101 Diamanten. Gudrun Anders
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„Bist du verrückt geworden?“ polterte er los, als sie ihr Anliegen vorgebracht hatte. „Ich habe genug Probleme, die gelöst werden sollen und da kommst du und sagst, ich soll mein Heim auch noch für Fremde öffnen und für den stadtbekannten Höllenhund, vor dem sich jedermann fürchtet? Du bist ja nicht bei Sinnen! Geh' in dein Zimmer und komm' da nicht eher raus, bis ich es dir erlaube!“ Und dabei überschlug sich seine Stimme fast.
„Aber ich ...“ machte die Prinzessin einen neuen Versuch.
„Ruhe! Ich dulde keine Widerrede! Marsch!“ Die Stimme des Königs fing an zu zittern und er wurde kreidebleich. Die Prinzessin ging traurig in ihre Gemächer und überlegte, was sie tun konnte. Und wieder erschien ihr im Traum der Engel.
„Habe ein wenig Geduld“, sagte er. „Es wird sich alles fügen. Alles zur rechten Zeit.“
Als die Prinzessin am nächsten Morgen aufwachte, war sie voller Zuversicht und Vertrauen und machte sich auf, ihren Vater zu besuchen. Man sagte ihr, dass es ihm nicht gut ginge und er stöhnend im Bett liegen würde. Und so machte sich die Prinzessin auf zu seiner Kammer. „Ach, Anuga, mein Kind“, sagte er. „Ich fürchte, es geht mit mir zu Ende und dabei wollte ich noch so viele Dinge erledigen. Das wirst du jetzt für mich tun müssen.“ Seine Stimme war schwach und kaum zu verstehen.
„Nein, Vater, noch ist es für dich nicht Zeit zum Sterben. Du hast noch ein paar Jahre zum Leben. Also werde wieder gesund!“
„Ach, mein Kind, ich bin ein alter Mann und des Lebens überdrüssig. Ich habe vom Leben nicht viel gehabt und du sollst es besser haben als ich. Was möchtest du denn für Wünsche erfüllt haben?“
„Ich möchte, dass du die Zugbrücke öffnest, „ sagte Anuga ruhig.
„Nein, das ist mein Tod!“ schrie der König.
„Ich verstehe dich nicht, Vater. Eben erzählst du mir, du seiest des Lebens überdrüssig. Dann können wir auch die Tore öffnen!“ flehte die Prinzessin und sie war, wie so oft, dem weinen nahe. „Ich habe keine Angst vor dem Höllenhund. Er wird uns nichts tun.“
Der König überlegte noch einen Mund und sagte dann ganz leise: „Also, in Gottes Namen. Mach', was du meinst!“ Und die Prinzessin rannte los. Die Kunde, das die Zugbrücke gefallen war, verbreitete sich in Windeseile im ganzen Land und setzte die Menschen in Erstaunen. Neugierig kamen sie in Scharen, um das Wunder zu sehen. Auch dem Höllenhund blieb diese Nachricht nicht fern und auch er machte sich auf den Weg zum Schloss.
Mit großen, schweren Schritten stapfte er auf das Schloss zu. Bedrohlich sah er aus mit seinen großen Pranken, aber wenn man genau hin sah, hatte er traurige Augen. Der Höllenhund ging in das Schloss hinein und steuerte geradewegs auf die Kammer des Königs zu und öffnete die Türe. Der König und die Prinzessin erschraken.
„Mein Ende naht“, sagte der König dumpf und vergrub sich tiefer in seine Kissen. Die Prinzessin Anuga aber hatte ihre Courage nach dem kurzen Schrecken wieder gefunden und steuerte geradewegs auf den Höllenhund zu.
„Halt!“ sagte dieser. „Bitte bleib' stehen! Ich tue euch nichts zuleide. Ich möchte euch nur kurz erzählen, dass die ganzen Geschichten über mich nicht wahr sind. In Wirklichkeit bin ich etwas ganz anderes, wie ihr noch sehen werdet. Aber die Angst der Menschen hat auch ihren Blick verschleiert. Seit Jahren warte ich auf den Menschen, der keine Angst vor mir hat und mich erlösen kann. Ich glaube, ich habe diesen Menschen jetzt gefunden. Und wenn du, Anuga, mir deine Liebe zeigst, so will ich dich glücklich machen!“ Und die Augen des Höllenhundes blickten die Prinzessin bittend an. Selbst der König wurde ein wenig sentimental und überdachte seine Einstellungen. Die Prinzessin Anuga aber trat auf den Höllenhund zu, umarmte ihn und küsste ihn mitten auf die Nase. Im gleichen Moment gab es einen großen Knall und ein Blitz zischte durch den Raum. Und die Prinzessin fand sich in den Armen eines großen, starken Jünglings wieder und verliebte sich sofort in ihn – und er sich in sie. Worte waren in diesem Moment überflüssig.
„Danke“, sagte der Jüngling. „Nur Liebe kann uns erlösen. Und das ist es, was den Menschen fehlt. Wir wissen es jetzt und können dieses Wissen jetzt an alle Menschen auf der Welt weitergeben. Liebe sagt mehr als Worte!“
Der König wurde wieder gesund und das junge Paar war bald stadtbekannt als 'die Boten der Liebe'.
Die Diamantenstadt
Es war einmal eine wundersame Stadt, die bestimmt früher einmal sehr hübsch gewesen sein mochte. Aber jetzt war sie trist und leer. Keine Menschenseele weit und breit. Alle waren fort. Fort gegangen aus der öden Stadt, denn alle wollten dorthin, wo das Leben war und wo sie meinten, ihr Glück zu finden.
Eines Tages kam eine hübsche, junge Frau mit ihrem Hund in diese Stadt. Es war gerade Herbst und der Winter brach herein. Schade, dachte die junge Frau bei sich, wie lebendig mag es wohl früher hier gewesen sein? Sicher waren die Häuser bunt gewesen und Blumen haben geblüht. Jetzt blätterte die Farbe von den Häuserwänden, die Vorgärten waren verwildert und Schnee lag über der Stadt. In jeder Ritze, in jedem Winkel.
Ach, dachte die Frau, es ist kalt hier. Aber ich denke, ich muss hier bleiben. Wenn ich weiterziehe überrascht mich vielleicht ein Schneesturm. Ich werde es mir hier gemütlich machen. Sie sah sich die Häuser genau an und suchte sich zum Verweilen das schönste aus. In dem Haus war alles vorhanden, was sie so zum Leben brauchte. Kleidung, Essen, Möbel und etwas zum Lesen. Sie arbeitete einige Tage sehr hart, machte das kleine Häuschen sauber und fühlte sich dann recht wohl in ihrem neuen Heim, das wahrlich sehr gemütlich war.
Eines Abends saß sie am Fenster und im Kamin prasselte das Holz. Sie hockte warm eingepackt in eine wollene Decke in ihrem Schaukelstuhl und blickte hinaus in die Weite des Universums. Es war Vollmond und die Sterne funkelten und blitzten am Firmament. Ein Lichtstrahl brach sich an der Kirchturmspitze und schien genau auf die junge Frau zuzukommen. Plötzlich hatte sie das Gefühl, in die Kirche gehen zu müssen und ohne zu überlegen verließ sie ihren warmen Platz am Kamin und ging hinüber zur Kirche. Begleitet wurde sie von dem Funkeln der Sterne und sie wünschte sich, dass die ganze Welt voller Diamanten wäre. Das wäre ein Schauspiel! Sie ging in die Kirche hinein und traute ihren Augen nicht. Da waren lauter Diamanten! Sprachlos vor Erstaunen kniete sie nieder und dankte Gott aus tiefstem Herzen für das, was sie erleben durfte und dankte ihm dafür, dass immer noch Wunder auf dieser Welt geschehen.
„Ja, mein Kind, du hast Recht, „ sagte eine alte Stimme plötzlich, die von überall und nirgends zugleich kam, „es können noch Wunder geschehen – aber nur demjenigen, der auch an Wunder glaubt! Glaube – und dir wird nichts geschehen. Glaube – und dir passieren die wundersamsten Dinge!“ Und so, wie die Stimme gekommen war, ging sie auch wieder – aber das Glücksgefühl, das die junge Frau empfand, blieb. Ja, es wurde sogar noch stärker. Es war wie eine wunderbare Kraft, die von innen kam. Und mit jedem Diamanten, den sie betrachtete, mochte er auch noch so klein sein, vergrößerte sich dieses Gefühl.
Der Frühling kam und der Schnee schmolz. Und mit dem Frühling kamen auch die Leute zurück, die einst in dieser Stadt gelebt hatten, denn die Kunde von den Diamanten verbreitete sich schnell. Viele Menschen konnten sie gar nicht sehen und schimpften und zogen wieder weiter, aber die junge Frau blieb an diesem Ort, der ihr jetzt so gut gefiel. Und sie half den Menschen, die kamen, die Diamanten, die überall herumlagen, zu sehen und nicht nur den Staub und Dreck. Und sie lebte glücklich bis an ihr diamantenes Ende.