Ostpreußen für Anfänger. Brigitte Jäger-Dabek

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Ostpreußen für Anfänger - Brigitte Jäger-Dabek

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sanft das Abendrot, die ersten Sterne zogen auf am Himmelszelt. Bald zeugte ein strahlendes Sternengefunkel am unendlich hohen, weiten Nachthimmel von der Größe der Schöpfung und brachte den Menschen zu ehrfürchtigem Schweigen.

       III. Herbst

      Natürlich gab es auch nasse, kalte Tag im Herbst wie überall, aber die Regel war schönes Wetter ohne die Hitze und Schwüle des Sommers. Das Laub wechselte seine Farbe zuerst in ein glühendes Rot und dann in einen warmen Goldton. Alles war in ein rotgoldenes Licht getaucht, noch wärmte die Sonne und lud zum Spaziergang ein. Fast unmerklich wurde die Luft dann frischer und schon ein wenig herb.

      Im Spätherbst kam der erste Frost. Nur ein paar Tage, höchstens zwei Wochen stand die Natur seltsam still und ruhte, alles war bereitet, das Land lag geduckt da und erwartete den Ansturm des Winters.

       IV. Winter

      Eines Nachts fiel dann leise der erste Schnee, manchmal hielt der Winter aber auch mit Ostwind und Stiem Einzug. Bald war alles tief verschneit: Ostpreußen- ein Wintermärchen.

      Die Temperaturen fielen und fielen, 25 Grad Kälte waren keine Seltenheit, nur ein paar Tage und das Eis trug. Es war so kalt, dass das Eis knisterte und knackte, der Schnee knirschte, der Atem gefror und man auf die Nase aufpassen musste. Jetzt war die Zeit der Schlittenfahrten, denn bei starkem Frost waren die Tage voll strahlender Klarheit. Von dick verschneiten Bäumen staubte leise der Schnee wie Puderzucker, vorbei ging es an verwunschenen Gebilden aus meterhohen Schneewehen, rundherum nur blauer Himmel, blauweißer Rauch über den Dächern und das lichtweiße Kleid des Winters über der Landschaft. Auf dem Heimweg tauchte dann die sinkende Sonne am glutroten Abendhimmel die tief verschneite Landschaft in einen zarten rosigen Ton, der sich bald in der Dunkelheit verlor. Bald zeigten sich Sterne in märchenhafter Zahl und Klarheit am tiefschwarzen Firmament, das zarte Licht des Mondes überzog das Land mit einem silbern schimmernden Glanz, unendlich stille Schönheit der Natur.

      Muttersprache

      Aus meiner Kindheit herüber tönen noch diese vertrauten sanften Worte, die vielen lockenden, liebkosenden „-che“.

      Ostpreußisch ist lautmalerisch rundlich, ohne Härten. Breit und behäbig gedehnt sprach man, passend zum Tempo des Landes, passend zur endlosen Weite der nordöstlichen Ebenen, passend zu den rundlichen Hügeln des Samlandes und des Südens.

      Oft nachgemacht, auch parodiert, gelingt diese Sprache selten jemandem wirklich, der nicht mit ihr groß geworden ist. Die meisten Nachahmer scheitern schon an den verschiedenen g-Lauten, „aber geh, geh!“ oder „ach Gott, ach Gott“ und erst recht „gar nuscht“, werden zur unüberwindlichen Hürde für Nicht – Muttersprachler.

      Ein einfaches g, ganz normal wie im Hochdeutschen ausgesprochen gibt es eigentlich im Ostpreußischen nicht. Wann das g wie ein j, wann als ch und wann als gutturales fast gurgelndes g ähnlich dem Arabischen ausgesprochen wird, kann man kaum lernen, Unterrichtswerke gibt es für diese Sprache natürlich auch nicht.

      Sie wurde ja auch nicht gelehrt, sie wurde in die Wiege gelegt, gehörte zu den ersten wahrgenommenen Lauten eines neuen Erdenbürgers, dieses susche patrusche, dieses pusche pusche ei ei, aber bitte immer mit ganz weichem sch, Laute, die Geborgenheit ausdrücken- Mutters Sprache. So nahm auch ich dieses Ostpreußisch noch mit der Muttermilch auf, umsorgt von der ostpreußischen Mutter, flankiert von zwei ostpreußischen Großmüttern. So bin ich aufgewachsen mit dieser Sprache und beherrsche sie immer noch, weil man die Muttersprache nie ganz vergisst.

      Natürlich habe ich auch all die ostpreußischen Lebensweisheiten nicht vergessen, die man so nur in dieser Sprache vermitteln kann, dieses:

      Ward all ware, nuscht is nu all,

      oder :

      Halt dich am Zaun de Himmel is ze hoch,

      und:

      Wer nuscht wagt kommt nich nach Wehlau, wer ze viel wagt, kommt nach Tapiau (Irrenanstalt), wie auch :

      Hast Brot, suchst Pierag (Fladenkuchen)

      Man möchte ja auch nicht gleich Duzkeilchen mit jedem essen und panjebratsch sein und überhaupt: Maschkopie is Schieterie.

      Der durchschnittliche Ostpreuße war ja gutmütig, mancher sogar großzügig und vor allem gastfreundlich. Über die seltenen Ausnahmeexemplare der rachullrigen Art, bei denen Geiz und Raffgier die Gastfreundschaft besiegten urteilte man:

      Haben haben se, aber geben geben se nuscht und wenn se geben, machen se schiefe Mäuler.

      Schon bei diesen wenigen Sprüchen, sowie auch bei einigen Schimpftiraden erkennt man auch die vielen verschiedenen Einflüsse auf diese Sprache, nicht nur die der durchziehenden Heere, die vielen Regionalia der deutschsprachigen Einwanderergruppen nach Ostpreußen sondern auch die der Ureinwohner, der litauischen und polnischen Nachbarn und Einwanderer, der russischen Händler. Vieles kam über die Märkte, die in diesem Grenzland immer international war und wo auch Jiddisch eine der Verkehrssprachen war.

      Pierag zum Beispiel kommt aus dem altpreußisch – litauischen Sprachraum und heißt Kuchen, genauer gesagt Fladenkuchen und der Bärenfang wurde dort Meschkinnes genannt. Ausdrücke wie Maschkopie, Mischpoche und Gannef kamen aus dem Jiddischen, nu aber pascholl aus dem Russischen und panjebratsch aus dem Polnischen.

      Der jeweilige Gehalt an Fremdworten änderte sich nach der Region, was ich selbst schon leicht feststellen konnte, wenn ich die Sprechweisen meiner Angehörigen verglich. Von Mutters Familie, die aus Insterburg und der Niederung stammte, sind viel mehr litauisch / altpreußische Ausdrücke überliefert. Vaters Familie hingegen stammt aus dem Allensteiner Raum, es waren überwiegend Ermländer, die meisten gar polnischsprachige Ermländer, der Muttersprache „Po Naszamu“ hieß – „unter uns“. Hier wurden viele Worte benutzt, die aus dem Polnischen stammten, ab der Großelterngeneration aufwärts waren die meisten sogar zweisprachig.

      Na egal, ich jongliere jedenfalls immer noch ziemlich souverän zwischen Zich, Pungel, Pacheidel, Krepsch und Torba hin und her, was eh alles etwa so viel wie Einkaufsbeutel bedeutet, aber eben doch nur ungefähr.

      Wie lautmalerisch gemütlich ist doch diese Sprache. Da kommt einer angesockt, narscht dabei foorts, huckt sich hubbernd hin und simeleert.

      Und dann die vielen „ei“ und „i“!

      „I“ dient meist der energischen Verstärkung: aber i wo werd ich oder: aber i wo nei nich, was beides als Antwort auf eine Ermahnung schon so beruhigend klingt.

      „Ei“ ist auch so einen Allzwecksilbe und kann fast überall eingestreut werden. Zum Beispiel wenn etwas freundlich angeboten oder erfragt werden soll: ei vielleicht noch e Schlubberche Kaffee oder e Tulpche Bier? Ei wie geht dem Mannche?

      Da haben wir dann schon noch so eine Eigenheit des Ostpreußischen, nämlich die vielen Diminutive. Eigentlich wurde alles mit diesen kosenden Verniedlichungen versehen, wenn auch wiederum nie in der im Hochdeutschen grammatikalisch richtigen Form. Im Ostpreußischen endete alles auf –che, ausnahmslos. Die Endungen –lein und –chen waren ungebräuchlich und kamen schlicht nicht vor. Es gab auch keine vorhergehende Lautumwandlung zum Umlaut hin. Es hieß also nicht etwa Männlein sondern? Richtig, Mannche hieß es, Frauche, Katzche, Hundche, Marjellche, Schnapsche, Bierche.

      Zur Veranschaulichung

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