Schwesterkomplex. Mandy Hopka
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Schwesterkomplex - Mandy Hopka страница 4
Eigentlich schon traurig, dass man so über seine Schwester reden muss und ich hoffe wirklich, dass das bei euch nicht auch so ist. Aber ich hatte eben noch nie das Gefühl gehabt, meine Schwester zu lieben. Wir beide waren einfach zu verschieden, als das wir uns lieben konnten. Meine ganze Familie war ein einziges Desaster. Vermutlich mehr meinetwegen.
Es lag alles an mir.
Selbst an diesem einen Moment, der mich erst recht zerstörte, war ich schuld. Aber das ist etwas, worüber ich jetzt nicht reden kann, nicht jetzt, wo dieses schwarze Loch über mir lag, wie düsterer Nebel. Daran zu denken, war die eine Sache, darüber zu reden eine andere. Es machte es … irgendwie real, versteht ihr? Ihr werdet schon noch früh genug erfahren, wie dumm und naiv ich im letzten Ausbildungsjahr gewesen war.
Wie auch immer, man liegt, wie man sich bettet.
Ich war eben da.
Existierte.
Ging durch mein Leben, als wäre nichts. Aber tief in mir drin, so wie jetzt auch, war dieses kleine schwarze Loch, welches ich wieder zurückdrängen musste. Welches morgen früh, wieder in meinem Herz schlummern würde, als wäre es gar nicht da. Tief in mir drin war ich eine ziemlich kaputte Person, oder?
Nun ja, diese Geschichte wäre wohl ziemlich langweilig, wenn ich weiterhin so über sie und mich philosophieren würde. Wenn ich euch nur erzählen würde, was mit mir alles nicht stimmte. Wen sollte das auch interessieren? Aber wisst ihr, da gab es jemanden, der alles durcheinander brachte. Den Helden dieser Geschichte. Jemanden, der nicht nur mich veränderte, sondern aus meiner Existenz ein Leben machte, für welches es sich plötzlich zu kämpfen lohnte. Jemand, der nicht das war, für den ich ihn anfangs gehalten hatte.
Aber dieser Mann besaß nicht nur Einfluss auf mich.
Dieser jemand, war wohl der gefährlichste Mann, dem wir beide jemals begegnet waren.
1
„Gib mir mal die Farbe“, bestimmte ich schon fast, als ich zu meiner Kollegin hinunterblickte. Ich stand auf einem kleinen Hocker, um einen besseren Blick in den Farbkasten der Maschine werfen zu können. Die Druckmaschine war gute 2 Meter hoch und ich leider nur 1,67.
Jenny reichte sie mir ohne Widerrede und blickte mich hoffnungsvoll an. Mit dem Spachtel nahm ich ein bisschen was von der frischen, schwarzen Farbe und mischte sie mit der, die bereits in der Maschine war. Danach stieg ich zu ihr hinunter und versuchte ihr Mut zu machen, indem ich ihr ein aufmunterndes lächeln schenkte. Jenny war als Azubi noch recht neu bei uns in der Firma und ja, auch ich kannte diese Aufträge nur zu gut, die einfach nur beschissen aussahen und man sich fragte, weshalb der Endkunde das nicht auch sah und diesen Rotz nicht reklamierte. Aber so war das in der Verpackungsproduktion nun mal. Man gab viel Geld für ein paar Etiketten aus, die schlussendlich niemanden interessierten und nach wenigen Tagen mit der leeren Verpackung wieder im Müll landeten. Da denkt niemand an den ganzen Frust und Ärger, den ein anderer damit gehabt hatte.
„Probier es jetzt mal. Die Farbe ist viel zu flüssig für das Material. Das nächste Mal einfach weniger Verdünnung.“ Ich klopfte ihr auf die Schulter und sie blickte mich dankend an. Ich mochte dieses 18-jährige Mädchen. Kein Vergleich zu den anderen Azubis. Sie war einer der wenigen, die noch Nett, zuvorkommend und respektvoll mit älteren Leuten umging und vor allem noch Deutsch redete, anstatt Denglisch, oder wie man es auch nannte. „Danke, Jane!“ Fast schon viel sie mir um die Arme, so dankbar war sie mir.
Ich ließ das Mädchen wieder allein und trottete zu meiner Maschine zurück. Allerdings nicht, ohne einen Blick auf die Uhrzeit zu werfen. Gott sei Dank war es fast 22 Uhr und der Feierabend in greifbarer Nähe. Nur zu schade, dass morgen der Tag, der Tage war. Eigentlich war mir heute auch gar nicht nach lächeln zumute. Tatsächlich hatte ich sogar richtig miese Laune. Aber wenn jemand meine Hilfe benötigte, konnte ich sie ja auch schlecht wegschicken, mit der Begründung, meine Ruhe haben zu wollen.
Als ich an meinem Tisch ankam, der neben meiner Maschine stand, die noch immer fleißig ihre Etiketten druckte und aufrollte – die ja wie bereits erwähnt, so oder so wieder im Müll landeten, erblickte ich Anna. Wir hatten zusammen die Lehre gemacht und standen uns seitdem sehr nah. Nach der Mittelschule war sie meine erste richtige Freundin gewesen.
„Isst du schon wieder meine Oreos auf?“, fragte ich sie empört, als ich ihren Mund sah, der sich verdächtig hob und senkte. „Ich liebe diese Dinger einfach“, gab sie mit vollem Mund zu und ich zog einen Schmollmund. „Du weißt schon, dass die teuer sind?“ Ich lehnte mich an den Tisch, während sie gelangweilt auf meinem Stuhl herumlungerte und sich mit einem Selbst gefalteten Fächer Luft zu fächerte. Noch hatten wir Frühling, aber in diesen Hallen spürten wir schon jetzt, dass es eindeutig wärmer wurde. „Ich bringe dir in der nächsten Spätschicht, welche mit, versprochen!“
„Wer’s glaubt“, antwortete ich und blickte auf mein Handy. Ja es war Verboten, aber waren Verbote nicht da, um gebrochen zu werden? Was sollte ich auch machen? Ein Selfie mit meiner Maschine oder mit diesen Etiketten?
Gelangweilt öffnete sich Facebook fast schon von selbst. Der einzige Ort, wo man mit allen, die man mal getroffen hatte, irgendwie noch verbunden war, obwohl man sich ja im Grunde gar nicht mehr für sie interessierte. Früher waren es Freunde gewesen, vielleicht sogar enge Freunde, aber heute waren die meisten doch nur noch Gesichter und Erinnerungen unserer Vergangenheit. Man kommunizierte doch fast nur noch über Kommentare, Reaktionen oder ein paar coolen Emojis. Man las was sie erlebten, spionierte ihnen hinterher, ohne dass man den drang verspürte, mit ihnen wirklich in Kontakt zutreten. Die wenigsten dort, kannte man wohl persönlich und noch weniger von ihnen, traf man wohl auch im echten Leben.
Aber um die Zeit totzuschlagen war es ganz amüsant. Irgendwo waren wir doch alle neugierig. Das lag in der Natur des Menschen.
Ich stöhnte genervt, als ich das Bild von Jessica sah. Es prangte auf meiner Startseite ganz oben, als würde ich sowas von scharf darauf sein, zu wissen, was meine Schwester machte oder postete. Ich dachte, Facebook sammelt all unsere Daten? Konnten sie dann nicht auch wissen, dass ich lieber nichts von ihr sehen wollte? Anna blickte interessiert zu mir und fragte sich wohl, was ich entdeckt hatte. „Schau dir das an“, rief ich und zeigte ihr das Bild. Natürlich wusste Anna alles über mich und meine Sis. Anna war immerhin auch bereits Zeuge, von ihren heißen Nächten mit Charlie geworden. Einer der Gründe, weshalb wir damals zu Ausbildungszeiten lieber bei ihr übernachtet hatten, als bei mir. Unglaublich, dass es schon 8 Jahre her ist, dass wir uns zum ersten Mal begegnet waren, …
Sie stellte sich immer hinter mich und hasste Jess wohl ebenso wie ich. Wie eine richtige beste Freundin eben.
Sie lächelte verschmitzt. „Morgen ist es soweit. Bin mega aufgeregt. Wir sehen uns dort, XOXO“, las ich übertrieben eingebildet vor. „Tja aber verstehen kann man sie. Immerhin hat sie ihr Studium endlich abgeschlossen und schon einen richtig dicken Fisch an Land gezogen.“ Ich schnaubte verachtend und blickte auf das lächelnde Gesicht meiner Schwester. Zumindest bis ich bemerkte,