Mr. Blettsworthy auf der Insel Rampole (Roman). H. G. Wells

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Mr. Blettsworthy auf der Insel Rampole (Roman) - H. G. Wells

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sich, mein Haar und meine Haut wurden heller. Wer mich im weißen Flanellanzug auf dem Wege zum Tennisplatz in Sir Willoughby Denby’s Park getroffen hätte, würde ebensowenig vermutet haben, daß meine Mutter halb portugiesischer, halb syrischer Abstammung mit einem Spritzer Madeirablut gewesen war, wie er daran gedacht hätte, daß die Urahnen der Blettsworthys ein Fell und einen Schwanz besaßen. In so starkem Maße hatte die Assimilationskraft des Heimatlandes der Blettsworthys auf mich eingewirkt und mich zivilisiert.

      Ich wuchs sauber, zuversichtlich und vertrauensvoll zum jungen Manne heran, und wenn ich den unangenehmen Tatsachen nicht ins Auge blickte, so lag das hauptsächlich daran, daß es in jenem lieblich grünen und friedlichen Teile von Wiltshire keine so unangenehmen Tatsachen gab, die sich meinem Blicke aufgedrängt hätten. Auch als ich schließlich nach Oxford in das Lattmeer College kam, erlebte ich weder dort noch auf dem Wege dahin eine bedeutsame Erschütterung. Meine Tante Constance hatte sich erbötig gemacht, die Kosten meines Universitätsstudiums zu tragen. Sie starb bald darauf und hinterließ mir ihr ganzes kleines Vermögen; allerdings mußte ich ihrer Gesellschafterin eine jährliche Rente auszahlen, die den größten Teil der Zinsen verschlang. Aus dem bestürzten Mißtrauen der beiden Damen gegen mich war eine ehrliche und offen eingestandene Zuneigung geworden, da ich mich unter meines Onkels Sorgfalt gleich einer Blume im Sonnenschein entfaltet hatte. Das Testament wurde gemacht, nachdem mein Vater im Betschuanaland getötet worden und ich als völlig unbemittelte Waise zurückgeblieben war. Er fiel in einer ziemlich verwickelten und niemals völlig aufgeklärten Affäre, in der der Burenkrieg, seine umstrittene Heirat mit der Tochter eines angesehenen Betschuanen und die Schürfrechte in gewissen, seinem angeblichen Schwiegervater gehörigen Gebieten eine Rolle spielten. Er hat weder seine Anwesenheit innerhalb der Kampflinie der Buren, wohin ihn eine mit seinem stets komplizierten, aber, wie ich glaube, niemals unehrenhaften Privatleben verbundene Mission geführt hatte, noch seine allezeit dunkle Suche nach Gold klarzulegen vermocht. Wir jedoch glaubten damals, daß er für König und Vaterland auf die zu Kriegszeiten übliche Weise sein Leben verloren hätte.

      Der Burenkrieg hinterließ keinen schmerzlichen Eindruck in meinem knabenhaften Gemüt. Er war ohne Zweifel der zivilisierteste Krieg der Geschichte, wurde mit Zurückhaltung und auf ritterliche Art ausgefochten, war ein Krieg der weißen Rasse, der in gegenseitiger Hochachtung und allgemeinem Händeschütteln endete. Früher oder später werden die meisten Menschen Waisen, und wenn ein übrigens schon lange vergessener Vater, wie wir meinten, in ehrlichem Kampfe den Heldentod erleidet, so stellt das eine recht zufriedenstellende Form des herkömmlichen Verlustes dar.

      Auch der Heimgang der Königin Victoria warf keinen dauernden Schatten auf mein Gemüt. Eine große Epoche schien damit zum Abschluß gelangt zu sein, und ich war nur wenig darüber erstaunt, daß sowohl der ›Punch‹ als auch die Anglikanische Kirche unverändert bestehen blieben. Aber sie blieben bestehen; allmählich erkannte jedermann, daß fast alles unverändert weiterging, ein wenig traurig vielleicht, aber nicht hoffnungslos verwitwet; König Edward trat an Victorias Stelle, ein nun schon gesetzter, aber immer noch sehr liebenswürdiger Mann, und das Gefühl der Beständigkeit aller Dinge wurde durch den Tod der Königin nur gestärkt.

      Das Leben in Lattmeer festigte meinen Glauben an die Zivilisation des Weltalls. Ich fühlte mich nicht nur sicher, sondern auch privilegiert. Ich gewann Interesse am Wassersport und ruderte als Vierter im College-Boot. Ich schwamm ausgezeichnet. Ich glättete mein Haar mit Pomade und trug einen Mittelscheitel. Ich schmückte mich mit fröhlichen Farben. Meine purpurrot und blaßgelb gestreifte Strickjacke wurde nur von wenigen übertroffen. Ich lernte Weine voneinander unterscheiden. Ich schloß Freundschaften, unter denen sich einige durch Vertraulichkeit und Innigkeit auszeichneten. Ich verliebte mich in die Tochter einer Trafikantin, einer Witwe, deren Laden in nächster Nähe des Lattmeer College lag. Ich eignete mir sogar das nicht sehr große Ausmaß an klassischer Bildung an, dessen man zur Erlangung eines akademischen Grades bedarf. Auch nahm ich, ohne mich jedoch besonders hervorzutun, an den Bestrebungen der Oxford University Dramatic Society teil.

      Ich hatte in jenen Tagen allen Grund, glücklich zu sein, und blicke heute auf sie zurück, wie ein lebenslänglich Gefangener an die Zeit denken mag, da er als freier und unbescholtener Mensch fröhliche Ferientage genoß. Das Erbe meiner Tante, deren Vermögen nicht sehr groß, aber doch ganz ansehnlich gewesen war, ersparte mir den pekuniären Druck, unter dem die meisten jungen Männer zu leiden haben. Ich ertrug den Tod ihrer ehemaligen Gesellschafterin, durch den der gesamte Zinsertrag des Geldes für meinen persönlichen Gebrauch frei wurde, mit mannhafter Seelenstärke, und genoß die guten Gaben Gottes voll des Vertrauens auf ihren Bestand. Es wäre mir nicht im Traum eingefallen, daß all dies hoffnungsreiche Glück nur eine glänzende Folie der dunklen Erfahrungen sein sollte, die sich nunmehr über mich herabsenkten.

      Der erste große Schatten fiel über mein junges Leben, als meine Tante und mein Onkel kurz nacheinander starben. Mein Onkel begann früher als seine Frau zu kränkeln, starb aber nach ihr. Ich weiß nichts über die wahre Natur seiner Krankheit und glaube auch nicht, daß sie jemals klar erkannt worden ist. Die Berufsausbildung und Organisation der englischen Ärzte bewirken zwar, daß sie Würde an den Tag legen, ein bequemes Leben führen und anständig auftreten, scheinen sie aber nicht zu guten Diagnostikern zu machen. Eine Erkrankung des Blinddarms, der Niere, der Leber, der Milz, des Magens, des Nervensystems oder der Muskeln, sowie irgendwelche geheimnisvolle Infektionen wurden von dem behandelnden Arzt als mögliche Ursachen des Unbehagens und der Krankheit meines Onkels erwähnt, doch hütete sich der Mann vor einer allzu genauen Feststellung, die ihn hätte kompromittieren können. Der Totenschein nannte Herzschwäche in der Folge einer Erkältung als Todesursache. Spezialisten wurden nicht zugezogen; wahrscheinlich wären zu viele gleichzeitig vonnöten gewesen, so daß das Reisegeld für die ganze Schar die Mittel meines Onkels überschritten hätte. Die Behandlung eines Kranken in solcher Entfernung von London wurde in der Hauptsache davon bestimmt, wie weit sich der Arzt an offenkundig ähnliche Fälle in seiner Praxis erinnerte; im übrigen waren die vorhandenen Hilfsmittel der Ortsapotheke maßgebend.

      Mein Onkel ertrug erhebliche Leiden mit Mut; die Hoffnung auf Genesung erhielt ihn lange Zeit aufrecht. Als er einmal nachts von heftigen Schmerzen befallen wurde, war er sehr gerührt darüber, daß der Arzt, den wir herbeiriefen, aus seinem warmen Bette aufstand und nicht weniger als zwei Meilen im Regen zurücklegte; er entschuldigte sich, daß sein Leiden so unerklärlich sei und sich noch dazu zu so ungünstiger Zeit äußere. Er empfand es, glaube ich, als ein Unrecht, daß er keine einfache, leicht erkennbare und zu einer bestimmten Tageszeit auftretende Krankheit hatte und einen ehrlichen Freund in eine schwierige Lage brachte. »Ihr Ärzte«, sagte er, »seid das Salz der Erde. Was würden wir ohne euch anfangen?«

      Meine Tante starb an einer Lungenentzündung, der Folge einer Erkältung, die sie bei der Pflege ihres Gatten übergangen hatte; er wurde seines Verlustes zwei oder drei Tage lang nicht gewahr.

      Fast bis zuletzt glaubte er, daß er durchkommen würde. »Ich bin ein zäher alter Kerl«, sagte er immer wieder; so erteilte er mir keinerlei letzte Lehren über die Welt; und als er schließlich begriff – wenn er es überhaupt wirklich begriff –, daß seine Frau tot war, verfiel er in Stillschweigen. »Fort«, wiederholte er leise, als man ihm auf seine Frage, wo sie sei, taktvoll mit diesem Worte geantwortet hatte. »Fort, Dorcas fort«, seufzte er und sagte nichts mehr über sie. Er schien sich in sich selbst zurückzuziehen und nachzudenken. Er starb die dritte Nacht darauf unter dem Beistand der Pflegerin unseres Dorfes.

      Gegen das Ende vergaß er alle Schmerzen, die ihn in einem sanften Delirium noch quälen mochten. Er schien mit dem Gotte, dem er stets gedient hatte, in der Welt umher zu wandern und dabei noch klarer zu sehen als jemals zuvor.

      »Das Wunder der Blumen, das Wunder der Sterne«, flüsterte er, »das Wunder des menschlichen Herzens. Warum sollte ich auch nur einen Augenblick lang daran zweifeln, daß all das zum Guten beiträgt? Warum sollte ich zweifeln?«

      Dann sagte er plötzlich, ohne irgendwelchen Anlaß: »Mein ganzes Leben lang bin ich umhergegangen und habe

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