Ostpreußen für Anfänger. Brigitte Jäger-Dabek

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Ostpreußen für Anfänger - Brigitte Jäger-Dabek

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Ein Kilo Stintchens hätt ich gern!“ Worauf die Marktfrau erwidert: „ Na bitte scheen Madamche, zwei Pfundchens von meine scheensten Stintchens. Wohl fürs Katzche?“ Antwort: „ Nei, fürs Mannche.“

      Sie merken schon, im Gegensatz zum Hochdeutschen gab es auch eine Pluralbildung, die egal weg immer auf -chens auslautet: Hühnerchens, Marjellchens, Jungchens.

      So wurde eigentlich fast alles verniedlicht, sowohl Gegenstände als auch Personen. Ausgenommen war da meist nur eine Person, es gab das Kantche (zärtlich geliebt und verehrt von allen Ostpreußen), e Ministerche, e Generalche, auch e Papstche gab es und ein Monstrum wie Hitler wurde zum Adolfche. Nur der Kaiser, der blieb meist der Kaiser.

      Vor allem aber gab es das ostpreußische Wort, das charakteristische Wort, ein Wort nur und schon ist klar, dass Ostpreußen gemeint ist: Erbarmung!

      Erbarmung war ein Vielzweckausruf, deckte vom Erstaunen, Erschrecken, vom Aufseufzen bis hin zur Freude je nach Betonung eigentlich alles ab.

      Dieses Erbarmung war der einzig nennenswerte allgemeingebräuchliche Temperamentsausbruch dieser Ostpreußen, deren hervorstechendste Charaktereigenschaft eine manchmal an Sturheit grenzende Gelassenheit war. Selbst bei Schicksalsschlägen folgte ein Schulterzucken mit dem unvermeidlichen, gottergebenen und dann leicht resignierenden Lächeln: „Was is ze machen“. Mit oder ohne Erbarmung.

Bild 92264 - Dieses Bild ist aus diesem Werk.

      Auch heute noch zu finden: Ländliche Idylle in Masuren

      Schimpfkanonaden

      Wenn man den Schimpfkanonaden einer Königsberger Fischfrau ausgeliefert war, hatte man schlechte Karten, sehr schlechte Karten sogar. Für ihre Tiraden waren sie berühmt, da zog man grundsätzlich den Kürzeren.

      Aber trotzdem, selbst diese Schimpfkanonaden klingen fast wie Musik. Lautmalerisch, wortgewaltig, einfallsreich hörten sie sich eigentlich nie so richtig böse an, eher schon gemütlich und augenzwinkernd. Für Außenstehende waren Zankereien zwischen Ostpreußen oft erheiternd, selbst wenn den Beteiligten der Kamm zornesrot anschwoll.

      Das ging dann etwa wie folgt:

      Marktfrauenpalaver Nei, so was lebt, und Goethe der ging dot! Wohl e happche dammlich was, nei so e Schafszagel, du Dämlack du, du Dummerjahn, du Duschak du obsternatscher Gnatzkopp du, du Glumskopp, Dammelskopp du begnagter Flunderkopp du vergnabstes Stintgeschling!

       Du Aaskrät, Beestkrät du, du lusger Krät

       so e spacheistriger Gnos und schon e Ganneff!

       Nu aber pascholl dreidammliger Lachodder

       sonst verwams ich dir du Pisian!

       Und du, du Schabberinski halt die Schabberluk,

       überhaupt, was tust so panjebratsch,

       haben wir vielleicht im selben Pischkaulchen gespielt

      oder Duzkeilchen zusammen gegessen?

       Du Klammersacksche, giftgeschwollne olle Motte,

       du griese Klunker du, du alte Ofenkrick,

       du brastige Kachel, gleich werd ich richtig kurrig

       du grieses Pestgesicht!

       Hol blots dien Piep und blubber nich

       und sing de Wacht am Rhein!

       Sonst gnagt mir foorsts der Zorn im Busen

       und eine innre Stimme sagt: verwalk ihr man!

      Die Kunst des Nötigens

      Die ostpreußische Gastfreundschaft war ja ohnehin sprichwörtlich. Es ziemte sich einfach, dass sich die Tische bogen unter der Last der Speisen und Getränke, aber vor allem gehörte zu jedem Gastmahl die Kunst des richtigen Nötigens, dem jeweiligen Anlass angemessen natürlich.

      Saß nur die engste Familie am Tisch, reichte ein einfaches „eß man eß und lass dir nich netigen“. Mit zunehmender Bedeutung der Gäste oder des Anlasses wurde das Nötigen subtiler.

      Kein Gast wäre je auf die Idee gekommen, nach der Schüssel zu langen und sich einfach selbst nachzulegen. Er erwartete, dazu aufgefordert, eben genötigt zu werden. Aber mal ehrlich, so etwas gab es doch gar nicht, bei halbwegs aufmerksamen Gastgebern kam es ja gar nicht vor, dass ein Teller auch nur halb leer wurde.

      Das Nötigen hatte eben gefälligst zu beginnen, wenn irgendetwas auf dem Teller auch nur zur Hälfte verzehrt war.

      „Na bittescheen, nimm noch Rotkohl und Sie, nehmen Se doch noch Kartoffeln. Draußen in der Küch‘ ist ja noch viel mehr, es soll doch man bloß nich kalt werden.“

      Das war noch moderat, sozusagen die Einstiegsform. Von nun an würde die Hausfrau keine Ruhe mehr geben und dafür sorgen, dass Schüsseln und Fleischplatten ständig kreisten. „Ach Gott, ach Gott, Ihnen schmeckt wohl auch rein gar nich, Sie essen ja wie e Spatz“ folgte die erste volle Breitseite. In jedem Fall wurde jetzt vom Gast ein energischer Protest erwartet: „aber i wo nei doch, es schmeckt ganz ausgezeichnet!“

      Unterbrach der Gast womöglich an dieser Stelle das Ritual, indem er einfach nichts entgegnete, weil es ihm vielleicht wirklich nicht besonders schmeckte, war das natürlich ein schwerer Fauxpas. Er konnte ja denken, was er wollte, der Gast, aber einfach so nuscht sagen?

      Das tat man nicht, da riskierte man, dass die Hausfrau mucksch wurde und der Gastgeber sein Haus als entehrt betrachtete. Bei all der Mühe konnte man ja wohl erwarten, dass der Gast wenigstens anstandshalber log!

      Verhielt sich der Gast hingegen den Spielregeln gemäß, konnte nun gesteigert werden; „nun bittescheen, nehmen Se doch um Gottes Willen, das muss alles aufgegessen werden, was soll ich denn machen, das wird mir ja alles schlecht,“ wurde verzweifelt an den Gast appelliert. Die Hausfrau wand sich, rang die Hände.

      „Am End wird mir noch alles verderben, nu tun Se mir doch die Liebe und kosten Se wenigstens hiervon noch e kleines Happche,“ und schon landete die nächste garantiert randvolle Fleischplatte unter der Nase des normalerweise längst nach Luft schnappenden Gastes, der sein Bestes gab.

      Trotzdem, bei einem auch nur annähernd normal gedeckten Tisch würde es ihm nie gelingen, von allem auch nur zu probieren.

      Fast aufgelöst wirkte die Hausfrau in ihrem Bemühen, für ständig randvolle Teller zu sorgen. Ihre Verzweiflung schien proportional zum abnehmenden Esstempo der Gäste anzuwachsen, steigerte sich so weit, dass man erwartete, sie würde sich jeden Moment vor Gram die Kleider einreißen.

      Winkte der hochgeschätzte Gast dann endlich nur noch matt ab, während seine Hautfarbe ständig von leichenblass nach knallrot und wieder zurück wechselte und er das Würgen eben noch vermeidendend ganz konzentriert kaute, halfen alle Kampf-dem-Verderb-Appelle nicht mehr.

      Der Gast hatte längst nur noch den einen Wunsch durchzuhalten, bis der Hausherr seinen Part übernahm und endlich das erste Schnäpschen zur Verdauung anbot.

      Dann

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