der andere Revolutionaer. L. Theodor Donat

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der andere Revolutionaer - L. Theodor Donat

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die Legende vom Grossinquisitor

       ---- Geschöpflichkeit austricksen?

       ---- Bungeejumping?

       ---- absolute Macht für Menschen?

       ---- alles ist erlaubt

       5.2. ist Christentum eine Religion?

       ---- Jesus in Nazareth

       ---- das Lächeln von Nazareth

       6. Epilog

       Abkürzungen-1

       Abkürzungen-2

       Index

      l. theodor donat

      der andere Revolutionär

      Ein Priester schreibt seiner Freundin vom langen Weg zu einem neuen Bild von Jesus

      Vorrede: ein Buch über Jesus?

      Liebe Carole,

      Dieses Buch ist ein Versuch, Jesus anders zu präsentieren, als es gemeinhin getan wird. Ein sattelfester Bibliker bin ich allerdings nicht, auch kann ich mich nicht auf Visionen stützen. Hier geht es indessen um ein Bild von Jesus, das während Jahrzehnten in mir Gestalt angenommen hat. Es geht dabei nicht um Gefühl, sondern eher um kühle Überlegungen. Gut, es gab Menschen verschiedener Kulturen und einige nicht ganz alltäglichen Umstände, denen ich meinen jetzigen Blick auf Jesus verdanke. Ich glaube übrigens, dass Denken, Erleben und Tun nie isoliert sind.

      Ich kann eine mathematische Aufgabe dank meiner Vorbildung lösen, aber die Lösung hängt auch davon ab, ob ich das vorhergehende Essen gut verdaut oder ob ich gut geschlafen habe. Der Schlaf wiederum kann durch Ärger erschwert werden. Meine Fähigkeit, Frust wegzustecken kann von meiner Erziehung herstammen. Und schon bin ich bei den Einflüssen auf die Kindheit meines Vaters oder meiner Mutter usw. Ich hätte ja ebenso den Aspekt Verdauung weiter entwickeln können!

      Vor allem vier Umstände betrachte ich als grösste Geschenke meines Lebens.

       Von einem Ordensleben in festen Bahnen in der Heimat durfte ich in eine Kultur aufbrechen, von der ich gar keine Ahnung haben konnte, so speziell war sie (B 1.3.). Sie vermittelte mir den Blick in eine Gesellschaft, die ohne Hierarchie auskommt. Wollte Jesus nicht gerade das für seine Kirche?

       Ich hatte das grosse Glück, das Papst Johannes-Paul II die Stadt, in der ich arbeitete, auf einer seiner Reisen besuchte (B 1.5.). Das hatte zur Folge, dass ich mich, sozusagen in wenigen Stunden, von einem kritiklosen Papst-Fan zu einem am Vatikan zweifelnden Genossen wandelte. Und wenn einmal Dogma, Hierarchie und Moral angeschlagen sind, kann sich der Weg zu einem neuen Jesus-Bild öffnen.

       Deine Freundschaft und Deine Liebe befreiten mich von der Sexualmoral der römischen Kirche, die mich während vieler (etwa 26) Jahre lang gequält und viel Kraft gekostet hatte (dvUr B 2.10.).

       Einem Zusammenbruch und einer Krankheit verdankte ich den Freiraum, dieses Buch zu schreiben (dvUr B 2.11.).

      Kurz zu meiner persönlichen Geschichte: Mit 19 war ich römisch-katholischer Ordensmann, mit 37 ebenso römischer Ordenspriester. 27 Jahre verbrachte ich in einem Land Westafrikas. Nun bin ich 73 und habe das Privileg einer durch meine Gesundheit bedingten Auszeit. Es war für mich entscheidend, in meinen 27 besten Jahren, die Welt mit den Augen jener Menschen zu sehen, die heute die überwältigende Mehrheit ausmachen. Danach hatte ich einige Jahre Zeit, um die Welt von der Minderheit her zu betrachten. Und ich denke, dass sich mein Blick auf die Kirche und auf Jesus auf eine fast abenteuerliche Weise geändert hat. Ich habe mir Rechenschaft gegeben, dass die römische Kirche den Blick auf unseren Ursprung verstellt, dass es mit Hierarchen fast unmöglich ist, die Botschaft Jesu zu verstehen, obwohl sie natürlich das Gegenteil behaupten.

      27 Jahre in der Mission sind übrigens eine relativ lange Zeit, da eine alte Missionarsregel besagt, dass die Jahre „in Afrika“ doppelt zählen, und ich mich somit schon längst hätte zur Ruhe setzen können. Ich „höre“ das Stirnrunzeln meiner Mitbrüder, denn für einen Ordensmann gibt es natürlich keinen Ruhestand.

      Eine andere Missionarsregel gäbe mir das Vorrecht, dass mir etwas über fünf Fingerbreit Whisky in einem Longdrinkglas eingeschenkt würde, je eine Fingerbreit für fünf Jahre Arbeit in der Mission. Dies entsprach früher dem Intervall zwischen zwei Heimaturlauben. Vom „Whisky-Privileg“ profitiere ich nur bei Depressionen, die mir unter anderem meine liebe römisch-katholische Kirche (in der Folge Rkk) beschert.

      Ist es nicht so, dass unsere existentiellen Einsichten mit einer Anzahl Schlüsselerlebnisse verknüpft sind? Ich hätte als angehender Ordensmann nie und nimmer geahnt, dass ich das mir überlieferte Bild von Jesus und der Hierarchie der Rkk einmal radikal in Frage stellen oder die zehn Gebote als unwichtig einstufen würde. Es wäre mir nicht im Traum in den Sinn gekommen, die Dogmen der Rkk oder ihre Moral zu hinterfragen.

      ---- in Beziehung

      Mit den folgenden Briefen möchte ich das Grundaxiom von vielen afrikanischen Kulturen und Philosophien hervorheben, das da heisst:

      Ich lebe in Beziehung, also bin ich.

      In Beziehung bedeutet, in Verbindung mit den Mitgliedern der Familie, des Dorfes und der gleichen Kultur zu stehen. Dem gegenüber wirkt das in Frankreich immer noch geläufige:

      Ich denke, also bin ich.

      „Cogito ergo sum“, René Descartes in „Meditationen über die Grundlagen der Philosophie“ von 1641

      etwas egomanisch!

      Was ein Mensch ist und wird, ist und wird er dank seiner Eltern, seiner Umgebung, seiner Ausbildung und besonders dank seiner Freunde und Feinde. Die Freunde sind wichtig, da nur sie die guten Seiten einer Person erkennen und weniger gute Seiten relativieren, denn nur der liebende Blick dringt ins Innere. Die Feinde sind bedeutsam, denn sie haben ein schärferes Auge für die Schwächen, in denen sie wahrscheinlich ihre eigenen Fehler erkennen und bekämpfen.

      Meine Einsichten und Aussichten werde ich als ‒­ sicher etwas autobiografische ‒ Briefe an Dich, meine Freundin, darstellen und sie Dir widmen. Selbstverständlich verdanke und widme ich die folgenden Briefe ebenso unseren Feinden. Du hast den Wandel meiner Einstellungen und Überzeugungen

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