Erwärmung und Wohlstand oder Abkühlung und Verfall. Norbert Buchner
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Erwärmung und Wohlstand oder Abkühlung und Verfall - Norbert Buchner страница 13
Ein volles Jahrtausend ab 10 300 v.h. war also gezeichnet von wiederholten Schwächephasen der Sonnenaktivität und von Vulkanausbrüchen und als Folge von Eisbergvorstößen und Einbrüchen bei Temperatur, Feuchtigkeit und Fruchtbarkeit.
Für diese Kühl- und Trockenphasen liegen vielfältige Zeugnisse vor: die Gesteinsfracht der Eisberge aus Grönland und Nordkanada sank beim Abschmelzen des Eises in der südlichen Endposition auf den Boden des Atlantiks und sie erlaubt eine Datierung und Ortung des Vorstoßes (Abb. 10). Die Abkühlung war auch weit verbreitet, denn auch ein Eisbohrkern aus den Anden (Sajama 1/Peru) zeigt einen Temperaturrückgang an. Ein Sedimentbohrkern aus dem Carioca-Becken vor Venezuela verweist auf die Folgen: der Sedimenteintrag verringerte sich, denn in Südamerika wurde es trockener. Ein Gletscherbohrkern aus Grönland liefert mit dem Nachlassen des Schneeniederschlags eine Bestätigung. Auch der Staubeintrag in den Atlantik aus Afrika nahm zu. Das Niveau eines untersuchten Sees in Äthiopien fiel recht rasch ab und die Spiegel von Seen im Tschad und in Nigeria erreichten gegen 10 000 v.h. ein Minimum. Die Sahara trocknete also nach einem Feuchtintervall wieder aus! Die Trockenheit war weit verbreitet: nach Abb. 9 nahm sie auch von der südlichen Arabischen Wüste wieder Besitz.
Die Welt wurde wieder unfruchtbarer: Sedimente aus einem Maar in der Eifel zeigen einen Rückgang der Fruchtbarkeit ab 10 200 v.h. Dieselbe Botschaft vermittelt die Abb. 8: die Konzentration des Fruchtbarkeitsindikators Methan sank wieder ab, besonders ausgeprägt im Maximum des Eisvorstoßes und der Temperatur um 9300 v.h.
Dies alles konnte nicht ohne schlimme Folgen für die Menschen bleiben: in Ostanatolien setzte ein Sterben früher Siedlungen und eine Verlagerung nach dem feuchteren Westen ein. Einige besonders spektakuläre Ereignisse, welche zu Landmarken der frühen kulturellen Entwicklung geworden sind, sollen im Folgenden beschrieben werden.
Exodus für Göbekli Tepe in einer Zeit von Trockenheit
Abkühlung, Austrocknung und ein Rückgang der Fruchtbarkeit erreichten auch den Nahen Osten. Auf dem Göbekli Tepe in Südostanatolien leitete diese Klimaverschlechterung einen Exodus nach langem Bestand des einzigartigen Heiligtums ein: zunächst aber ist ein architektonischer Abstieg unverkennbar! Die letzten Tempel erreichten nicht einmal mehr die Hälfte der Größe der früheren! Während in der älteren Schicht von Göbekli Tepe die monumentalen T-Pfeiler in den Rundanlagen eine Höhe bis zu 5 Metern und mehr aufwiesen, finden sich in der jüngeren Schicht, die von kleineren Rechteckbauten geprägt ist, nur noch Pfeiler mit einer Höhe von 1,5 Metern. In der von Abkühlung, Trockenheit und sinkender Fruchtbarkeit geprägten Endzeit um 10 000 v.h. wurden einige Stätten der frühen Jäger und Sammler in Ost- und Zentralanatolien wieder aufgegeben und auch das großartige Göbekli Tepe blieb von diesem Schicksal nicht verschont! Die grandiosen Anlagen auf dem Nabelberg wurden nun systematisch mit 300 bis 500 m3 Erde „beerdigt“ und so für lange Jahrtausende bis in unsere Zeit hinein bewahrt. Hat eine scheidende Kultur in würdiger Weise Abschied von ihrem Heiligtum genommen? Offensichtlich wurden aber an einigen T-Stelen die Bilder gewaltsam weg geschlagen, was an die Rage der späteren Revolutionäre der Französischen Revolution erinnert, die sich an den Heiligenfiguren der Kirchenportale entlud. Haben Klimaverschlechterung und ihre Folgen – Hunger und Unruhen – auch am Göbekli Tepe ohnmächtigen Zorn ausgelöst? Wollte man durch das Zuschütten des Heiligtums eine weitere Schändung verhindern?
Die Menschen von Göbekli Tepe sahen sich aus Hunger zur Aufgabe ihrer Heimat und ihres uralten Heiligtums und zur Suche nach noch fruchtbareren Gegenden gezwungen. Sie hofften wohl auf eine Wiederkehr und wollten ihre Tempel bis dahin bewahren. Die in Etappen fortschreitende Trockenheit hat den Menschen aber in einem größeren Umkreis die Lebensgrundlage geraubt und so wurde es ein Abschied für zehntausend Jahre! Lit. 8.1
Jäger, Sammler und Schweinehalter in Hallan Cemi in Südost-Anatolien
Nach lange gültiger Meinung haben die Menschen am Beginn der Sesshaftwerdung zunächst mit dem Anbau von Getreide begonnen und sich dann wegen der Sicherung der Ernährung so stark vermehrt, dass der Wildbestand in der Umgebung stark dezimiert wurde, sodass ein Mangel an tierischem Eiweiß entstand. Das hätte dann zur Notwendigkeit der Tierhaltung geführt.
Diese fest gefügte Meinung ist seit Ende des 20. Jahrhunderts erschüttert. Der Grund war die Anlage einer Reihe von Stauseen im kurdischen Südost-Anatolien der Türkei, in denen einige Tells von vorgeschichtlichen Siedlungen versinken sollten. In Notuntersuchungen hat man dann noch zu retten versucht, was zu retten war – und dabei kam ganz Erstaunliches zum Vorschein, welches unser bisheriges klares Bild vom Übergang zum Neolithikum trüben sollte!
Am Batman-Fluss östlich von Dyarbakir ist um 11 200 v.h. wenige Jahrhunderte nach der Wiedererwärmung zu Ende des Kälterückfalls der Jüngeren Dryas eine kleine Siedlung, Hallan Cemi, von Jägern und Sammlern gegründet worden. Im umgebenden Hügelland standen Eichen, Pistazien und Mandelbäume und die Natur war mit einem reichen Wildbestand gesegnet, Schafe, Ziegen, Wildrinder, Rotwild und Wildschweine. Die Menschen bauten kleine runde Hütten auf einer Basis von Feldsteinen mit dem bescheidenen Durchmesser von nur etwa 2 Metern. Das dörfliche Leben muss sich wohl auf dem gepflasterten Vorplatz abgespielt haben. In jüngeren Schichten fanden sich dann 2 größere Rundhäuser mit 6 Meter Durchmesser und mit gemauerten Sitzbänken und einer gemauerten Herdstelle. Weiterhin fand man erstaunlich fein gearbeitete und dekorierte Steinschalen, einige mit Schlangendekor, sowie Werkzeuge aus Flint und Obsidian, welcher vom Vansee stammte. Offensichtlich gab es in dieser Frühzeit schon ein Handelssystem über längere Strecken.
Obgleich die Siedlung ganzjährig besetzt war fanden sich keinerlei Zeichen für einen Getreideanbau. Sesshaftigkeit hatte sich also schon – wie in Göbekli Tepe – bei Jägern und Sammlern eingestellt, wenn die umgebende Natur nur genügend ergiebig war, und sie eilte damit dem Getreideanbau voraus! Die Menschen sammelten Früchte von vielen wilden Pflanzen; Gerste und Emmer waren aber nicht dabei. Erstaunlicherweise haben die Menschen aber – spätestens vor 10 000 Jahren – schon das Schwein irgendwie domestiziert. Damit ist auch eine zweite bisher allgemein akzeptierte These des Übergangs des Daseins vom Jäger und Sammler zum sesshaften Ackerbauerntum als allgemeines Rezept in Frage gestellt, nach welcher die Nutztierhaltung erst nach dem Ackerbau eingesetzt haben soll.
Es ist anzunehmen, dass die Haltung von Schweinen in der Notsituation begann, in welcher an anderer Stelle in Anatolien Göbekli Tepe aufgegeben wurde. Ein Einbruch von Kälte und Trockenheit auf Grund eines großen Tiefs der Sonnenaktivität nach 10 300 v.h. (Abb. 6) und großer Vulkanausbrüche gefolgt von einem Vorstoß von Eisbergen weit in den Süden des Atlantiks (Abb. 10) hat die Menschen in Bedrängnis gebracht. Die Natur wurde unfruchtbarer und der Wildbestand lichtete sich. Während sich die Menschen von Göbekli Tepe aus Not zur Aufgabe ihres Heiligtums gezwungen sahen führte diese in Hallan Cemi zu einem kulturellen Sprung, zur ersten nachgewiesenen Haltung von Nutztieren! Schweine mit ihrem üppigen Nachwuchs ließen sich dabei wohl am leichtesten bewirtschaften. Lit. 8.2
Umsturz in Cayönü als Folge eines Einbruchs von Kälte und Trockenheit
Cayönü in Südostanatolien ist eine bedeutende archäologische Fundstätte in Obermesopotamien am Rand des Taurus-Gebirges, etwa 40 km von Diyarbakir in der Türkei entfernt. Der Ort ist in einer Klimagunstphase mit hoher Feuchtigkeit zwischen 10 800 und 10 500 v.h. (vgl.Abb. 9) als Dauersiedlung von Jägern und Sammlern gegründet worden und die Siedlung durchlief während ihres langen Bestehens von fast vier Jahrtausenden mehrere Kultur- und Bebauungsstufen.
Abb.