Yasmin liebt. Theresia Maria Wuttke

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Yasmin liebt - Theresia Maria Wuttke

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       Und glaube nicht, Du kannst den Lauf der Liebe lenken,

       denn die Liebe, wenn sie Dich für würdig hält, lenkt Deinen Lauf.

       Liebe hat keinen anderen Wunsch, als sich zu erfüllen.

       Khalil Gibran

      Das Leben atmet Dich

       "Liebe Yasmin,

       das Leben atmet Dich und nicht Du das Leben, das ist die Weisheit Deines alten Freundes …

       Lass los und öffne Dich der Fülle des Augenblicks. Wenn wir unser Leben tanzen, dann spüren wir seine Pulsation, die alles ist. Nichts fehlt, gib Dich dem Strom unserer Liebe hin. Dann wirst Du ganz ruhig und unangreifbar. In dieser Fülle ist alles da.

       Du wirst Kinder gebären, die aus unserer Liebe gewebt werden. Sie sind nicht stofflicher Natur, denn unser Schicksal hat etwas anderes mit uns vor.

       Würde ich die Jahre Deiner Jugend mein eigen nennen, verwährte ich Dir Deinen Wunsch nicht. Lass uns Nester bauen für die, die in diese Welt hineinfinden wollen und die des Schutzes bedürfen, ihr goldener Samen aber fällt auf steinigen Grund.

       Denke immer daran: Du bist eine Frau, damit betrittst Du eine andere Dimension des Lebens.

       Hörst Du den Ruf der Lerche? Schwing Dich auf in die Himmel, die auf Deinen Flügelschlag und Deinen Gesang warten.

       Enrico"

      Liebes Leben, da bist Du ja

       "Lieber Enrico,

       wenn Du das liest, trennen uns nur noch wenige Stunden.

       Glücklich tanzend, jauchzend trifft der Strom meiner Liebe, den Strom Deiner Liebe, sich vermählend voller Leben dem Meer zustrebend, wo wir wieder Tropfen sind, um uns erneut zur Erde zu bewegen, sie zu benetzen mit „allem“, was wir sind. Und wenn wir dann fühlen, dass Teilen Geben ist und Sterben Leben, um das zu geben was wir sind, wird nur das Lachen von uns zeugen, dass der Wind über die Berge bringt.

       Und die Kinder werden es fangen in ihren blanken Händen, es zu versenden, all denen, die sich sehnen, sich zu geben in dieses Leben, das kein Anfang und kein Ende kennt.

       Yasmin"

      Der Schrei des Falken

      Wild, leidenschaftlich, voller Lebenslust warb Enrico um Yasmin, die diesem Treffen in jeder Zelle ihres Körpers und ihrer Seele entgegeneilte. Nun war er da der Tag und wieder begann das Spiel der Tänzer, die auf dem Kamm der Wellen ritten. Kaum war der Duft der Blüten der umliegenden Gärten von denen ihrer Haut zu unterscheiden, noch der Schrei der Falken von dem der Liebenden.

      Yasmins Herz klopfte wild gegen ihre Brust, während sie zu vergessen suchte, was sie wusste. Enrico streichelte ihren Bauch und liebkoste jede Mulde ihres Körpers, während in ihr die Sehnsucht nach einem Kind von ihm zu einem Orkan anschwoll.

      Leise, fast unhörbar flüsterte er ihr zu: „Erzähl mir deinen Traum, Yasmin.“

      Jäh wendete sie ihren Kopf ab und versprach mit schnellen Worten ein Frühstück bei einer guten Tasse Kaffee.

      Enrico war irritiert, jedoch Mann genug, sich auf diese Einladung einzulassen.

      Obwohl die Sonne von einem blauen Himmel strahlte und der Tag paradiesisch schön zu werden versprach, woben sich Nebelschwaden in das Miteinander, so als ob diese versuchen wollten, den brüllenden Orkan in Yasmin leiser werden zu lassen.

      In ihr tobte ein gewaltiger Konflikt: Wie sehr liebte sie diesen Mann, und wie sehr sehnte sie sich nach einem Kind von ihm, was ohnehin völlig absurd war, wollte ihr Studium doch vollendet werden. Das aber schien in völlige Bedeutungslosigkeit abgedriftet zu sein. Was ist nur los mit mir? Yasmin ertrug den Blick Enricos aus seinen strahlenden Augen kaum und versuchte ihm zu entkommen.

      Enricos Gedanken, denen er still nachhing, gingen in einen wortlosen Dialog mit Yasmin: Ich werde dich nicht fragen, was mit dir ist, du wirst es mir erzählen, wenn es soweit ist.

      Da zerriss der Schrei des Falken das Schweigen zwischen den beiden.

      Du bist nicht auf die Welt gekommen, um allein zu tanzen

      „Du bist nicht auf diese Welt gekommen, um allein zu tanzen, noch dich im Kreis deiner selbst zu drehen. Geh mit offenen Armen durch dein Leben und genieße es, Frau zu sein. Spür, dass du eine Botschafterin des Lebens bist.“

      „Große Worte, wo bleiben die Taten? Während ich mich nach einem Kind sehne, dass durch uns in diese Welt tritt, reichst du mir prosaische Sätze, gleich einer Speisekarte, wo das köstlichste Mahl in aufwendigen Zeilen angeboten wird, der Kellner jedoch wenig später am Tisch seiner Gäste erscheint, nur um zu sagen: Es tut mir wirklich leid, genau dieses Menü können wir Ihnen nicht anbieten.

      Yasmin begann zu schluchzen und warf sich in die Arme Enricos. Seine Arme umfingen ihren bebenden Körper, der ihm heute zum ersten Mal zerbrechlich erschien. Wie liebte er diese Frau.

      Ein einziger Satz durchbrach das Meer ihrer Tränen und bewegte sich zu den Ufern ihrer Seele: „Ich bin für dich da.“

      Durch die offenen Tore ihrer selbst gelangte diese Botschaft zum Fundament ihres Lebenshauses. Dort fiel sie auf tiefen Grund und verband sich auf noch ungeahnte Weise in ihrer Seele mit der Substanz, aus dem Leben gewebt wird und Basis schafft, um zukünftigen Erschütterungen standzuhalten.

      Enricos Blick fiel auf die Uhr, wusste er doch, dass er ausgerechnet heute Vormittag eine längere Reise ins Ausland antreten würde. Da würde es kaum Kontakt geben zwischen ihm und Yasmin, denn diese Reise führte ihn in ein unwegsames Land, wo die Grenzen der Technik auch die Grenzen der Kommunikation zwischen ihm und Yasmin sein würden. Noch einmal führte er sie behutsam auf den Weg der duftenden Gärten, wohl wissend, dass er ihren tiefsten Wunsch nie erfüllen würde.

      Im Gehen wiederkommen

      Enrico wandte sich im Gehen noch einmal um und nahm Yasmin in die Arme, als sei es das letzte Mal. Zärtlich küsste er ihre Wangen, ihren Mund. Irgendetwas in ihm sagte: Ihr werdet eine Weile nichts von einander hören und sehen. Diese Gedanken verscheuchte er. Als er jedoch in Yasmins Gesicht sah bemerkte er, dass auch sie einen Ausdruck trug, den er nicht an ihr kannte.

      Eine Krähe flog vorbei und zerriss mit ihrem Schrei die Stille, die sich zwischen ihnen wie ein blaues Samttuch ausgebreitet hatte. Am liebsten würde er die Zeit dehnen und noch einmal an den Anfang ihres Tanzes zurückkehren, um sie in seinen Armen in der Qualität der Unvergänglichkeit zu halten. Da fiel sein Blick zur Uhr und im Gehen lag seine Antwort.

      4. Wenn der Tag zur Neige

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