Der verborgene Erbe. Billy Remie

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der verborgene Erbe - Billy Remie страница 18

Der verborgene Erbe - Billy Remie Legenden aus Nohva 5

Скачать книгу

versiegt, und wo Fackeln brennen sollten, erloschen die Flammen an den Wänden wie von Geisterhand, als der Schatten an ihnen vorrüberging.

      Desiderius folgte stumm, aber trotz steigender Unruhe, empfand er keine Angst. Er hatte mittlerweile so häufig gegen Dämonen gekämpft, dass er beinahe sicher war, einen zu erkennen, wenn er einem begegnete.

      Doch der Schatten, der ihn führte, schien weder sterblich noch dämonisch zu sein.

      Desiderius wurde in das Gewölbe tief unter der Erde geführt, wo die Hitze des Sommers niemals hingelangen konnte. Die Kälte aus dem Fels, in den die Festung gehauen worden war, hatte hier unten schon lange die Herrschaft übernommen. Nebliger Atem kam stoßweise aus seinen halb geöffneten Lippen und leicht geblähten Nasenflügeln, während er vorsichtig immer weiter die steinernen Stufen einer gewundenen Treppe hinabstieg.

      Der Schatten führte ihn immer tiefer in die Eingeweide der alten Festung, in Gänge, die schon so lange niemand mehr passiert hatte, dass Desiderius sich mittels Fackel einen Weg durch die dichten Spinnenweben bahnen musste. Vorbei an Bibliotheksräumen, die, je weiter er ging, mit immer älteren Schriftrollen vollgestopft waren. Er leuchtete gelegentlich in einen der Räume und betrachtete die fast zu Staub verfallenen Rollen. Ehrfurcht stellte sich bei ihm ein, als er daran dachte, wie viel Geschichte die Festung beherbergte. Die Geschichte seines Volkes, die Geschichte vieler großer Könige.

      Und alle waren Wexmells Vorfahren gewesen.

      Der Schatten führte ihn in einen weit hinten gelegenen Raum eines langen, tunnelförmigen Flures. Als Desiderius sich unter der niedrigen Tür durchgeduckt hatte, beleuchtete er den großen Bibliotheksraum mit der Fackel. Er staunte nicht schlecht über die gut erhaltenen Schriftrollen in den morschen Holzregalen, die zu mehreren hohen Reihen wie Raumteiler aufgestellt waren. Langsam durchschritt er die Reihen auf der Suche nach dem Schatten, hier und dort blieb er stehen um einige Schriften zu begutachten. Ein blauer Nebelschleier umgab sie. Es war Magie, die diese Schriften erhielten.

      Schnell zog er die Finger zurück, als ihm dies bewusstwurde. Er konnte nicht ahnen, welche Art Magie auf diesen Rollen lag, aber wenn es sich um Schutzzauber handelte, wollte er sie lieber nicht berühren und riskieren, sich zu verletzen. Magie war ihm nach wie vor unheimlich, und er würde ihr stets mit gesundem Argwohn begegnen.

      Er drehte sich herum und suchte nach links und rechts die Regalreihe ab. Der Schatten stand am Ende des Gangs an einer Wand und nickte ihn wieder zu sich.

      Desiderius folgte ihm schweigend. Mit behutsamen Schritten ging er den Gang hinunter und bog am Ende nach rechts ab. Der Schatten stand nun vor einer Wand und streckte den langen Arm aus.

      Langsam ging Desiderius auf ihn zu, je näher er mit der Fackel kam, je mehr hoffte er, das Gesicht seines stummen, nächtlichen Besuchers zu erkennen.

      Je näher er kam, je unwohler wurde ihm, und als er schließlich unmittelbar vor den Mann trat, blickte er leichenblass in sein eigenes Gesicht.

      Der vermeidliche Schatten sah ihm ohne seelische Regung entgegen, er wartete, bis Desiderius sich soweit gefangen hatte, dass er wieder aufnahmefähig war, und deutete schließlich erneut auf das, was er Desiderius zeigen wollte.

      Nur widerwillig riss sich Desiderius von seinem eigenen Gesicht los, hielt den Schatten für einen Geist, der keine eigene Gestalt besaß und deshalb seine benutzte. Trotzdem war ihm unwohl dabei, in sein eigenes Gesicht zu blicken.

      Seine Augen folgten dem Fingerzeig des Schattens voller Unbehagen.

      Zwischen zwei Regalen fand Desiderius, worauf der Schatten deutete. In die Wand war eine dunkle, morsche Holztür eingefasst. Unter ihrem Schlitz strahlte grelles Licht hindurch, wie er es noch nie gesehen hatte.

      Wie magisch angezogen ging er auf die Tür zu, der Schatten war vergessen. Alles, woran er dachte, war das, was hinter der Tür verborgen sein mochte. Es war für Desiderius, als sähe er sich selbst deutlich verlangsamt dabei zu, wie er die Hand ausstreckte und wie gelenkt von einer anderen Macht den runden goldenen Türknauf umfasste und drehte. Die Scharniere der Tür kreischten wie eine Irrlichtmutter, als er sie schließlich aufzog. Doch noch bevor er sie gänzlich aufgemacht hatte, traf eine Druckwelle auf die Tür und warf sie mit einem gewaltigen Ruck auf, sodass er zurücktaumelte und die Arme hochriss, als das grelle Licht dahinter ungehindert auf ihn traf und ihn in ein gleißendes Inferno hüllte, das ihn augenblicklich verschlang …

      ***

      Schweißgebadet fuhr er aus dem Schlaf, kerzengrade saß er zwischen zerwühlten, feuchten Laken. Er schluckte hart zwischen zwei japsenden Atemstößen. Nur langsam erholte er sich von seinem intensiven Alptraum. Strähnen seines dunklen Haars klebten ihn auf seiner vom Schweiß nassen Stirn. Desiderius strich sie zurück, während er versuchte, seinen Atem zu kontrollieren, was ihm nach und nach etwas leichter fiel, je mehr er vom Traum in die Wirklichkeit zurückkehrte.

      Suchend betastete er die andere Bettseite, hoffte, auf Wärme und Trost zu treffen, doch er fand nur leere Decken und ein kaltes Kissen vor.

      Er war allein.

      Ruhelos strampelte er die Decke von seinen Beinen und stand auf. Die Vorhänge wehten im warmen Wind eines hellen, sonnigen Morgen. Keine Spur vom Unwetter aus seinem Traum, es hatte kein Donnergrollen und keine Blitze in der Nacht gegeben, höchstens ein lauwarmes Lüftchen, das durch die offenen Balkontüren geweht kam und seinen vom unruhigen Schlaf gequälten Leib liebkost hatte.

      Es musste schon spät am Morgen sein, denn der Wind trug das Klirren von Metall das auf Metall schlug, und die dumpfen Schläge von Schwertern, die auf Schilde trafen, durch die Vorhänge in sein Schlafgemach. Wie jeden Morgen übten die Truppen des wahren Erbens unerbittlich innerhalb der Mauern der Festung für die bevorstehenden Kämpfe.

      Desiderius ließ alles wie es war, die geschlossenen Vorhänge und das zerwühlte, schweißnasse Bett. Wie in seinem Traum, warf er sich nur seinen schweren Morgenmantel über, der eigens für seine Statur angefertigt worden war, und eilte aus dem Raum.

      Er ignorierte die freundlichen Begrüßungen und Verbeugungen der Dienstmägde, die ihm entgegenkamen, während sie ihren Pflichten nachgingen. Hier und dort brachten sie saubere Laken, Tücher und Kleidung in die Zimmer, die nun unter Eagles Herrschaft standen. Kein Diener, keine Dienstmagd und keine Wache oder Soldat beklagte sich je über die Arbeit auf der Festung, alle begegneten ihren Befreiern und Rettern mit Dankbarkeit und Demut. Desiderius wusste nicht recht, mit so viel Wohlgefallen umzugehen, ebenso wenig wie Cohen, weshalb sie es größtenteils ignorierten. Sie waren nicht arrogant, nur unsicher in Angesicht solch großer Dankbarkeit, die sie ihrer Meinung nach nicht verdienten. Die Bediensteten und Soldaten schienen ihre Bescheidenheit mit Humor und weiterem Wohlgefallen hinzunehmen. Was aus alledem nur einen Teufelskreis machte.

      Vom gewöhnlich zugänglichen Gewölbe, indem sich die Speisekammern befanden, die Unmengen Wein und Getreide beherbergten, gelangte Desiderius in den selten besuchten Teil der Festung, tief im Felsen. Er hing eine Fackel ab und suchte den Weg, der ihm im Traum von dem Schatten gezeigt worden war.

      In einem der Bibliotheksräume fand er, wie jeden Morgen, Eagle.

      Der junge Rothaarige lag halb auf einem schiefen Tisch mitten in Büchern und Schriften, und schnarchte leise vor sich hin. Der Erbe las sich gern in den Schlaf, gerne auch mitten am Tisch. Desiderius vermutete, dass Eagle in seinem Bett noch keinen Schlaf fand. Verübeln konnte er es ihm nicht, immerhin litt Eagle noch darunter, dass er seine eigene Mutter hatte töten müssen. Verschlimmert wurde Eagles Verlust dadurch, dass niemand auf der Festung das Mitgefühl aufgebracht hatte, ein Begräbnis für seine Mutter zu halten, weshalb

Скачать книгу