Schulpsychologie -. Jürgen Mietz
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1 Banalisierung der Beratung oder das Verschwinden des Subjekts 195
2 Arbeitswelt – Ideologie und Praxis der Ökonomisierung 199
3 Die Grundprinzipien der Beratung in der Postdemokratie 201
Steuerung optimiert –Beratung und Subjekt tot? 206
1 Subjektorientierte Beratung als Modernisierungshindernis 208
2 Beratung als Umgang mit Grenzen 212
3 Beratung als Kontrolle und Steuerung 215
4 Die Reduktion der Realität um das Subjekt(ive) und um den Zusammenhang 219
5 Die zivilgesellschaftliche Dimension psychosozialer Beratung und ihrer Grundprinzipien 222
1 Beratung – Mittel der Steuerung oder der Subjektstärkung? 226
2 Beratung und Schutz der Intimsphäre 228
3 Die sachlich-betriebswirtschaftlich, unpersönlich gedachten Modernisierungsstrategien greifen zu kurz 228
4 Fazit 231
Vorwort: Kleine Chronologie meiner Schulpsychologie
»Ich schreibe, um herauszufinden, was ich denke.«
Susan Sontag
Über Schulpsychologie und Bildungspolitik zu schreiben, war für mich über eine Reihe von Jahren hinweg eine Möglichkeit, mit Widersprüchen und Resten des beruflichen Alltags ins Reine zu kommen. Vieles von dem, was ich mit Kolleginnen und Kollegen im kollegialen Austausch, bei Fortbildungen, Supervisionen oder bei Dienstbesprechungen erfuhr und lernte, wollte ich weiter durchdenken, problematisieren, richtigstellen.
Worum es – anfangs eher unterschwellig – ging, war so etwas, wie den Kern »meiner« Psychologie zu bestimmen. Was sollte sie beinhalten, wie sollte sie definiert und abgegrenzt sein, um sie darzustellen, handhabbar und nützlich zu machen? Ich entdeckte im Laufe der Beschäftigung mit dem, was meine (Schul-) Psychologie sein könnte, dass sowohl in der Psychologie als auch in der Schule, Wert und Würde des Individuums nicht auf den Begriff gebracht wurden. Zwar war von der Einzigartigkeit des Individuums viel die Rede, aber wie ließ sie sich fassen?
Es war meine Weiterbildung am damaligen Siegener Institut für Psychologie (Heute: Institut Johnson), die mir mit ihrem historisch-dialektischen Ansatz einen theoretischen und praktischen Einstieg in dieses Thema verschaffte. In der Auseinandersetzung mit diesem Ansatz wurde mir deutlich, dass die großen gesellschaftlichen und staatlichen Strukturen eine Tendenz haben, sich das Individuum ihren Formierungsansprüchen zu unterwerfen; die viel beschworene Individualität samt Kreativität sind damit eingeschränkt. Dem Individuum zu seiner Subjektivität, zu einem Verstehen seiner konkreten Einzigartigkeit zu verhelfen und sie in den schulischen und familialen Prozess einzubringen, wurde mehr und mehr zu meiner Leitlinie. Worauf es mir nun ankam, war, ein »gesundes« Spannungsverhältnis zwischen Subjekt und Organisation/Institution herzustellen. Sie sind Pole, die einander brauchen, soll es Entwicklung geben. Und diese Pole müssen in ihrer eigenen Historie und aktuellen Dynamik verstanden werden.
Logische Folge war, dass ich mich mit den Eigentümlichkeiten, den offenen und heimlichen Aufträgen der Schule als System befasste, parallel zu den »Erkundungen des Subjekts«.
Die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen in NRW befanden sich Ende der 70 er, sowie in den 80 er und 90 Jahren in einem Findungsprozess. Es gab Ende der 70 er, Anfang der 80 er Jahre relativ viele Neueinstellungen als Folge des (sich mehr und mehr verdünnenden) Bildungsgesamtplans. Aus dem »Nichts« hatten wir unsere schulpsychologischen Selbstverständnisse zu entwickeln.
Wie sehr hatte sich Schulpsychologie an Pädagogik, Schule und Aufsicht anzupassen, um nützlich zu sein, um überleben und gestalten zu können? Wie konnte sie in dieses sehr selbstbewusste Universum mit mehrhundertjähriger Tradition, ausgestattet mit staatlicher Macht (Schulpflicht), eigene Identität einbringen und Spuren hinterlassen?
Insbesondere der breit diskutierte und mit Helmut Heyse1 verbundene Paradigmenwechsel der Schulpsychologie stellte den einzelnen Schulpsychologen, die Berufsgruppe, wie auch Schulen und die Institution »Schulpsychologie« vor die Aufgabe kritischer und selbstkritischer Reflexion. So unterschiedlich die Varianten auch waren, so hatte es doch im Sinne des Paradigmenwechsels darauf hinauszulaufen, dass Schulpsychologie im Kind und Schüler nicht mehr den alleinigen Symptomträger, den es zu »heilen« galt, sah, sondern sich auch der Lehrkraft, ihrer Persönlichkeit, sowie den organisationellen Bedingungen, unter denen der schulische Prozess stattfand, zuwandte. So gerieten die Interaktionsdynamiken Schüler – Lehrer – Klasse in den Blick, mit den konkreten, besonderen Ausformungen, wie Menschen und ihre Kommunikations- und Organisierungsformen zu bilden im Stande sind.
In diesem Verständnis schulpsychologischer Arbeit überwanden Beratung und Schulpsychologie den Charakter einer quasi-therapeutischen Intervention, die sich am Kind zu zeigen hatte. Sie nahm zusätzlich zur Betrachtung des Kindes den Charakter von Reflexion, Aufklärung, von Teamberatung für die Professionellen im System an. Sie sollten das Kind und die eigenen Interaktionen mit ihm verstehen, ihre Selbstkenntnis erhöhen, wie auch die Wirkungen der Organisation auf das Kind und die eigene Person und Rolle erfassen. – Es gab vieles zu verstehen, zu präzisieren und zu erklären – für mich hieß das, meine Erfahrungen und Überlegungen schriftlich festzuhalten.
In der Mitte der 90 er Jahre wurde viel über die Notwendigkeit einer grundlegenden Modernisierung der Schule diskutiert. Unter anderem ging es auch darum, den tatsächlichen oder vermeintlichen Bürokratismus in öffentlichen Verwaltungen und Schulen abzubauen2. Modelle betrieblicher Organisationsentwicklung wurden an Schule herangetragen. Als Beweis der Fähigkeit zur sachgemäßen Anpassung war auch von Pädagogischer Organisationsentwicklung die Rede. Sogar Modelle mit einer stärkeren Demokratisierung der Schule waren in der Diskussion (Horst Hensel). Insgesamt ging die Reise aber in Richtung Rationalisierung und Ökonomisierung der Schule, unter Beibehaltung oder gar Verstärkung der Rede von Individualisierung, Partizipation etc.
Die Ausrichtung der Schule an Interessen der Ökonomie und der Unternehmer wurde mit den Ergebnissen der »Kommission für Zukunftsfragen«3 (Bayern-Sachsen-Kommission) untermauert. Spätestens von diesem Zeitpunkt an wuchsen Interesse und Einflussnahme der Wirtschaftsverbände