatten. Der Schatten eines Mannes, der keinen Körper mehr besaß.

      Desiderius blinzelte, in der Hoffnung, die Erscheinung möge verschwinden. Doch er konnte spüren, dass der Schatten blieb, noch bevor er die Augen wieder öffnete, um sich davon zu überzeugen.

      »Wer bist du?«, fragte er halblaut. Seine dunkle Stimme war rau vom tiefen Schlaf und bebend vor Nervosität. Ihm gefiel die Präsenz nicht, die von dem Schatten ausging. So fremd, und doch seltsam vertraut. Als würde man nach Jahrzehnten einem alten Freund gegenüberstehen, den man längst vergessen hatte, dem man sich urplötzlich jedoch wieder nahe fühlte, als wäre kaum ein Tag seit dem letzten Wiedersehen vergangen.

      Desiderius überlegte bereits fieberhaft, ob es ihm gelingen würde, herum zu wirbeln und nach seinem Schwert zu greifen, das in der Nähe seiner Bettseite an einem Sessel lehnte, der hervorragend als Rüstungsablage diente, wenn er sich abends auszog, um zu Cohen unter die Decken zu schlüpfen.

      Als hätte der Schatten seine Gedanken erraten, schüttelte er im Licht eines Blitzes warnend den Kopf.

      Desiderius fuhr zusammen, als plötzlich eine Fackel im Raum ohne sein Zutun aufflammte und seine Gemächer erhellte. Sie hing an der Tür, ihre warmen Flammen zuckten und warfen bewegte Schatten an die nackten Wände.

      Als er sich wieder zum Fenster wandte, war der Schatten plötzlich verschwunden. Aufgebracht sah er sich um, zweifelte bereits an seinem Verstand. Vielleicht hatte er sich den Umriss im dunklen Zimmer auch nur eingebildet. Vielleicht hatte er geschlafen, und war gerade erst erwacht. Wie so oft, musste er vergessen haben, die Fackel an der Tür zu löschen, nachdem Cohen und er getan hatten, was sie gerne bei Licht zusammen taten.

      Desiderius wollte gerade aufstehen, um das Zimmer in Dunkelheit zu hüllen, als er den Schatten wieder erblickte.

      Er stand in der offenen Tür, hinter der ein dunkler Gang in eine tiefe Schwärze führte, die endlos zu sein schien. Der Schatten nickte in die Dunkelheit und bedeutete ihm, ihm durch den Flur zu folgen.

      Für einen Moment starrte Desiderius dem dunklen Umriss nach, bis dieser im Gang mit der Finsternis verschmolz und verschwand. Ein Ruck ging durch ihn durch, als die Neugierde über die Vorsicht siegte. Doch sorglos folgte er nicht, dafür hatte er in seinem Leben genug gelernt. Er warf sich seinen schweren Morgenmantel über und zerrte ihn mit dem Waffengürtel zusammen, an dem sein Schwert hing.

      An der offenen Tür nahm er die Fackel aus der Vorrichtung und folgte dem Schatten.

      Die Flure und Treppen der Festung waren verlassen und totenstill in der Nacht. Alle schliefen noch tief und fest, Menschen wie Tiere, selbst die Mäuse im Gemäuer schienen zu schlummern.

      Es war die Stunde der Geister, so tief in der Nacht, dass kaum ein sterbliches Wesen im wachen Zustand war. Es war unheimlich,

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