Harriet. Kristina Schwartz

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Harriet - Kristina Schwartz Joe & Johanna Trilogie

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da, ohne ein Wort zu sagen. War das Intoleranz, Unsicherheit oder schlicht und profan Gehässigkeit? Möglicherweise Neid? Karin, Mutter zweier Kinder, war seit Jahren nur noch auf dem Papier verheiratet. Ihre Ehe war gleich nach der Geburt des zweiten Kindes brüchig, ihr Mann Alfons abtrünnig geworden. Aus dem stets wortkargen Alfons war sie nie schlau geworden.

      "Das verstehst du nicht", platzte Andi mit einem Mal heraus. "Warum soll sie nicht eine Frau lieben?"

      "Das sagst gerade du, die du mit einer abgespeckten Mischung aus David Beckham und Josh Holloway verheiratet bist. "Würdest du deinen Mann gegen eine Frau tauschen?"

      Andi lächelte das Lächeln der Wissenden, die über den Dingen stand. "Wie ich gerade sagte, Karin, das verstehst du nicht."

      Renate saß noch immer, wie von einem plötzlichen Wintereinbruch überrascht und tiefgefroren, mit sperrangelweit geöffnetem Mund in der Runde.

      Andi legte ihre Hand auf Joes Schulter und lächelte sie an. "Ich finde es ganz großartig, dass du auf deine innere Stimme und deine Gefühle hörst und dich nicht von anderen in blöde Klischees drängen lässt."

      Ha! Siehst du, Joe, ich hab's ja immer schon gewusst, dass ich für was gut bin, hörte sie ihre innere Stimme sagen.

      Renate brachte nun doch ein zustimmendes Nicken hervor.

      *

      Aufgrund der späten Stunde hatte Joe es vorgezogen, die Nacht in ihrer Wiener Wohnung zu verbringen. Bevor sie zu Bett ging, checkte sie noch einmal die Textnachrichten auf ihrem Smartphone. Es gab nur eine, mit dem schelmischen Konterfei Sandras.

      "Hab dich lieb. Dickes Bussi. S."

      Joe kam sich mit einem Mal einsam und verloren in dem viel zu großen Bett vor. Sie schickte eine knappe Liebeserklärung zurück: "Vermisse die Wärme deiner Haut!!!! J."

      Mit sanften Händen strich sie über ihre Brüste, ihren Leib bis hinunter zu ihren Schenkeln, als ein Piepsen den Eingang einer neuen Nachricht anzeigte.

      Ein lachendes Emoticon erschien auf dem Display gefolgt von: "Der Polier war heut da und wollt dich sprechen. Sagt es wär wichtig."

      Joe fragte sich, was denn so wichtig sei, da sie doch mit Baumeister Kaefer alle relevanten Punkte, was die Sanierung der Mühle betraf, bereits besprochen und eventuelle Unklarheiten abgeklärt hatte. Vermutlich weiß er jetzt schon, ging es ihr durch den Kopf, dass er den Kostenvoranschlag nicht einhalten wird können. Allgemeines Krankenhaus Wien, Phyrnautobahn, Semmeringbasistunnel, Skylinkterminal Flughafen Wien. War in Österreich jemals ein Kostenvoranschlag eingehalten worden? Oder ein Zeitplan? Nun schien das Schicksal einer Nation auch auf die ländliche Idylle ihrer Mühle überzuschwappen. Dabei hatte er so einen seriösen und kompetenten Eindruck gemacht, der Baumeister.

      Entspannt saß Joe hinter dem Schreibtisch. Ihre Entspannung währte allerdings nur kurz, bis Dr. Bertram - dem ein chronisches Leiden anzuhaften schien - die Ordination betrat.

      An diesem Tag hatte sie den schwer zu widerlegenden Verdacht, dass er nur gekommen war, um sie zu sehen und mit ihr zu sprechen. Wie stets machte er einen seriösen und äußerst kompetenten Eindruck, was sie nicht zuletzt seinem akribisch gebügelten Anzug und dem perfekt sitzenden Windsorknoten zuschrieb. Mit den grauen Schläfen und den aufgeweckten Augen, die aus seinem runden Gesicht strahlten, sah er aus wie ein zu bürgerlich geratener Adeliger. Joe versuchte den Gedanken an seinen vorletzten Besuch weit wegzuschieben, bei dem sie ihm nicht ganz freiwillig in die Arme gefallen war und ihm dabei großzügige Einblicke in ihr Dekolleté gewährt hatte. Peinlich, das war ausgesprochen peinlich. Unprofessionell noch dazu. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken.

      "Haben Sie sich erkältet?", wollte Dr. Bertram wissen.

      Sie versuchte einen möglichst herablassenden Blick aufzusetzen.

      "Vielleicht sollten Sie sich selbst etwas ..."

      Joe hob fragend die Brauen.

      "... verschreiben. Ich meine, Sie sitzen doch quasi an der Quelle. Ein Schrank voll mit Ärztemustern ..."

      Sie verengte ihre Augen zu schmalen Schlitzen, aus denen sie nur zu bereitwillig ein paar Laserstrahlen auf ihren Patienten abgefeuert hätte.

      "Ich meine, Sie sollten Ihre Gesundheit nicht auf's Spiel setzen ... Selbst im Sommer, wenn es ..."

      "Dr. Bertram, was kann ich für Sie tun", setzte Joe endlich dem Geschwafel ihres Patienten ein Ende. "Wie gestern? Wieder der Blutdruck?"

      Er nickte.

      Als sie zu ihm ging, um ihm die Manschette anzulegen, bemerkte sie seinen neugierigen Blick an ihrem Kleid. Eine innere Befriedigung überkam sie, weil sie wusste, dass der hautfarbene BH eine großartige Idee für die Ordi gewesen war. Da gab es nichts, was ihre Patienten weiß oder schwarz oder womöglich gar spitz durchschimmern sehen konnten.

      "Glauben Sie nicht, dass ein BH für diese Jahreszeit ... zu warm ... sein könnte?"

      Die Ärztin lächelte ihn sicher an, während sie Luft in die Manschette pumpte. Wie die Kopfhörer eines iPods stöpselte sie sich die Enden des Stethoskops in die Ohren, und lauschte, was ihr Dr. Bertrams Blut gleich sagen würde.

      Besorgt sah er zu ihr auf.

      "Es ist alles Bestens, mein lieber Doktor. Leicht erhöht, aber keineswegs bedenklich."

      Der Patient nickte.

      Als sie sich von ihm verabschiedete, sah sie noch, wie sein Blick ihre Beine hinauf bis zum Saum des Kleids wanderte, um schließlich von ihr abzulassen. "Danke und auf Wiederschauen. - Der Nächste bitte!"

      Um vierzehn Uhr, nachdem sie auch den letzten Patienten, wie sie hoffte, zu seiner Zufriedenheit behandelt und ihrer Sprechstundenhilfe noch einen angenehmen restlichen Dienstag gewünscht hatte, schloss sie die Praxis ab, um mit der Schnellbahn nach Wien Mitte zu fahren. Von dort mit der U3 bis Stubentor. Baumeister hin, Polier her, sie hatte noch eine dringende Besorgung zu machen, die keinen Aufschub duldete.

      Zügigen Schrittes klapperte sie mit ihren Pumps das Kopfsteinpflaster der Bäckerstraße entlang. Wie eine Unsichtbare schlängelte sie sich durch die Zeitschriftenabteilung der Buchhandlung Morawa bis zum Schalter, wo sie ihre bestellten Bücher abholen wollte.

      "Ich habe zwei Bücher bei Ihnen bestellt", meinte Joe und versuchte dabei mit fester Stimme zu sprechen. Sie hoffte ihr Make-up, das sie in der Ordi noch einmal aufgefrischt hatte, sei dick genug, um eine etwaige Röte ihrer Wangen nicht durchscheinen zu lassen. Sie überreichte der Frau mit dem blonden Wuschelkopf eine Zettel mit den Buchtiteln. Diese setzt ihre Lesebrille auf.

      "Englisch, nicht wahr?" Dann sah sie auf und musterte Joes Physiognomie.

      Ich bin ganz ruhig, ich bin ganz ruhig, ich bin ganz ruhig, schienen alle Zellen in Joes Körper zu rufen.

      "Auf welchen Namen?"

      "Bitte?" Joe war auf ein Verhör in einer so heiklen Angelegenheit nun wirklich nicht gefasst gewesen. "Dr. B... haha." Joe brach in dieses gekünstelte Lachen aus, mit dem Frauen ihrem Gegenüber zu verstehen gaben, dass ihnen diese Situation nun mehr als peinlich war. "Was red' ich denn da? - Kienzl, Sandra Kienzl, natürlich."

      "Ja, Frau Kienzl ...", sagte die Verkäuferin und blinzelte verächtlich

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