Mr. Blettsworthy auf der Insel Rampole (Roman). H. G. Wells

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mr. Blettsworthy auf der Insel Rampole (Roman) - H. G. Wells страница 10

Автор:
Серия:
Издательство:
Mr. Blettsworthy auf der Insel Rampole (Roman) - H. G. Wells

Скачать книгу

flüsterte Graves, und es schien so etwas wie ein Ringkampf stattzufinden.

      »Laß mich!« sagte Olive Slaughter ohne Überzeugung, dann wiederholte sie schärfer: »Laß mich, sage ich dir.«

      Hier versagte meine Erinnerung für eine kleine Weile. Ich weiß nicht, welche schwarzen oder dunklen Ewigkeiten ich in den nächsten Augenblicken durchlebte. Das folgende Bild sehe ich von der Tür des Schlafzimmers aus, die ich weit aufgerissen hatte. Graves und Olive liegen auf dem Bett und starren mich an. Graves hat sich halb aufgerichtet und stützt sich auf einen Ellbogen. Er hat eine weiße Sporthose an und ein Seidenhemd, das vorne aufgeknöpft ist. Olive liegt ausgestreckt auf dem Bauch und blickt über ihre Schulter nach mir herüber, ihre Bluse ist in Unordnung und zeigt mehr von ihrem lieblichen Oberkörper, als ich jemals gesehen habe, ihr nackter Arm ruht auf seiner nackten Brust. Beide sind erhitzt und zerzaust. Erst starren mich die beiden Gesichter dumm an, dann werden sie allmählich lebendig und munter. Langsam, ganz außerordentlich langsam und den Blick immerfort auf mich gerichtet, setzen sie sich auf.

      Ich erinnere mich dunkel, daß ich mich fragte, was ich tun sollte; ich kam zu dem Schlusse, dessen entsinne ich mich deutlicher, daß ich, zunächst wenigstens, Gewalttätigkeit an den Tag zu legen hätte.

      Graves besaß guten Geschmack und hatte auf Kosten unserer Gesellschaft das Kaminsims in seinem Zimmer mit zwei alten schlanken Chianti-Flaschen geschmückt. Sie waren schwerer als ich dachte, denn er hatte sie mit Wasser angefüllt, damit sie fester stünden. Ich schleuderte ihm die eine an den Kopf, sie traf ihn, zerbrach mit einem glucksenden Laut, Wasser und Scherben fielen an ihm herunter. Die zweite verfehlte ihn und ergoß ihr Wasser auf das Bett. Dann muß ich auf der Suche nach weiteren Gegenständen, die meiner Gewalttätigkeit dienen könnten, zum Waschtische gegangen sein, denn ich erinnere mich, daß die volle Wasserkanne am Bettpfosten zerbrach und daß sich die Waschschüssel störenderweise in meiner Hand als zu leicht erwies, um wirksam verwendet zu werden. Dann scheint mein Gedächtnis noch eine Lücke aufzuweisen. Graves stand schließlich dicht vor mir, einen schmalen roten Streifen quer über der Stirn, der noch nicht zu bluten begonnen hatte. Sein Gesicht war weiß, schien zu leuchten und zeigte den Ausdruck gespannter Beobachtung. Ich erinnere mich, daß ich die Waschschüssel beinahe sorgfältig wieder hinstellte, ehe ich Hand an ihn legte. Ich war ihm an Gewicht und Muskelkraft überlegen und hatte ihn in kürzester Frist aus dem Schlafzimmer und durch das Wohnzimmer auf die Treppe hinausbefördert. Dann ging ich zu Olive zurück.

      Die Göttin meines bisherigen Daseins war verschwunden. An ihre Stelle war eine gewöhnliche junge Frau mit zerzaustem strohblondem Haar getreten, die zu besitzen ich heftig gewünscht hatte und die immer noch eine übergroße Wirkung auf meine Sinne ausübte. Sie bemühte sich, die Brosche festzustecken, die ihre Bluse am Halse zusammenhielt. Ihre Hände zitterten so sehr, daß sie es nicht vermochte. Der Ausdruck ihres Gesichtes verriet angsterfüllten Zorn.

      »Ihr zwei dreckigen Kerle habt mich in diese Lage gebracht«, sagte sie. »Du und dein Partner. Meinst du, ich bin mir nicht klar darüber? Du und unsere Verlobung! Ihr ekelhaften Kriecher!«

      Ich stand und beachtete nicht, was sie sagte, obgleich ich mich später ganz genau daran erinnerte. Ich überlegte, mit welcher unerhörten Schreckenstat ich sie niederschmettern könnte. Ich kann die Fülle der Impulse, die auf mich einstürmten, nicht mehr entwirren. Eines aber weiß ich noch klar: daß ich sie plötzlich packte und ihr die Kleider vom Leibe zu reißen begann. Sie wehrte sich erst wild, dann erlahmte ihr Widerstand fast völlig. Sie hielt den Blick auf mein Gesicht gerichtet. Ich riß an den Hüllen ihres Körpers, bis sie fast nackt war, und warf sie auf das Bett. Dann traf mein Blick den ihren. Entsetzen erfaßte mich: Ihre Feindseligkeit war verschwunden! Gott weiß, über welchen Abgründen ich in jenen Augenblicken schwebte. Dann schlug der Wirbelwind meiner Gefühle mit einem Male um. »Hinaus mit dir!« schrie ich, packte sie und stieß sie hinter Graves her.

      Einen Augenblick lang beherrschte mich sinnloser Schrecken vor der Tat, die ich beinahe begangen hätte. Ich verachtete mich sowohl wegen meiner Begierde als auch wegen des Rückzuges vor der Begierde.

      Ich wußte nicht, was ich weiter tun sollte. Unentschlossen ging ich im Zimmer auf und ab und rief: »Mein Gott! Mein Gott!«

      Dann zeigte sich das furchterfüllte, aber immer noch gefaßte Antlitz von Graves in der Tür. Er blutete jetzt ziemlich heftig. Und er sagte: »Gib ihre Kleider her, du Idiot. Die Leute werden sagen, daß wir das miteinander abgekartet hätten.«

      Das war vernünftig. Das war sehr vernünftig. Trotz heftigen Widerstandes kehrte mir die Vernunft zurück. Aber ich glaubte immer noch, erstaunlich handeln zu müssen. Einen Augenblick lang überlegte ich, dann raffte ich ihre zerrissenen und zerdrückten Kleidungsstücke zusammen und warf sie Graves plötzlich ins Gesicht. »Verschwindet alle beide!« schrie ich.

      Sein Kopf tauchte zwischen den Kleidungsstücken auf. Er hielt das Zeug fest und drehte sich um.

      Ich hörte ihn die Treppe hinunterstolpern. »Du kannst so nicht auf die Straße gehen«, hörte ich ihn sagen.

      Weder das Schlaf- noch das Wohnzimmer schienen mir mehr der richtige Aufenthaltsort zu sein. Es fiel mir ein, daß mein Rad im Laden stand. Ich versuchte, eine würdevolle Haltung anzunehmen, ging zu der Tür hinunter, die zum Laden führte, und schloß sie hinter mir. Ich war nunmehr sehr ruhig und handelte planmäßig. Ich tastete mich nach dem Rad hin, strich ein Streichholz an und entzündete die Lampe. Ich dachte an den Brief, den ich gelesen hatte. Er war verschwunden, und ich fühlte, daß ich nun nicht noch einmal hinaufgehen konnte, um ihn zu suchen. Mein Blumenstrauß lag auf dem Ladentisch dicht neben der Lenkstange meines Rades. Ich hatte die Blumen vergessen. Ich hob sie auf, roch an ihnen und legte sie wieder hin. Dann verließ ich den Laden durch die Vordertür, bestieg mein Rad und fuhr davon, durch die beleuchteten Straßen, über die Brücke und dann hinaus auf die stille Landstraße, die nach Carew Fossetts führt.

      Ich ging sofort zu Bett und schlief während des größten Teiles der Nacht. Um die Morgendämmerung erwachte ich plötzlich und fragte mich, was denn geschehen sei.

      Es störte mich, als bald darauf die Vögel zu singen begannen. Sie hinderten mich am klaren Denken.

      5

      Zwischenspiel mit Mrs. Slaughter

      Die Phasen, die ich in den Tagen nach meiner Entdeckung durchlebte, sind für meine Geschichte gewiß von Wichtigkeit – ich fühle das und will sie so eingehend wie möglich schildern. Es fällt mir aber durchaus nicht leicht. Meine Erinnerungen sind außerordentlich ungleichmäßig: bald klar, detailliert und so scharf, als beträfen sie Dinge von gestern und nicht solche, die mehr als zwanzig Jahre zurückliegen; bald verschwommen, verzerrt, unbestimmt und von Gedächtnislücken unterbrochen. Ich kann in der Auswahl, die mein Gehirn da getroffen hat, weder einen Sinn noch ein System entdecken. Ich kann nicht erklären, warum ich mich meines Erwachens an dem erwähnten Morgen in allen Einzelheiten entsinne. Ich möchte, wenn das nicht zu spitzfindig ist, geradezu sagen, daß in die Erinnerung an jenen Morgen auch das Bild der Ereignisse vom Vorabend eingebettet ist. Ich erinnere mich also nicht unmittelbar daran, daß ich Graves eine Glasflasche an den Kopf geworfen habe, sondern ich entsinne mich der Erinnerung an diese Tat und der Verwunderung darüber, die mich am folgenden Morgen befiel.

      Vielleicht haben sich mir jene Stunden des Wachseins deshalb so stark eingeprägt, weil sie der erste in einer langen Reihe ähnlicher Gemütszustände waren. Es war, als ob das ganze Weltall, mich inbegriffen, sich verändert hätte, als ob das Selbst, das ich bis dahin gekannt hatte, ein Traum in einer Traumwelt gewesen wäre und nun die Wirklichkeit begonnen hätte. Die Morgendämmerung kam, aber sie brachte einen neuartigen, einen freudelosen Tag. Die emporsteigende Sonne ergoß ihr warmes Licht in mein Zimmer, doch dieses Licht hatte keine Seele.

Скачать книгу