Joe & Johanna. Kristina Schwartz

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Joe & Johanna - Kristina Schwartz страница 5

Joe & Johanna - Kristina Schwartz Joe & Johanna Trilogie

Скачать книгу

die Spitze der Nahrungskette zu sein. Sie hatte zwar schon mit ihm geschlafen, doch damit hatte es sich auch schon. Als Ärztin würde sie sagen, sie hatten Sex. Sein großer, wunderbarer Schwanz war in ihr gewesen und hatte sich sogar in ihr bewegt. Irgendwann hatte er dann auch noch seinen Samen in sie entleert, ohne dass sie auch nur das Geringste gefühlt hatte. Orgasmus? – dieses große Wort. Wie schon so oft meinte ihr Körper, leider nein. Sie wusste sehr wohl, wie es sich anfühlte, wenn er sich aufbaute, heranwuchs, bis sie sich seiner nicht mehr erwehren konnte. Sie hatte schon unzählige gehabt. Doch Erfolge dieser Art waren ausschließlich ihrer geschickten Handarbeit zu verdanken.

      Das in die Wanne laufende Wasser hüllte das Bad in dichten Nebel. Zumindest vorübergehend sollte ihr die Wärme ersetzen, was ihr eigentlich fehlte: die Nähe eines Partners, die Geborgenheit seiner Arme, die Berührungen seiner Lippen. Es wäre höchst an der Zeit, ihr Leben auf Kurs zu bringen, selbst bei widriger Witterung, und nicht gleich einer besoffenen Piratin, der obendrein noch der Sextant abhanden gekommen war, durch die aufgewühlte See zu schlingern. Langsam kroch die Hitze des Badewassers in ihren Körper.

      Plötzlich waren die Hände an ihren Brustwarzen. Als besäßen sie ein Eigenleben, glitten sie ihren Bauch hinab, erforschten den Krater ihres Nabels. Ihr kurz geschorenes Haar streifend, tasteten sie nach den Schamlippen. Zwei Finger drangen in die Enge ihrer Vagina ein, stießen tief in ihr Inneres, bis ihre Hand jedes weitere Vorankommen unmöglich machte. Aphrodisierend war das Spiel, das die tanzenden Finger mit ihrem Geschlecht trieben. Unmissverständlich pulsierte ihre Klitoris gegen spielende Finger. Joe keuchte und stöhnte, schrie orgastische Laute an die Decke ihres Badezimmers. Sie peitschte ihre Gedanken in jene obszöne Vorstellung, dass sie kniend, auf allen vieren, brutal von hinten genommen werden wollte. Schlangengleich wand sie sich in dem verzweifelten Versuch, ihren Höhepunkt weiter hinauszuzögern. Wilde Muskeln zuckten um entfesselte Finger. Ihr Rücken versteifte, ihre Schenkel verkrampften sich, die Brüste fest zwischen ihren Oberarmen aneinandergepresst. Mit einem schrillen Aufschrei, die Faust gegen die Wanne schlagend, kam sie.

      Wild und ungezügelt und brutal musste sie sein, die Befriedigung ihrer Lust. Nur das zählte. Joe schwor auf gute Handarbeit. Nicht auszudenken, würde sie sich selbst auch noch enttäuschen.

      Schließlich wurde sie von dieser bedrückenden Leere erfasst, die jedem Orgasmus, wie eine gehässige Zwillingsschwester, auf dem Fuß folgte. Dazu gesellte sich ihr Hass auf jene Frau ohne Schamgefühl, die ihre Lust so hemmungslos hinausschrie.

      Das Einzige, das an diesem Tag anders war und das sie nachdenklich stimmte, war die Tatsache, dass, kurz bevor der Orgasmus über sie kam, sie eine mädchenhafte Gestalt vor sich gesehen hatte – Sandra.

      Was eine eventuelle Übersiedlung aufs Land und alle damit verbundenen Konsequenzen betraf, wollte sie sich noch nicht festlegen. Vielleicht sollte sie noch ein paar Mal darüber masturbieren, ehe sie eine Entscheidung traf. Bei diesem Gedanken trat ihre nächste Patientin in die Ordination.

      Eigentlich sollte die Grippezeit Anfang April schon vorüber sein. Trotzdem trudelten tagtäglich Frauen, Männer und Halbwüchsige bei ihr ein, die die klassischen Symptome zeigten. Joes Gefühl nach steckte ein MP3-Player in ihrer Kehle und spielte ständig die gleichen Sätze ab: Ich gebe Ihnen dieses pflanzliche Mittel für ihre Stirnhöhlen. Das müssen Sie aber selber zahlen, das zahlt die Kasse nicht. Für die Nase nehmen Sie am besten diesen Spray. Der macht sie frei, die Nase. Damit Sie nicht durch den Mund atmen müssen. Sonst stehen Sie nächste Woche gleich wieder mit einer Halsentzündung, einer Bronchitis oder noch etwas Schlimmerem da. – Was wäre denn schlimmer? – Das werden Sie dann schon sehen. Machen Sie sich eine Hühnerbrühe. Trinken Sie warmen Tee. Legen Sie sich ins Bett und wenn Sie das Gefühl haben, es zerreißt Ihnen gleich den Schädel, dann stellen Sie einfach den Fernseher ab. Alles klar!? Dann wünsche ich Ihnen gute Besserung. Der Nächste bitte!

      Am Abend dieses Freitags schmerzte Joes Kopf, dass sie das Gefühl hatte, es könnte ihn jeden Augenblick zerreißen. Sie nahm ein Bio-Hanfbier aus dem Kühlschrank und leerte in einem Zug die halbe Flasche. Das half ihr dabei wieder runterzukommen, sich zu entspannen und ihre Patienten dort zu belassen, wo sie hingehörten, jenseits dieser Mauer, die das Privatleben vom Beruflichen trennte. Mit jedem Schluck wuchs die Mauer um ein paar Ziegelreihen. Der Dämon in ihrem Schädel wurde sanfter, bis sie, bei leerem Glas sitzend, dachte, ihn vollständig vertrieben zu haben. Müde fiel sie auf ihre Matratze.

      Am nächsten Morgen erwachte sie bereits in aller Herrgottsfrühe. Voll Tatendrang sprang sie aus dem Bett, bereitete sich ein üppiges Frühstück aus Schinken, Eiern, Müsli, vier Scheiben Vollkornbrot und Kaffee. Eine Stunde später überquerte sie in ihrem Smart die Landesgrenze von Wien nach Niederösterreich. Als sie fünfzig Minuten später bei der Mühle ankam, sah alles so aus, wie eine Woche zuvor. Nur die letzten, spärlich verteilten Schneereste waren mittlerweile auch noch verschwunden.

      Erst einmal wollte sie dem Holzofen etwas Wärme entlocken. Nachdem sie unter das Holz feinere Späne geschlichtet hatte, zerknüllte sie die Doppelseiten einer alten Kronenzeitung und drapierte diese um ihren liebevoll errichteten Scheiterhaufen, ehe sie ihn ansteckte. Anfangs brannte nur das Papier, dann qualmte es. Joe begann in ihrem Kopf schon eine möglichst logische Erklärung für die Feuerwehr zusammenzuzimmern, warum es keine Brandstiftung gewesen sein konnte. Denn so wie sie sich ihre Nachbarn vorstellte, würden diese sofort die Männer vom Löschtrupp alarmieren, sobald sie bemerkten, dass die Großstadttussi mit offenem Feuer hantierte. Doch nichts geschah. Das Holz gloste, der Rauch verzog sich und kurze Zeit später begann sich die Vorstufe zur Behaglichkeit zwischen den alten Mauern auszubreiten. Der Ofen knackte und ein Duft nach Weihnachten kroch ihr in die Nase. Zuerst nahm sie sich die Küche vor und durchsuchte sie nach Gerätschaften und Geschirr, das sie noch nutzen oder wegen eines gewissen nostalgischen Werts aufzuheben gedachte. Sie fand eine Kaffeemühle, die Urgroßmutter einer digitalen Küchenwaage mit dazupassenden Gewichten, sowie die rudimentären Überreste eines Meißner Porzellan Services, das ursprünglich einmal für sechs Personen vorhanden gewesen war. In der Wohnecke fand sie nichts, das sie auch nur einigermaßen ansprach. Der Fernseher war alt, das Sofa verschlissen, die Bilder kitschig. Einzig und allein das Büchlein aus dem Jahre 1953, in dem Johanna handschriftlich ihre persönlichen Ausgaben verzeichnet hatte, wollte sie behalten. Plötzlich spürte sie, wie sie umfangen wurde von einer schleichenden Kälte. Richtig, die mittelalterliche Zentralheizung wollte ja regelmäßig mit Holz gefüttert werden. Das Feuer war schon weit heruntergebrannt und Joe legte ein paar Scheite nach. Dann ging sie nach oben, um auch das Schlafzimmer einer gründlichen Inventur zu unterziehen. Alte Pullover, ihrer fachmännischen Meinung nach selbst gestrickt, lagen penibel gestapelt im Kasten neben neu aussehenden Blusen mit Löchern, die vermutlich vom letzten Mottenbankett herrührten; daneben weiße Unterhosen und originalverpackte Strumpfhosen in Altweiberanthrazit. Joe hasste diese Farbe, war es überhaupt eine? Dieses hässliche Anthrazit, irgendwo zwischen Schlamm und Grau. Wie abstoßend. Sie spürte, wie ihre Zehennägel sich aufrollten. Ganz hinten im obersten Fach des Kleiderschranks fand Joe einen Schuhkarton, dessen Etikett behauptete, bei dem Inhalt handle es sich um hochhackige Pumps der Größe neununddreißig. Vermutlich hatte ihre Großmutter die Schachtel in einer stuntmanähnlichen Aktion, herumturnend auf einem Sessel oder einer zweistufigen Treppe, sich mit einer Hand festhaltend, mit der anderen den Karton balancierend, an diesem schwer zugänglichen Ort deponiert. Oder befand sie sich schon seit längerer Zeit an diesem Platz? Seit einer Zeit, als Johanna noch jung und gelenkig gewesen war und es ihr weder Mühe bereitete, noch eine Herausforderung für ihren Gleichgewichtssinn darstellte, zwischen den verschiedenen Etagen ihres Kastens herumzuturnen. Joe rückte den neben dem Bett stehenden Sessel heran und versuchte auf Zehenspitzen den Karton zu fassen zu bekommen. Langsam, um zu verhindern, dass der Fang, den sie gerade gemacht hatte, wieder von ihrer Angel hüpfte und neuerlich in den Tiefen des Schranks verschwand, zog sie ihn zu sich heran.

      Joe konnte es fühlen, das Adrenalin, wie es durch ihre Venen pumpte. Sie war gespannt darauf, wie sie wohl aussahen, diese Pumps mit den hohen Absätzen, in denen ihre Großmutter irgendwann einmal herumgestöckelt war. Oma Johanna und

Скачать книгу