Der verborgene Erbe. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Der verborgene Erbe - Billy Remie страница 21
»Das ist nicht gerecht, Ihr seid unbesiegbar!« Einer der Soldaten stampfte aufmüpfig mit dem Fuß auf.
Desiderius sah in seinen jungen Augen die gleiche Frustration wie bei all den anderen. Es lag keineswegs an irgendeinem Mangel ihrer Fähigkeiten, dass sie an Bellzazar scheiterten, diese Männer waren sich einfach noch nicht sicher, wofür sie sich überhaupt in eine solche Gefahr begeben sollten. Sie hätten keinen Augenblick gezögert, sich gegen Rahffs und Schavellens Truppen zu stellen, doch als Desiderius vor einigen Wochen ihr erstes Ziel verkündet hatte, waren sie unsicher geworden.
»Unsterblich, aber nicht unbesiegbar, mein sterblicher Freund«, wandte Bellzazar ein. Er schritt vor der sich langsam wieder aufstellenden Reihe der Soldaten wie ein strenger General auf und ab. Desiderius hatte den Eindruck, sein Bruder wäre für diesen Posten geboren worden. Das brachte ihn zum Schmunzeln.
»Wenn ihr mich bereits für unbesiegbar haltet, dann wird euch eine unerfreuliche Überraschung erwarten, denn ich bin bei weitem nicht so stark, wie die Dämonen, auf die wir treffen werden, und ich habe nicht einmal meine ganzen Kräfte benutzt. Ihr müsst euch jetzt mal alle zusammennehmen.«
»Warum wir?«, rief einer der Kommandanten zornig. »Was ist mit den Desserteuren, diesen dreckigen Menschen? Warum schicken wir die nicht an die Front?«
»Ja«, stimmten einige mit ihm überein.
»Sie sind doch auch Schuld, dass die Dämonen einen Weg in unsere Welt fanden!«
»Schnauze!«, schalte Bellzazar sie. »Denn genau genommen ist jeder Sterbliche schuld daran. Ja, selbst ihr, eure Eltern, selbst eure lieben Großmütter, haben das Land zu dem gemacht, was es heute ist: verbrannt vom Krieg. Asche.«
Bellzazar ließ die Worte einen Moment wirken, ehe er etwas versöhnlicher fortfuhr: »Außerdem solltet ihr nicht gegen eure Verbündeten sticheln. Ja, sie sind Menschen, aber auch Soldaten wie ihr es seid. Sie haben nur getan, was ihre Pflicht war, hatten aber den Mut, ihre Ehre mit Füßen zu treten, um den Unschuldigen zu helfen. Steht zusammen, wir sind zu wenige, um uns den Luxus erlauben zu können, andere zu hassen.«
»Und außerdem seid ihr Luzianer!« Desiderius laute Stimme ließ die geknickt hängengelassenen Köpfe der mutlosen Soldaten wieder aufsehen.
Er kam die Treppe hinunter und ging mit vor Stolz erhobenem Kinn auf die Linie zu. »Unser Volk kann nicht von Dämonen besessen sein. Wollt ihr lieber die wenigen Menschen vorschicken, die sich uns als Verbündete anschlossen, und unseren Sieg riskieren, weil ihr selbst Angst habt?«
Räuspern und Husten ging durch die Reihen, kaum einer wagte es, Desiderius‘ in die Augen zu blicken, und diejenigen, die es taten, senkten umgehend wieder ihre Köpfe.
»Gleichwohl ich diese Furcht verstehe«, lenkte Desiderius ein und lächelte die Soldaten an, deren Augen ihn durch die winzigen Öffnungen ihrer hellglänzenden Eisenhelme entgegensahen. »Auch ich fürchte die Magie, vor allem Zazars Taschenspielertricks.«
Sie lachten zögerlich.
»Aber ich werde euch beweisen, dass selbst Dämonen fallen!« Desiderius zog das Drachenflügelschwert aus der Scheide. Für einen herrlichen Moment erklang die Melodie der Klinge auf dem totenstillen Hof, ehe der lauwarme Wind sie ins Gebirge hinaustragen konnte. Auf einer nahegelegenen Weide wieherte Wanderer und tänzelte aufgeregt am Zaun auf und ab, als erwartete er, dass sie umgehend in eine Schlacht reiten würden.
Der arme Hengst benötigte dringend Beschäftigung. Während seiner Genesung und den Übungen danach, hatte Desiderius kaum Zeit für seinen Rappen gefunden. Er nahm sich vor, mal wieder gemeinsam mit Cohen am Abend einen Ausritt mit Wanderer zu machen. Damit würde er auch bei Cohen wieder gut machen, dass er ihn allein im Wasser zurückgelassen hatte.
Aber zunächst musste er bei seinen Soldaten den Kampfgeist wecken.
Desiderius drehte sich zu seinem Bruder um, auf dessen schmalen Lippen ein amüsiertes Lächeln lag. »Ich werde wohl nicht extra bitten müssen.«
»Ich hätte nichts gegen einen vornehmen Knicks von dir«, grinste Bellzazar, seine dunklen Augen färbten sich blau und blitzten herausfordernd, als sich ihre Blicke trafen.
»Dafür müsstest du mir schon ein Bein stellen.« Desiderius drehte sich in Kampfhaltung zu ihm um.
Bellzazar trat zwei Schritte zurück, ehe auch er Haltung annahm. »Das lässt sich einfädeln.«
»Ach, ich könnte dich mittlerweile im Schlaf besiegen«, schnaubte Desiderius arrogant. Er war guter Dinge an jenem Morgen. Eigentlich erging es ihm an fast jeden Morgen so, sofern er nicht gerade an die vergangenen zwei Jahrzehnte erinnert wurde. Und wenn er guter Laune war, schien auch Bellzazar froh zu sein.
»Du bist überheblich.« Bellzazar richtete sich auf, als ärgerte er sich darüber, und ließ das Schwert locker in der Hand baumeln. Doch sein Grinsen wurde breiter. »Welch ein Glück, dass ich das auch bin.«
Mit einem Mut gewinnenden Kampfgebrüll stürmte Desiderius auf seinen Bruder zu, doch statt das Schwert, erhob Bellzazar den Arm und streckte die freie Hand mit zu krallengeformten Fingern nach Desiderius aus.
Ein kaum zu erkennendes Flimmern schoss von Bellzazar aus auf ihn zu, wie eine aus Luft bestehende Sense. Bevor die Druckwelle ihn traf, warf Desiderius den Oberkörper zurück, bis sein Hinterkopf fast den Boden berührte. Er spürte einen Stich in der Wirbelsäule, ignorierte den Schmerz aber. Die Druckwelle zischte knapp über ihn hinweg und schleuderte eine Wache, die hinter ihm an der Zugangstreppe der Wehrgänge gestanden hatte, gegen die Mauer.
Die Soldaten sahen mit offenen Mündern der Druckwelle hinter her, während Desiderius weiter auf Bellzazar zustürmte. Es dauerte einen Moment, bis die Männer begriffen hatten, was geschehen war, doch dann jubelten sie und feuerten den Blutdrachen an, Bellzazar – in ihren Worten – fertig zu machen.
***
Obwohl es für Cohen nicht ungewöhnlich sein sollte, allein zurückgelassen zu werden, nachdem er Leidenschaft mit Desiderius ausgetauscht hatte, stellte sich bei ihm jedes Mal aufs Neue tiefe Enttäuschung ein.
Cohen wusste, dass es ihm nicht zustand, traurig deswegen zu sein, er konnte sich schon glücklich schätzen, dass der Mann, den er liebte, nachts neben ihm liegen blieb und zumindest seit einigen Nächten nicht mehr ständig Wexmells Namen flüsterte wie eine Beschwörungsformel. Dennoch schlug sein Herz schwer und langsam, als er aus dem Wasser stieg und sich ankleidete. Ihm war durchausbewusst, dass Desiderius sein Bestes gab, um Cohen gut zu behandeln, trotzdem schlichen sich durchweg immer wieder jene schlechten Gedanken in Cohens Bewusstsein, er sei nur eine Ablenkung, ein netter Zeitvertreib. Möglicherweise lag dies daran, dass er sich selbst nicht sonderlich wertschätzte. Also konnte er Desiderius wohl kaum einen Vorwurf machen. Das würde er auch nie tun. Trotzdem konnte er nicht verhindern, dass er enttäuscht war und an Desiderius‘ Gefühlen zweifelte.
Das heiße Bad und das Blütenöl, dass er nach Rezept seiner Mutter selbst herstellte, hatten seine Haut weich und wohlduftend gemacht, sodass es ihm wie eine Misshandlung vorkam, sich jetzt in die rauen Unterkleider zu zwingen. Aber die Pflicht rief ihn, er war schon spät dran. Er legte die Augenklappe an, weil er niemanden seine Narbe zeigen wollte, und ging durch die Flure zu seinem Schlafgemach, das er ohnehin selten benutzte – nur um