Till Eulenspiegel. Hermann Bote
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Bauern jeweils in der Osternacht ein Osterspiel aufführen, wie unser Herr aus dem Grabe
aufersteht.« Dazu müsse er helfen, denn es sei Brauch, daß die Küster es zurichten und leiten.
Da dachte Eulenspiegel: Wie soll das Marienspiel vor sich gehen mit den Bauern? Und er
sprach zu dem Pfarrer: »Es ist doch kein Bauer hier, der gelehrt ist. Ihr müßt mir Eure Magd
dazu leihen. Die kann schreiben und lesen.« Der Pfarrer sagte: »Ja, ja, nimm nur dazu, wer dir
helfen kann, es sei Weib oder Mann; auch ist meine Magd schon mehrmals dabei gewesen.«
Der Haushälterin war das lieb; sie wollte der Engel im Grabe sein, denn sie konnte den Spruch
dazu auswendig. Da suchte Eulenspiegel zwei Bauern und nahm sie mit sich; er und sie
wollten die drei Marien sein. Und Eulenspiegel lehrte den einen Bauern seine Verse auf
lateinisch. Der Pfarrer war unser Herrgott und sollte aus dem Grabe auferstehen.
Als Eulenspiegel mit seinen zwei Bauern vor das Grab kam – sie waren als Marien
angezogen -, sprach die Haushälterin als Engel im Grab ihren Spruch auf lateinisch: »Quem
quaeritis? Wen suchet Ihr hier?« Da sprach der eine Bauer – die vorderste Marie -, wie ihn
Eulenspiegel gelehrt hatte: »Wir suchen eine alte, einäugige Pfaffenhure.« Als die Magd hörte,
daß sie ihres einen Auges wegen verspottet wurde, ward sie giftig und zornig auf
Eulenspiegel, sprang aus dem Grab und wollte ihm mit den Fäusten ins Gesicht hauen. Sie
schlug aufs Geratewohl zu und traf den einen Bauern, so daß ihm ein Auge anschwoll. Als das
der andere Bauer sah, schlug auch er mit der Faust drein und traf die Haushälterin an den
Kopf, daß ihr die Flügel abfielen. Da das der Pfarrer sah, ließ er die Fahne fallen und kam
seiner Magd zu Hilfe. Er fiel dem einen Bauern ins Haar und raufte sich mit ihm vor dem
Grabe. Als das die anderen Bauern sahen, liefen sie hinzu, und es entstand ein großes
Geschrei. Der Pfaffe mit der Köchin lagen unten, die beiden Bauern, die die Marien spielten,
lagen auch unten, so daß die Bauern sie auseinander ziehen mußten.
Eulenspiegel aber hatte die Gelegenheit wahrgenommen und sich rechtzeitig davongemacht.
Er lief aus der Kirche hinaus, ging aus dem Dorf und kam nicht wieder. Gott weiß, wo sie
einen anderen Küster hernahmen!
Die 16. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Magdeburg verkündete, vom Rathauserker fliegen
zu wollen, und wie er die Zuschauer mit Spottreden zurückwies.
Bald nach dieser Zeit, als Eulenspiegel ein Küster gewesen war, kam er in die Stadt
Magdeburg und vollführte dort viele Streiche. Davon wurde sein Name so bekannt, daß man
von Eulenspiegel allerhand zu erzählen wußte. Die angesehensten Bürger der Stadt baten ihn,
er solle etwas Abenteuerliches und Gauklerisches treiben. Da sagte er, er wolle das tun und auf
das Rathaus steigen und vom Erker herabfliegen. Nun erhob sich ein Geschrei in der ganzen
Stadt. jung und alt versammelten sich auf dem Markt und wollten sehen, wie er flog.
Eulenspiegel stand auf dem Erker des Rathauses, bewegte die Arme und gebärdete sich, als ob
er fliegen wolle. Die Leute standen, rissen Augen und Mäuler auf und meinten tatsächlich, daß
er fliegen würde. Da begann Eulenspiegel zu lachen und rief: »Ich meinte, es gäbe keinen
Toren oder Narren in der Welt außer mir. Nun sehe ich aber, daß hier die ganze Stadt voller
Toren ist. Und wenn ihr mir alle sagtet, daß ihr fliegen wolltet, ich glaubte es nicht. Aber ihr
glaubt mir, einem Toren! Wie sollte ich fliegen können? Ich bin doch weder Gans noch Vogel!
Auch habe ich keine Fittiche, und ohne Fittiche oder Federn kann niemand fliegen. Nun seht
ihr wohl, daß es erlogen ist.«
Damit kehrte er sich um, lief vom Erker und ließ das Volk stehen. Die einen fluchten, die
anderen lachten und sagten: »Ist er auch ein Schalksnarr, so hat er dennoch wahr gesprochen!«
Die 17. Historie sagt, wie Eulenspiegel sich für einen Arzt ausgab und des Bischofs von
Magdeburg Doktor behandelte, der von ihm betrogen wurde.
In Magdeburg war ein Bischof namens Bruno, ein Graf von Querfurt. Der hörte von
Eulenspiegels Streichen und ließ ihn nach Schloß Giebichenstein kommen. Dem Bischof
gefielen Eulenspiegels Schwänke sehr, und er gab ihm Kleider und Geld. Auch die Diener
mochten ihn gar wohl leiden und trieben viel Kurzweil mit ihm.
Nun hatte der Bischof einen Doktor bei sich, der sich sehr gelehrt und weise dünkte. Aber des
Bischofs Hofgesinde war ihm nicht wohlgesinnt. Dieser Doktor hatte nicht gerne Narren um
sich. Deshalb sprach der Doktor zum Bischof und zu seinen Räten: »Man soll weisen Leuten
an der Herren Höfe Aufenthalt geben und aus mancherlei Gründen nicht solchen Narren.« Die
Ritter und das Hofgesinde erklärten dazu, die Ansicht des Doktors sei nicht richtig. Wer
Eulenspiegels Torheiten nicht hören möchte, der könne ja weggehen; niemand sei zu ihm
gezwungen. Der Doktor entgegnete: »Narren zu Narren und Weise zu Weisen! Hätten die
Fürsten weise Leute bei sich, so stünde ihnen die Weisheit immer vor Augen. Wenn sie
Narren bei sich halten, so lernen sie Narretei.« Da sprachen etliche: »Wer sind die Weisen, die
weise zu sein glauben? Man findet ihrer viele, die von Narren betrogen worden sind. Es ziemt
sich für Fürsten und Herren wohl, allerlei Volk an ihren Höfen zu halten. Denn mit Toren
vertreiben sie mancherlei Phantasterei, und wo Herren sind, wollen die Narren auch gern
sein.« Also kamen die Ritter und die Hofleute zu Eulenspiegel